Erfreuliches

In all dem Dauergrau des Himmels, dem ständigen Regen, den dunklen Tagen gibt es Momente des Lichts. Die Adventszeit ist schon eine besondere Zeit. In der Schule haben wir gelernt, daß Advent Ankunft bedeutet und gemeint war natürlich die Ankunft von Jesus. Aber lange vor seinem Erscheinen gab es bereits die Erwartung des neuen Lichts, das zur Wintersonnenwende wiedergeboren wird: das Lichtkind, das Feuerkind.

Vor zwei Tagen war ich zur Weihnachtsfeier der Gruppe von Menschen, die ich in den letzten drei Jahren kennengelernt habe. Jeder und jede hatte etwas fürs Buffet mitgebracht – das ist ein guter Brauch, den ich besser finde als Catering – und der Raum war schön hergerichtet. Wir hatten sogar einen Weihnachtsbaum. Der Abend war so schön, daß ich heute noch davon zehre: freundliche zugewandte Menschen, interessante Gespräche, viele Umarmungen und Küsse. Das ist das Erfreuliche an der finsteren Corona-Zeit: es haben Menschen zusammengefunden, die gespürt haben, was wirklich wichtig ist. Genau das: Kontakt, auch und gerade körperlich, Austausch, Lachen, gemeinsam essen und feiern, die eigenen Fähigkeiten einsetzen und damit dem Ganzen dienen. Leider hatte ich mich schon Richtung Bett aufgemacht, als zu später Stunde noch getanzt wurde. Das erfuhr ich am nächsten Tag. Ach, da wär ich gern dabei gewesen! Das wäre die Krönung auf dem gelungenen Abend gewesen.

Heute war einer der raren Tage, an denen die Sonne mal hervorschaute. Ich machte eine Runde, begrüßte die Bienen in der Esche hinter dem Gutsgelände. Sie werden jetzt dicht an dicht in der Wintertraube sitzen, sich gegenseitig wärmen und durch den Winter träumen. In den ausgetrockneten Teiche finden sich mittlerweile große Pfützen, im Vergleich dazu sind die abführenden Gräben mehr als voller Wasser. Also wäre noch mehr Regen wünschenswert. Oder eine schöne Schneeschicht. Ein Rabe rief vom Himmel. Ich sah ihm nach und er drehte einen großen Kreis über meinem Kopf. Raben kamen in meiner Kindheit nur in Erzählungen meines Opas und in Märchen vor. Ich wollte immer welche kennenlernen. In Schweden fand ich 1994 ein Rabennest in einer steilen Felswand, von der mich Preben, mein Survival-Lehrer abseilte. Und unten angekommen, lag direkt vor meinen Füßen eine große Rabenfeder, die ich als Geschenk mitnahm. Hier oben im Norden leben echte Raben, die ich jeden Tag hören und sehen kann. Mittlerweile fühle ich mich von ihnen wahrgenommen.

Der Bach im Wald, wo ich im Frühjahr bitteres Schaumkraut und Bachbunge pflücken kann, floss mit fröhlichen Lichtreflexen über die Steine. Liebes Wasser, fließ und fülle die Teiche, damit darin wieder Fische, Muscheln, Vögel und alle anderen leben können. Am Rand des Waldes, der sich in der Nähe der Wohnung meiner Großeltern befand, floß ein kleiner Fluss, die Aale. Wenn ich auf der Brücke stand und in das strudelnde, plätschernde Wasser schaute, sah ich grüne Haare, die in dichten langen Strähnen an den Steinen hingen, sich in den Strömungen bewegen. Ich weiß immer noch nicht, wie diese Wasserpflanze heißt, aber für mich sind sie Nixenhaare.

Mein Wetterbaum, eine große Esche, die direkt neben einer ebenso großen Eiche stand, ist gefällt worden und mit ihr auch noch ihre Schwestern an den Seiten. Wahrscheinlich wird das Holz als Brennholz verkauft. Im Wald fand ich Pilze, die mich ein wenig an Pfifferlinge erinnerten. Beim Gehen übte ich ab und zu den Eulenblick und fühlte mich als Teil der Landschaft.

Winter

Für etwa zehn Tage war richtiger Winter da, mit Schnee und -10° C in den frühen Morgenstunden. Das fühlte sich sehr stimmig nach Rückzug an: am warmen Ofen sitzen, lesen, stricken, träumen. Da kamen dann auch Erinnerungen an die Winter meiner Kindheit mit Schlittenfahren und Schlittschuhlaufen auf dem zugefrorenen Maschsee in Hannover (wo ich bis 1972 gelebt habe). Die Wintertage in der Küche meiner Großeltern, in der meine Oma auf der emaillierten Küchenhexe gekocht, gebacken und Wäsche gewaschen hat. Ich habe den größten Teil meines Lebens auf Gasherden gekocht und verstehe daher gut, warum Profiköche Gasherde bevorzugen. Das ist in meiner Wohnung leider nicht möglich; ich habe mich mittlerweile mit meinem E-Herd arrangiert.

Kürzlich war der Schornsteinfeger da, um meinen Ofen zu inspizieren. Weil unsere Regierung, die ja gern ihre Bürger bevormundet, beschlossen hat, daß nur noch bestimmte Öfen zugelassen sind. Nun, ich habe Glück, mein Öfchen darf stehenbleiben. Allerdings hat der Schornsteinfeger mir geraten, die Dichtung auszuwechseln. „Wer macht das?“ fragte ich ihn. „Na, Sie“, antwortete er, „es ist ganz einfach.“ Gut, ich fuhr also zum Baumarkt und kaufte mir eine Dichtung mit dazugehörigem Kleber. Ich löste das alte verschlissene Dichtungsband und stellte dann fest, daß sich die teilweise ziemlich kompakte Schicht des alten Klebstoffs nur schwer ablösen ließ. Ich benutzte dazu einen Kreuzschraubenzieher wie einen Meißel und gab es bald auf, weil es so mühsam war und ich schnell fertig werden wollte. Das neue Band wurde also einfach draufgeklebt, was mit einer riesigen Schweinerei verbunden war, denn der Kleber ließ sich schlecht in die Nut einfügen, weil die Öffnung der Tube zu groß war. Das Resultat war, daß sich die Ofentür nur noch mit sehr viel Kraftaufwand schließen und öffnen ließ. Da erwachte mein Perfektionismus: ich konnte mich nicht mit dem Ergebnis zufrieden geben.

Am nächsten Tag fuhr ich wieder zum Baumarkt, diesmal aber zu dem in Lütjenburg, weil der näher liegt. Verwirrenderweise hatte man dort etliche Größen. Ich nahm die Dichtung mit, die mir passend erschien, um zu Hause festzustellen, daß sie zu schmal war. Also fuhr ich ein zweites Mal nach Lütjenburg. Wieder zu Hause, machte ich mir die Mühe, die alten Kleberreste zu entfernen, was ziemlich viel Zeit kostete. Dann packte ich die neue Dichtung aus und musste feststellen, daß auch die nicht breit genug war. Egal, sie wurde eingeklebt. Ich werde schon nicht an Rauchgasen sterben. Außerdem gehen die doch direkt durch den Schornstein raus. Abends kam dann mein Nachbar T. und stellte mir den Griff neu ein, so daß die Tür sich leichter öffenen ließ.

Für den Schornsteinfeger wäre die Aktion mit Sicherheit in fünf Minuten erledigt gewesen.