Surreal

Irgendwie fühlt sich das Leben gerade surreal an, das soziale Leben ist weitgehend zum Stillstand gekommen. Mein wöchentlicher Markttag ist in Zeiten von Corona nicht so der Genuss: ich habe mich noch nicht an die auseinandergezogenen Warteschlangen vor den Ständen gewöhnt, die Plexiglasscheiben in Gesichtshöhe an den Supermarktkassen. Letzten Donnerstag stand ich in der Schlange vor dem Zeitungsladen. Es darf ja jetzt nur jeweils eine Person in den Laden kommen. Ein Mann in meinem Alter sprintete an der brav wartenden Schlange vorbei und und in den Laden rein. Dabei rief er: „Ich habe das Geld passend.“ Da waren dann doch zwei Personen im Laden. Er kam mit Zeitung wieder raus. Die Frau hinter mir sagte säuerlich: „Er hätte doch davon ausgehen müssen, daß wir das Geld auch passend haben.“ „Einige Leute haben sich noch nicht an die neuen Gegebenheiten gewöhnt“, antwortete ich, aber das war nicht das, was sie hören wollte. Sie giftete weiter. Ich wollte mich nicht mit ihr gemeinsam aufregen. Natürlich war das frech von ihm, aber diesen großen Gehorsam finde ich auch besorgniserregend. Nach dem Markt kaufte ich mir einen Kaffee im Pappbecher (Nachhaltigkeit und Ressourcenschonen ist in Zeiten von Corona außer Kraft gesetzt), ein Croissant und eine Süddeutsche und frühstückte im Auto.

Ich bin ansonsten meistens zu Hause. Hier mache ich das, was ich jeden Tag mache, also die Alltagsroutinen. Ansonsten bin ich für meine Verhältnisse richtig faul, dümpele herum, schaue aus dem Fenstern, hänge meinen Gedanken nach, lese, stricke, streichele die Katze. Gestern habe ich Torta della nonna gebacken, mein dritter Versuch. Und dieses Mal gelang es mir endlich, den Teigdeckel heil auf die Vanillecremefüllung zu befördern. So hilft die Kontaktsperre mir, meine Konditorinnenkünste zu perfektionieren

Gestern sah ich auf pioneersofchange-summit.org ein ausführliches Interview mit David Holmgren, einem der beiden Begründer der Permakultur. Er ist ein sympathischer Mann, der viel lacht und dessen australisches Englisch ich sehr gut verstehen konnte. Er sagte zu den Problemen in der Welt, es gehe weniger darum, was wir angesichts z. B. des Klimawandels machen können, sondern was wir nicht machen. Sehr gut gefallen hat mir auch das Interview mit Susanne Fischer-Rizzi, deren Heilpflanzenbücher ich ziemlich gut finde. Sie hat so mitreißend gesprochen, mit einer solchen Liebe zur Erde. Sie möchte gern alle Menschen mit dieser Liebe anstecken und ich fühle eine große Verwandtschaft mit ihr.

Stille

In den letzten Tagen kam mir mein kleines Dorf noch stiller vor als all die Jahre. Der Acker hinter dem Garten wurde gespritzt, der Trecker war nicht leise. Trotzdem ist da diese Stille. Nachmittags machte ich mich bei schönstem Sonnenschein auf den Weg nach Selent. Der Autoverkehr hat sich stark reduziert. Bei Edeka waren nur wenige. Es war ein wenig unheimlich: wenn ich in den Gängen an jemand vorbei ging, bemerkte ich, wie der Andere sich quasi zusammenzog, um mich nicht versehentlich zu berühren. Auf der Straße sahen die Leute weg und grüßten nicht, als sei auch Freundlichkeit schon eine Gefahr. Die Süddeutsche Zeitung war bei Edeka ausverkauft. Ich ging zur Tankstelle. Mein Versuch, mit dem Mann an der Kasse einen kleinen Small Talk zu halten, wurde von seiner Seite mit einem unfreundlichen Grunzen gestoppt.

Heute rief ich in meiner kleinen Stammbuchhandlung an, um das neue Buch von Charles Eisenstein zu bestellen: Wut, Mut, Liebe. Die Buchhändlerin verkauft zur Zeit vorbestellte Bücher an der Tür. Sie sagte, daß ihr deswegen mit einer Anzeige gedroht worden sei. Lebensmittel dürfen weiter verkauft werden (und Klopapier, wenn welches da ist – was machen die Leute eigentlich mit den Unmengen Klopapier? Die Franzosen kaufen angeblich verschärft Rotwein und Kondome, was ich eher nachvollziehen kann). Ich plädiere dafür, auch Bücher zu den Lebensmitteln zu rechnen. Natürlich kaufe ich kein Buch bei dem bekannten Onlinehändler mit dem schlechten Ruf, ich unterstütze lieber diejenigen, die sich jetzt vor der Insolvenz fürchten.

Wohlmeinende Menschen schicken mir Links zu irgendwelchen Youtube-Videos, die ich mir unbedingt angucken soll. Das Ansehen von Videos macht mich schnell ungeduldig. Ich glaube, es gibt in mir eine innere Abwehr, mich auf noch mehr Informationen einzulassen. Ich bin voll mit Informationen. Es reicht mir, ich habe keine Lust mehr, mich mit den unterschiedlichen Meinungen zum Coronaviruas zu befassen. Was ist richtig, was falsch? Ich weiß es nicht und ich glaube, ich stehe nicht allein damit in der Welt. Keine Regierung weiß es, alle Maßnahmen sind nur Versuche, aus Hilflosigkeit geboren.

Und währenddessen ist hier der Frühling eingezogen. Alles ist so hell und schön. Ich habe die Fenster geputzt, so kann die Sonne mit ihrem vollen Glanz in die Wohnung scheinen. Ich esse gut (heute selbstgemachte Käsespätzle und Krautsalat), ich lese, ich stricke, ich sitze im Garten und bin ganz zufrieden mit dem Leben.

Auf dem Weg nach Selent habe ich an mehreren Stellen Märzveilchen gefunden. Die habe ich schon jahrelang nicht mehr gesehen.

Retreat

Heute Morgen wachte ich mit dem Wort „Corona-Retreat“ auf. Das gefiel mir und so langsam komme ich auf den Geschmack. Klopapier habe ich jedenfalls genug im Haus (12 Rollen und zur Not gehen auch alte Zeitungen). Die Sonne schien, ich saß im Schuppen und sah in die Landschaft. Ein winziger Zaunkönig kam, hielt sich am Holz der Türöffnung fest und schmetterte laut ein fröhliches Lied. Auf dem Boden saß die Zaunkönigin und hörte zu.

Die Bachstelzen sind zurückgekommen, ebenso das Gartenrotschwanzpärchen, die Bienchen flogen und brachten leuchtendorange Krokuspollen nach Hause, Lerchensporn, Wiesengoldstern, kleine wilde Tulpen und Blausterne blühten. Es war so schön draußen und ich konnte machen, was ich wollte. Keine Verpflichtung, keine Termine. Ich putzte Küche, Bad und Flur, machte Wäsche, hackte Holz, bügelte und backte eine Käsetorte. Jetzt kann der Frühling kommen.

Die freundliche Bitte um Veränderung bringt uns nicht weiter. Wir brauchen Meuterei. (Laurie Penny)

Corona #5

Am Mittwoch traf ich die spontane Entscheidung, nach Flensburg zu fahren. Das war eigentlich der Plan für die nächste Woche. Angesichts der sich täglich verschärfenden Anti-Corona-Maßnahmen rechne ich dann aber mit Ausgangssperren wie in Bayern und Österreich. Auf der Autobahn hörte ich das Interview mit dem Virologen Drosten. Meine Tochter versorgte mich mit einer der Gegenstimmen, der des ehemaligen Arztes Wolfgang Wodag, der konträre Ansichten vertritt. Es gibt soviele unterschiedlichen Meinungen zum Thema. Ich bin es allmählich leid, mich mit diesen ganzen Stellungnahmen zu befassen. Ich glaube, keiner weiß richtig Bescheid. Ich glaube an Herdenimmunität und hielte es für besser, den Menschen, die zur Risikogruppe gehören, die Entscheidung selbst zu überlassen, ob sie unter Leute gehen oder nicht. Aber ich habe mich jetzt auch entschlossen, mich dem Nicht-Wissen hinzugeben und gespannt zu verfolgen, wie es weitergeht.

In Flensburg hatte ich jedenfalls eine gute Zeit. Gestern Vormittag gingen wir in die Stadt. Das Café K. verkauft Getränke und Speisen zum Mitnehmen. Ob sie sich damit in den nächsten Wochen über Wasser halten können? Wir kauften aus Solidarität und weil wir Lust darauf hatten, das französische Frühstück mit Croissant, Brioche und Maronencreme, dazu einen sehr leckeren Galao. Auf dem Markt war Betrieb, aber bis auf Drogerien, Supermärkte und Apotheken waren alle Läden geschlossen. Viele hatten Schilder in die Fenster gehängt und boten Lieferservice an. Die Leute lassen sich was einfallen. Not macht erfinderisch.

Abends sahen wir Solaris von Andrej Tarkowski auf DVD. Das ist ein alter Film, den ich mindestens schon dreimal gesehen habe und jedes Mal entdecke ich noch etwas Interessantes. Das Remake von Steven Soderbergh mit George Clooney kann nicht mithalten, ist halt ein typischer Hollywoodfilm. Im Vergleich zu neueren Filmen ist Solaris langsam. Dadurch dringen die Bilder viel tiefer. Aber vor allem die Idee vom lebendigen Ozean auf dem Planeten Solaris, der die tief verborgenen Bewusstseinsinhalte der Bewohner der Raumstation materialsieren kann, fasziniert mich sehr. Vorlage für den Film war der gleichnamige Roman von Stanislaw Lem, der auch sehr lesenswert ist.

Heute fuhr ich von Flensburg direkt auf den Markt in Kiel. An den Ständen standen lange Schlangen, die Leute bemühten sich um Abstand (2 m wurde empfohlen). Als ich an meinem Gemüsestand zur Metallschale griff, um wie sonst Gemüse darin zu sammeln, hielt einer der Verkäufer sie fest und wies mich darauf hin, daß die gewohnte Selbstbedienung nicht mehr möglich sei. Am Käsestand lehnte man meine mitgebrachte Dose ab und wickelte den Käse in Papier und in den Zeitungsladen durften immer nur zwei Menschen gleichzeitig. Katjas Einweihungsparty für ihre neuen Räume wurde abgesagt, ebenso Yoga.

Wer weiß, wozu das alles gut ist. Was wird uns dieses Virus bringen? Auf jeden Fall schon mal Entschleunigung und eine deutliche Entlastung unserer Mitwelt. M. zeigte mir Fotos von den Kanälen in Venedig: sauberes Wasser. Das Wegbleiben der Touristen zeigt schon Wirkung. M. war im November anlässlich der Biennale in Venedig und hatte die Stadt als dreckig und voll und die Kanäle als stinkend in Erinnerung.

Corona #4

Eigentlich wollte ich gar nichts mehr zum Thema, das alles beherrscht, schreiben. Es gelingt mir nicht. Heute hätte ich in Kiel einen Termin bei meiner Osteopathin gehabt. Sie war nicht da. Später stellte sich heraus, daß sie mir per SMS abgesagt hatte, allerdings unter meiner längst nicht mehr aktuellen Handynummer. Nicht weiter schlimm: ich ging am Blücherplatz frühstücken. Dort bekam ich einen Platz zugewiesen und musste mich auf einer Liste mit vollem Namen und Telefonnummer eintragen. An der Holtenauer Straße waren etliche Geschäfte schon geschlossen. Im Bioladen standen an beiden Kassen so lange Schlangen, wie ich das noch nie erlebt habe. Es stimmt also mit den Hamsterkäufen. Da man in den nächsten Tagen mit Ausgangssperren wie in Bayern rechnen muss, bin ich so froh, daß ich in einem gottverlassenen Dorf lebe. Wenigstens kann ich hier ungehindert frische Luft schnappen.

Im Radio hörte ich einen sehr zutreffenden Kommentar aus irgendeiner polnischen Zeitung: Angesichts des Klimakollapses zeigen sich die Regierungen weltweit quasi handlungsunfähig, aber angesichts der Coronapandemie ist ein in atemberaubendem Tempo stattfindender Lock down ohne Weiteres machbar. VW macht freiwillig ja schon mal den Anfang und setzt die Produktion von Autos aus, leider nicht wegen der Klimakrise.

In der Süddeutschen Zeitung von heute steht im Feuilleton ein sehr genialer Artikel von René Schlott, der mir zu 100% aus der Seele spricht. Ich würde ihn gern vollständig zitieren, was leider nicht geht. Hier eine Kostprobe:

Um jeden Preis?

Die offene Gesellschaft wird erwürgt, um sie zu retten. Ein besorgter Zwischenruf.

(Die Bundeskanzlerin appelliert an die Bevölkerung), jeder solle seine sozialen Kontakte „weitgehend einstellen“. Diese Empfehlung ist ungefähr so sinnvoll, wie die Fische zu bitten, das Wasser zu verlassen, um ihr Überleben zu sichern…

…Der Staat setzt die Menschen einem Experiment mit völlig ungewissem Ausgang aus. Mit atemberaubender Geschwindigkeit und mit einer erschütterndern Bereitwilligkeit seitens der Bevölkerung werden Rechte außer Kraft gesetzt, die in Jahrhunderten mühsam erkämpft worden sind: das Recht auf Versammlungsfreiheit, die Religionsfreiheit, das Recht auf Bildung, das Recht auf Freizügigkeit, die Freiheit von Lehre und Forschung, die Freiheit der Berufsausübung, die Gewerbefreiheit, die Reisefreiheit. Die Reaktionen auf diesen Artikel werden zeigen, wie es um die Meinungsfreiheit bestellt ist und inwiefern vom Primat der epidemologischen Kurve abweichende Einstellungen noch toleriert werden…

…Auf dem Smartphone ploppt der Hinweis auf ein Interview mit dem Titel „Notfalls dürfen Beamte Zwang anwenden“ auf. Was, wenn wir eines Morgens in einer Gesundheitsdiktatur aufwachen?

Die erwähnte Gesundheitsdiktatur ist das, was ich am meisten fürchte. Ich bin bekanntermaßen keine Freundin der Schulmedizin, und das geht auf meine eigenen Erfahrungen zurück. Zu oft habe ich als Patientin bevormundendes und übergriffiges Verhalten erlebt. Das fing an, als die bereits einsetzende Geburt meines Sohnes 1974 mit Wehenhemmer unterbrochen wurde, weil die Hebamme gerade ins Bett gegangen war. Das Empörende daran war, daß ich über diese Maßnahme gar nicht in Kenntnis gesetzt wurde: ich bekam eine Spritze und erfuhr erst hinterher, wozu. Hätte man mich vorab darüber informiert, wäre ich in ein anderes Krankenhaus gefahren. Später bekam ich einen Dammschnitt, weil das damals routinemäßig so gemacht wurde, auch ohne mich darauf vorzubereiten: ich sah, wie die Hebamme die Schere zwischen meinen Beinen ansetzte, und dann war es schon geschehen. Ich bekam die Lachgasmaske mit Gewalt aufs Gesicht gedrückt, obwohl ich mich mit aller Kraft dagegen wehrte, während der Arzt den Dammschnitt nähte. Ich kann noch mehrere solcher Geschichten aufzählen, u. a. mit einer Kinderärztin, die während einer Keuchhustenwelle meiner Tochter prophylaktisch ein Antibiotikum geben wollte, damit es zu keiner Infektion käme. Ich habe damals sofort den Kinderarzt gewechselt. Als ich mit einer schweren Pankreatitis im Krankenhaus lag, habe ich so ungeheuerliche Erfahrungen von Überwältigtwerden und Nichternstgenommenwerden erlebt, daß ich mich damals komplett von der Schulmedizin abgewendet habe.

Der ehrgeizige Herr Spahn hat offensichtlich politisch noch viel vor. Die Zwangsimpfung gegen Masern hat er ja schon erfolgreich durchgedrückt. Das nächste wird dann wohl die Zwangsimpfung gegen Corona sein.

Ich kann nur sagen: Leute, seid doch nicht so gehorsam. Denkt selber! Lernt eure Körper richtig kennen, die sagen meist ganz deutlich, was sie brauchen. Lernt eurer Intuition zu folgen. Habt Vertrauen ins Leben. Das Coronavirus ist nicht unser Feind. Diejenigen, die uns einreden wollen, sie wüssten, was für uns das Beste sei und das sei zur Zeit, daß wir uns voneinander isolieren, sind unsere Feinde. Wir sind Herdentiere, wir brauchen einander, und Isolation macht uns krank.

Corona #3

Ich machte einen Ausflug ins Nienthal, ein Stück Land in der Nähe von Lütjenburg, das von der Stiftung Naturschutz gekauft und weitgehend sich selbst überlassen wird. Einige Hochlandrinder leben ganzjährig und artgerecht auf den steilen Hängen. Sie werden nicht gefüttert, nicht enthornt und tragen auch keine hässlichen Ohrmarken. Als ich mich ihnen näherte, kam eines auf mich zu. Ich sagte: „Ich darf dich nicht streicheln.“ Das hatte ich gerade auf dem Schild am Gatter gelesen. Da setzte sich das Tier sehr schnell in meine Richtung in Bewegung, und ich ahnte, daß es gar nicht gestreichelt werden sondern mir klarmachen wollte, daß ich besser Abstand halte. Ich wendete mich ab, und das Rind fing wieder an friedlich zu grasen. Ich fand den Ausgang nicht, aber zurückgehen wollte ich nicht: ich war auf dem Hinweg bis über die Knöchel im Morast versunken und hatte meine Wanderstiefel in einem Teich einigermaßen gesäubert. Also kroch ich unter dem Stacheldraht auf einen Rapsacker, der mit irgendwelchen Giftgefäßen von BASF bestückt war. Am Eiszeitmuseum hätte ich gern einen Kaffee getrunken, aber es war geschlossen wegen Corona. In Lütjenburg hatte ein Café geöffnet. Dort las ich in der Zeitung, daß Wirte ihre Tische jetzt 2 Meter auseinander stellen sollen, auch wegen Corona. Und im Radio hörte ich, daß in Österreich die Leute nur noch in bestimmten Fällen ihr Haus verlassen dürfen. Da kann ich nur lachen: soviel Polizei habt ihr gar nicht, daß das lückenlos überwacht werden kann. Wie wäre es, einfach mal zu akzeptieren, daß das Virus da ist und unseren Immunsystemen den Kontakt mit ihm zu gönnen, denn dann kann es ihm bei der nächsten Welle gut gerüstet begegnen. Es sterben Menschen daran, ja. Wir alle werden irgendwann mal sterben. Das ist heutzutage ein Tabu. Warum eigentlich? Ich glaube, wer Angst vorm Tod hat, hat auch Angst vor echter Lebendigkeit. Ich glaube nicht, daß das Coronavirus mich töten wird, aber mir kann schon morgen ein Dachziegel auf den Kopf fallen. Nicht, daß ich mir das wünsche, aber ich hätte auf jeden Fall mein Leben voll und ganz gelebt.

Heute telefonierte ich mit E., der einen Bioladen hat. Er ist dabei, auf unverpackte Ware umzustellen. Das ist sehr schwierig, besonders wenn man wie er auf Plastikcontainer verzichten will. Ihm werden allerstrengste Hygienemaßnahmen vorgeschrieben, mit Extraraum und Spülmaschine. Meine Güte, als ich ein Kind war, gab es im Krämerladen gegenüber fast alles lose. Da wurden Kaffee und Zucker und Mehl in Papiertüten gepackt. Keiner trug dabei Plastikhandschuhe, und Desinfektinsmittel waren auch noch nicht auf dem Markt. Und mir scheint, die Menschen waren damals insgesamt gesünder, wahrscheinlich weil ihr Immunsystem gut durchtrainiert war. Wenn in der Schule die Masern ausbrachen, regte sich niemand auf. Kinderkrankheiten waren normal, sie kamen und sie gingen. Hatte man sie einmal gehabt, hatte man lebenslänglich seine Ruhe.

E. findet übrigens, daß dieses Virus die Chance mit sich bringt, sich mal mit dem Thema Tod und Sterben zu befassen. Genau so sehe ich das auch. Leider schwingt mittlerweile auch Campact die Moralkeule und unterstützt die staatliche Reglementierung mit der Begründung, es ginge um Solidarität mit den Alten und Gefährdeten. Meint ihr im Ernst, es fördere die Gesundheit, wenn Menschen sich voneinander isolieren und wie in Österreich nicht mehr an die frische Luft gehen dürfen? Ihr seid doch von allen guten Geistern verlassen! Wenn Menschen Angst vor Ansteckung haben, könnten sie sich entscheiden zu Hause zu bleiben. Der Rest könnte eine solide Herdenimmunität bilden.

Gestern habe ich etwas Schönes in der Oya gelesen: ein Interview mit einer jungen Frau, die eine Ausbildung zur Hebamme macht, allerdings nicht an einer staatlich anerkannten Schule, sondern bei einer Gruppe von erfahrenen Hebammen aus verschiedenen Kulturkreisen. Das ist in Deutschland illegal, andrerseits haben Frauen es zunehmend schwerer, überhaupt eine Hebamme zu finden und sind immer mehr den Klinikärzten ausgeliefert. Früher waren Hebammen erfahrene Frauen aus der Nachbarschaf. Sie wussten, daß die meisten Kinder von allein kommen und die Gebärende eigentlich nur ab und zu mal ein aufmunterndes Wort und eine warme Hand braucht. Ich finde es gut und ermutigend, daß diese junge Frau die Ausbildung macht und damit einen großen Beitrag zur Selbstermächtigung der Frauen leistet. Mit meinen Kräuterkursen habe ich den gleichen Ansatz: es ist mir so wichtig, Menschen die Verantwortung für und das Vertrauen in ihre Körper wieder zurückzugeben. Ein Beispiel: viele Frauen haben mit immer wiederkehrenden Blasenentzündungen zu tun. Wenn ich sie dann frage, was sie bisher gemacht haben, höre ich immer, daß sie Antibiotika genommen haben. Wenig später kommt die nächste Blasenentzündung. Dann gibt es wieder Antibiotika. Sehr häufig bringen Behandlungen mit Antibiotika Folgekrankheiten mit sich: Candida albicans und Durchfall. So geht das immer weiter, oft über Jahre. Im schlimmsten Fall schlägt der Arzt eine OP vor, die in der Regel auch nicht den gewünschten Effekt hat. Es ist eine Dauerleidensgeschichte, die manche Frauen durchmachen. Dabei können Blasenentzündungen ganz prima und effektiv mit Kräutern behandelt werden. Ich hatte meine letzte vor ungefähr 25 Jahren und habe sie erfolgreich mit einer selbst zusammengestellten Teemischung behandelt. Übrigens kann man auch Vaginalpilze sehr gut und nachhaltig mit Heilpflanzen behandeln.

Corona #2

Heute habe ich unsere Familienreise ins Elsass storniert. Wir wollten in zwei Wochen nach Barr fahren, die Gegend erkunden und in den Vogesen wandern. Ich hatte mich sehr darauf gefreut, die Kirche von Andlau wiederzusehen: den Bärenfelsen in der Krypta, das Tierfries an der Außenmauer und das riesige Bild der schamanischen Richardis mit ihrer Bärin. Richardis wurde ebenso wie Odile mit haarsträubenden Schauergeschichten zur christlichen Heiligen umgedreht. Ich hatte mich auch auf die gute elsässische Küche und die Gelegenheit Französisch zu sprechen gefreut . Gestern Abend hörte ich im Radio, daß die französische Regierung Grenzschließungen erwägt. Und ich möchte lieber zu Hause unter Quarantäne stehen als im Elsass.

Gestern traf ich mich mit einer Freundin zum Kaffee. Sie hat Angst vor dem Virus. Ihr Gesundheitszustand ist nicht der beste und sie fürchtet sich vor einer weiteren Einschränkung ihrer körperlichen Möglichkeiten. Angesichts meiner Unbekümmertheit wandte sie ein: „Aber die vielen Toten!“ Aber tatsächlich weiß keiner, wie hoch die Todesrate wirklich ist. Wie bei einer Influenza haben natürlich ältere und geschwächte Menschen ein höheres Risiko in Folge einer Infektion zu sterben. Im Radio berichtete man, daß Italien 15 000 Coronainfizierte hat, auf die 1000 Todesfälle kommen. Das wären dann ca. 7%. Aber kein Mensch weiß, wieviel nicht registrierte Krankheitsfälle es gibt. Dann relativiert sich das mit der Sterblichkeit schon wieder.

Böse Zungen reden davon, daß der Coronavirus gezüchtet wurde, um Menschen an Zwangsmaßnahmen wie in Diktaturen zu gewöhnen. Andere argwöhnen, daß der Virus dazu dient, in Zukunft Zwangsimpfungen durchführen zu können. Ich bin keine Anhängerin von Verschwörungstheorien. Dazu müsste es ein globales Mastermind geben, das sich alle möglichen Szenarien und ihre Folgen ausdenkt. Wir Menschen sind aber – zumindest in unserem Kulturkreis – gänzlich unfähig, die Konsequenzen unserer Handlungen für die nächsten sieben Generationen abzuwägen, sonst hätten wir jetzt keinen menschengemachten Klimawandel, kein Plastikmüllproblem, keine Nitratbelastung, kein Glyphosat und weder Atomkraftwerke noch Atombomben, ganz zu schweigen von Nationalismus und anderen völlig überflüssigen Sachen. Daß der Coronavirus aber das gefundene Fressen für die Pharmakonzerne ist und die sicher schon ganz heiß darauf sind, einen Impfstoff zu entwickeln, dafür braucht man keine Verschwörungstheoretikerin zu sein.

Ich habe keine Ahnung, was dieses Virus uns bringen wird. Grundsätzlich bin ich ja der Ansicht, daß nichts ohne Grund existiert, auch Viren nicht. Wir reagieren erst mal wie auf alles Fremde: mit Angst und Abwehr. Es klingt vielleicht ungewohnt oder sogar verrückt: wie wäre es, wenn wir dieses Virus willkommen heißen? Wir können es ja nicht besiegen. Selbst der Versuch der Politiker, seine Ausbreitung zu verlangsamen, ist fraglich. Für mich sieht das so aus, als wolle man die einzelnen Zellen eines Körpers voneinander isolieren. Wir sind doch ein einziger globaler Organismus. Keine Zelle kann ohne die anderen leben. Der Gedanke von K., daß die ganzen Quarantänemaßnahmen eine weitere Zuspitzung der Story of Seperation sind, ist bedenkenswert. Was wäre, wenn wir die Begegnung mit dem Virus nutzen, um zum Wesentlichen zu kommen? Zu uns selbst, zum Kontakt mit Anderen – und damit meine ich auch zur mehr-als-menschlichen Welt?

Die Flyer für meine diesjährigen Kräuterkurse sind fertig und Lenchen hat es sich im Deckel des Kartons bequem gemacht.

Was hält mich gesund? In den letzten Tagen habe ich so viele erfreuliche kleine Sachen in meinem unspektakulären Alltag erlebt, viel gelacht, mich jeden Tag darüber gefreut, daß es so schön bei mir zu Hause und in dieser Landschaft ist – das hält mich gesund. Und dazu gehört auch die Nähstube, die ich mittlerweile jeden Dienstagnachmittag besuche. Sie wurde von einer Mitflüchtlingshelferin vor ein paar Jahren auf die Beine gestellt, als Ort, wo geflüchtete und deutsche Menschen zusammen zu nähen und sich austauschen. Das war eine richtig gute Idee. Zur Zeit arbeite ich an einem Sommerkleid aus Leinen. Ich kann mir Tipps von näherfahreneren Frauen holen, man erzählt sich Geschichten, hilft sich gegenseitig beim Abstecken und holt sich Rat. Frauen bringen Kuchen mit und zeigen ihre selbstgenähten Sachen. Schnittmuster werden ausgetauscht. Es gibt viel Lob und Zuspruch, es wird laut und durcheinander geredet. Das macht Spaß und gehört für mich zu dem, was wesentlich im Leben ist.

Corona

Heute Morgen hörte ich im Radio, daß die Bauern mal wieder eine Treckerdemo veranstalteten. Ich hätte es gern vermieden in die Stadt zu fahren, aber ich hatte eine Verabredung in Kiel, außerdem ist heute mein Markt- und Einkaufstag und mein Kühlschrank war leer. Ich vermied also die B76 weitgehend und fuhr über Wellingdorf und das Ostufer Richtung Innenstadt. Ja, und da stand ich dann. Eine schier endlose Schlange von HighTech-Treckern, die bestimmt Vermögen gekostet haben, fuhr Richtung Landeshaus, eskortiert von der Polizei. Als ich die Plakate las, kochte in mir kalter Zorn hoch. Ich kann dieses Opfergelaber nicht mehr hören: die Bauern jammern herum, daß sie nicht mehr soviel Gülle ausbringen dürfen und zurückhaltender mit Glyphosat und dergleichen sein müssen. Mit anderen Worten: sie demonstrieren dafür, daß sie ihren Vernichtungsfeldzug gegen die Natur fortsetzen dürfen. In meinen Augen ist das eine groteske Dummheit: sie schaden sich doch letztendlich selber. Und sie lamentieren, daß ihnen keine Wertschätzung entgegengebracht wird. Nee, die bekommt ihr von mir erst dann, wenn ihr aufhört uns alle zu vergiften und Tiere unter entsetzlichen Bedingungen zu halten und stattdessen ökologisch arbeitet. Daß das geht, zeigt der indische Bundesstaat Sikkim, der ab 2003 schrittweise zu Ökolandbau überging und seit 2016 zu 100% biologisch anbaut. Vielleicht mal von anderen Ländern lernen? Mir ist schon klar, daß unsere Politiker wenig dafür tun, daß sich das Blatt wenden kann: wie wäre es, die Agrarsubventionen zurückzufahren und stattdessen Bauern zu unterstützen, die Biolandbau betreiben wollen? Und natürlich sind die Menschen gefragt, die meinen, daß man Fleisch und andere Nahrungmittel für Centbeträge kaufen können muss. Für jeden Scheiß ist Geld da: für’s neue Smartphone, für Klamotten (die natürlich auch billig sein müssen), für allerhand Schrott, den eigentlich keiner braucht.

Mittags traf ich mich mit K. zum Essen. Das war schön. Wir umarmten uns zur Begrüßung genüsslich wie immer trotz Coronavirus, und wie ich hatte sie kein bisschen Angst vor ihm, obwohl seit Wochen in zunehmend hysterischer Weise über seine Ausbreitung berichtet wird. Neulich bekam ich mit, wie einige meiner Mitflüchtlingshelferinnen mit mitgebrachten Desinfektionsmitteln hantierten und jeglichen Körperkontakt ablehnten. Ich mag diese Frauen und sagte ganz freundlich: „Ihr tut euch nichts Gutes mit diesen Desinfektionsmitteln. Ihr sorgt nur damit, daß noch mehr Resistenzen entstehen. Wascht euch die Hände und zwar mit richtiger Seife, nicht mit diesen Flüssigseifen aus Plastikflaschen, die angeblich hygienischer sein sollen als Seifenstücke und noch mehr Müll produzieren.“ Ich glaube nicht, daß meine Worte auf fruchtbaren Boden fielen. Das Schlimmste ist die Angst: die macht krank.

Auch im Radio wird Angst geschürt: eine Moderatorin stellte ihrem Gesprächspartner die völlig legitime Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn man dem Coronavirus einen schnellen Durchlauf erlaubte, um zu einer Herdenimmunität zu kommen. Der, wahrscheinlich ein Arzt, fand diese Idee „egoistisch“, genau wie „Masernparties“. Egoistisch fand er aber auch, daß die Leute Hamsterkäufe machen. Ja, was denn jetzt? Natürlich decke ich mich mit Grundnahrungsmitteln und Klopapier ein, wenn ich damit rechnen muss, demnächst unter Quarantäne gestellt zu werden.

K. liest gerade Charles Eisensteins Klima – eine neue Perspektive und ist davon genauso inspiriert wie ich. Sie hatte eine interessante Idee: daß nämlich der Umgang mit dem Coronavirus in die Story of Seperation passt, von der Charles Eisenstein spricht. Die Regierenden handeln in der Logik dieser Geschichte der Trennung, die alles Fremde, alles Natürliche als potentiell gefährlich einstuft und automatisch in den Kriegsmodus schaltet. Auf einer anderen Ebene sehen wir das gerade auch an der Grenze zwischen Türkei und Griechenland. Ach, es ist so abscheulich, daß ich manchmal nur schreien möchte.

Was ich zum Virus denke? Ich habe positiven Respekt vor Viren jeglicher Art. Sie scheinen eine ganz eigene und uns fremde Intelligenz zu haben. Bei den Kinderkrankheiten, die ja mittlerweile zunehmend durch Zwangsimpfungen verhindert werden (siehe Masern), scheinen Viren eine entwicklungsfördernde Wirkung zu haben. Das ist meine Erfahrung bei meinen Kindern, die alle Kinderkrankheiten bekommen durften. Daß eine Masernerkrankung tödlich oder mit Komplikationen verläuft, kommt extrem selten vor. Ich vermute, daß Viren eine wichtige Rolle in der Evolution spielen. Ich glaube, daß bei einer Virusinfektion eine Art von Kommunikation mit dem Immunssystem stattfindet. 1987, als ich in meiner Körpertherapie an einem entscheidenden Punkt angekommen war, erkrankte ich an Influenza mit 40° C Fieber. Ich lag drei Tage flach und machte nichts als vor mich hindämmern und ab und zu etwas zu trinken. Ich nahm natürlich keine Medikamente und gab mich völlig dem Geschehen hin, schon weil auch gar nichts anderes möglich war. Diese Zeit war der Wendepunkt meiner Therapie. Seitdem habe ich ein ausgesprochen positives Verhältnis zu Viren. Ich hatte aber auch Glück mit meiner Herkunftsfamilie, in der solche Krankheiten immer sehr entspannt behandelt wurden: Bettruhe, vielleicht mal ein Wadenwickel und Wunschkost, wenn der Appetit zurück kam. Da gab es einfach dieses Vertrauen: Krankheiten kommen und gehen, sie gehören zum Leben dazu. Und der Tod auch irgendwann einmal.

Ich befasse mich gerade ganz praktisch mit dem Wurzelchakra, daß am unteren Ende der Wirbelsäule liegt, da wo sich auch unsere Fortpflanzungs- und Ausscheidungsorgane befinden. Das ist der Ort des Urvertrauens. Ich glaube, dieses Urvertrauen ist bei den meisten Menschen massiv gestört und unsere Kultur sorgt dafür, daß keine Heilung stattfinden kann.

Luisa Francia schreibt mir auf www.salamandra.de zum Thema Coronavirus aus der Seele (vor allem ihr Post vom 4.3.). Und zum Wurzelchakra fand ich heute (welche Synchronizität!) auch was Schönes bei Ilan Stephani: https://www.kalis-kuss.de/texte/erstes-chakra-urvertrauen

Das Wurzelchakra verbindet uns mit der Erde. Offensichtlich praktiziert Lenchen das auf ihre eigene Art

Qual

Campact hat mir eine Mail geschickt, in der zum Protest gegen die Kastenhaltung von Muttersäuen aufgerufen wird. Das dazu gehörige Bild einer in einen engen Käfig aus Eisenstangen eingesperrten Sau, der zwar den Ferkelchen erlaubt, an ihre Zitzen zu kommen, der Sau selbst aber kaum Bewegung, geschweige denn zärtlichen Körperkontakt mit ihren Kindern erlaubt, blieb in meinem Kopf, als ich ins Bett ging und war heute Morgen beim Aufstehen wieder da. Die Qual mitanzusehen, wie meine Gattung mit fühlenden Wesen umgeht, ist mal wieder kaum auszuhalten. Was kann ich tun? Ich finde, ich tue schon viel und es wird, je mehr ich weiß, immer mehr. Ich lebe weitgehend vegetarisch. Wenn ich Fleisch esse, muss ich wissen, daß es aus einigermaßen artgerechter Tierhaltung stammt. Das ist in der Regel nur bei Demeterfleisch der Fall. Und ich bin mir bewusst, daß nur wilde Tiere artgerecht leben können. Ich esse fast keinen Fisch mehr, obwohl ich ihn mag. Thunfisch ist schon seit vielen Jahren vom Speisezettel gestrichen, auch der angeblich delphinfreundlich gefangene. Fische aus anderen Ländern kommen gar nicht in Frage. Wenn eine weiß, daß die europäischen Fangtrawler die afrikanischen Küsten leerfischen und den einheimischen Fischern nur noch die Flucht nach Europa bleibt (wenn sie das Geld haben, Schleuser zu bezahlen), vergeht einer der Appetit. Ich esse keine Shrimps und Garnelen, auch nicht, wenn sie angeblich bio sind. Nordseekrabben sind auch gestrichen, weil die Fangmethoden verheerende Folgen haben. Dorsch, Schollen und Makrelen gehen ebenfalls nicht mehr. Sie stehen kurz vor der Ausrottung. Es bleibt für mich nur noch Hering, aber auch dessen Tage sind gezählt, weil ihm die Erwärmung der Meere nicht bekommt. Milch kaufe ich auf dem Markt beim Demeterbauern und gelegentlich von den Ökomelkburen, weil diese die Kälbchen bei den Müttern lassen.

Und um ehrlich zu sein, selten erlaube ich mir eine Ausnahme: wenn wir im Café K. in Flensburg frühstücken, esse ich gern den „Dänen“. Da gibt es ein paar Scheiben Lachs und Heringssalat. Auch Lachs kann ich eigentlich nicht verantworten, weil er aus Aquakultur kommt. Sie kann sich tausendmal ökologisch nennen, aber es ist einfach nicht artgerecht, diese wilden Fische, die natürlicherweise solch lange Wanderungen machen, in Käfigen zu halten, auch wenn die geräumig sind.

Jedenfalls habe ich beim Anblick dieser elenden gequälten Muttersau, deren einziger Lebenszweck die Produktion von billigen Fleisch ist, mal wieder den Gedanken gehabt, daß es gut ist, wenn die menschliche Gattung demnächst von der Erde verschwindet, einfach, damit diese unendliche Qual ein Ende hat. Übrigens sind diese Käfige in vielen europäischen Ländern längst verboten. Aber Deutschland hinkt mal wieder meilenweit hinterher, genau wie beim Tempolimit auf den Autobahnen und bei der Legalisierung von Cannabis (na, immerhin muss die Regierung endlich Dank eines richterlichen Urteils ihr Sterbehilfeverbot kippen). Und auch hier zeigt sich, daß Frauen keinesfalls die bessere Politik machen: Julia Klöckner als Landwirtschaftsministerin tritt konsequent in die Fußstapfen ihrer Vorgänger.

Neulich las ich in einer alten TAZ (die bekomme ich von I., um Feuer damit anzumachen) einen Artikel, in dem es um die Reaktionen von Menschen ging, die von der Autorin auf ihre unökologisches bzw. klimafeindliches Verhalten angesprochen wurden. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich es sinnvoll finde, in meinem Umkreis direkte Konfrontationen zu wagen, etwa: Ich finde es scheiße, daß du einen SUV fährst. Ist dir klar, daß die Tabletten, die du nimmst, unter entsetzlichen Bedingungen an Tieren getestet wurden? Findest du es in Ordnung, dich mit deinen billigen Klamotten zu brüsten, wo doch jeder weiß, daß sie unter Sklavenbedingungen hergestellt wurden? Weißt du, daß auch deine ganzen Kosmetika, Hairconditioner und dergleichen an Tieren getestet und für die rote Farbe deines Lippenstifts und Nagellacks Tausende Cochenilleläuse getötet wurden?

Ich werde das in dieser Form nicht machen. Menschen ändern ihr Verhalten nicht, wenn ihnen jemand so an den Karren fährt. Als ich noch starke Raucherin war, bin ich oft darauf angesprochen worden, daß das schädlich ist, oder Leute haben ihr Unverständnis geäußert, weil sie die Diskrepanz zwischen meinen ansonsten eher bewussten Lebensstil nicht mit einer so schlechten Angewohnheit wie Rauchen zusammenbringen konnten. Aber wie jeder Raucher, Alkoholiker, Drogensüchtiger wusste auch ich natürlich Bescheid, aber ich konnte einfach nicht aufhören. Ein Leben ohne Zigaretten war nicht denkbar. Bis es irgendwann dann doch ging.

Aber ich verkneife mir nicht, gelegentlich Hinweise zu geben wie neulich, als eine Bekannte mir mal wieder einen Link zu einem Youtube-Video schickte und ich sie in meiner Antwort auf das Shiftproject und Digital Detox aufmerksam machte. Sie antwortete mir mit dem alten Satz von Adorno: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Als ich diesen Satz in den 70er Jahren zum ersten Mal hörte, hat er mich sehr beunruhigt. Ich hatte damals noch keine Übung darin, die Meinungen von Denkerkoryphäen kritisch zu hinterfragen. Und auch wenn es angeblich bewiesen ist, daß das Verhalten der einzelnen Person kein bisschen am Klimawandel ändert, für mich macht es einen Unterschied. Das Gefühl von Ohnmacht und Ausweglosigkeit schwächt sich in dem Moment spürbar ab, in dem ich meinen eigenen Einsichten folgend handele. Ich lerne immer mehr dazu, werde immer konsequenter – und das fühlt sich richtig und gut an. Und auch wenn es mir oft verdammt schwer fällt, das zu akzeptieren: dasselbe muss ich Anderen auch zugestehen, jedem und jeder in seinem und ihrem Tempo. Auch ich bin, was Lebensstiländerungen angeht, noch längst nicht am Ende der Fahnenstange angelangt.