Vergehen

Für viele Menschen stellt das Alter ein Problem dar. So ist es zumindest in unserer Kultur. Menschen sind nur dann attraktiv und etwas wert, wenn sie jung und leistungsfähig sind. Vor Jahren war ich mal Koreferentin bei einem Workshop zum Thema Wechseljahre. Da gab es mehrere Frauen, denen es extrem wichtig war, ihre Leistungsfähigkeit zu behalten. Aber das Leben ist nicht so. Alles, was wird, muss auch wieder vergehen. Die Analogie dazu findet sich im Jahreskreis: zur Wintersonnenwende wird das neue Licht geboren, das Feuerkind, das wachsende Licht der Sonne, die im Frühling alles wachsen und gedeihen lässt. Sie Sommersonnenwende ist dann der Wendepunkt, an dem alles Lebendige sich wieder seinem Ende zuneigt. Das Licht wird Tag für Tag weniger, die Kraft der Pflanzen zieht sich in die Wurzeln, in die Erde zurück, um dort zu träumen und sich auf eine neue Geburt vorzubereiten. Dieses zyklische Geschehen wird symbolisch im achtspeichigen Rad abgebildet (die acht Speichen für die vier Sonnen- und die vier Mondfeste) und wir können es mit unseren Sinnen in der Natur wahrnehmen. Die alten Mythen von Persephone und Inanna und ihrem Abstieg in die Unterwelt erzählen diese ewige Geschichte. Leben verwandelt sich ständig, Tod führt in neues Leben, Leben führt in den Tod.

Meine Mutter hat sich gewünscht, eines Tages tot umzufallen. Ihr Vorbild war dabei Udo Jürgens, der bei einem Spaziergang gestürzt und nicht wieder aufgestanden ist. Dieser Wunsch wurde meiner Mutter nicht erfüllt. Sie musste das allmähliche Vergehen ertragen und hat sich damit sehr schwer getan. Auch ich kann mittlerweile nicht mehr ignorieren, daß ich älter werde. Als ich vor einigen Jahren keine Lust mehr hatte, meine Haare alle paar Wochen mit Henna zu färben, fiel es mehr noch recht leicht, das nachwachsende Grau zu akzeptieren. Mittlerweile habe ich von Menschen, die mich noch mit hennaroten Haaren gekannt haben, öfter wohlwollende Kommentare gehört. Auch daß meine Haut nicht mehr so straff ist, die Geheimratsecken größer werden und meine Gelenke öfter schmerzen, kann ich hinnehmen. Aber jetzt habe ich eine Linsentrübung des rechten Auges und da ist das Akzeptieren schon schwerer. Ja, ich weiß, daß man das heute mit einer ambulanten OP beheben kann und kenne etliche Leute, die das problemlos hinter sich gebracht haben, u. a. meine Eltern und eine ehemalige Arbeitskollegin, die erheblich jünger als ich war. Ich habe soviel für meine Augen getan und damit die Entwicklung meiner beginnenden Weitsichtigkeit lange hinausgezögert. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, daß ich in entspanntem Zustand und bei gutem Licht keine Lesebrille brauchte. Damit ist jetzt Schluss. Ich werde die Schulmedizin in Anspruch nehmen müssen, wenn ich nicht weiterhin durch einen irritierenden Schleier sehen will.

Pflanzen nehmen das Vergehen klaglos hin

Wie berichtet, wollte ich nie wieder zu dem Arzt gehen, der mir mit seiner energetischen Methode einige Male sehr geholfen hat, weil er mich vor über einem Jahr so streng zurechtgewiesen hatte, weil ich mich nicht „impfen “ lassen wollte. Und nun bin ich vor wenigen Tagen wieder bei ihm gewesen. Diese Entscheidung kam nicht plötzlich. Ich wollte endlich diesen sich immer weiter ausbreitenden roten Ring auf meinem Rücken, der vielleicht Anzeichen einer Borreliose war, loswerden. Außerdem hatte ich seit einiger Zeit Schmerzen in der Kreuzbeinregion und den Hüftgelenken, die meine Osteopathin nur kurzfristig lindern konnte. Na ja, und ich hoffte natürlich, daß er mir den grauen Star wegzaubern könnte. Ich wappnete mich also in Erwartung einer neuen Zurechtweisung wegen der „Impfung“ (für mich ist das nach wie vor ein gentherapeutischer Menschenversuch) und ließ mir einen Termin geben. Es war ein sehr angenehmer Kontakt, ich musste keine Maske tragen, wir haben sogar gelacht, meinen Hüftgelenken geht es wieder gut und der rote Ring ist zwar immer noch nicht ganz weg, aber wohl keine Borreliose. Meinem rechten Auge konnte er nicht helfen, hat aber meine Selbstdiagnose bestätigt.

Ich war trotzdem sehr zufrieden, auch mit mir selbst. Weil ich in den letzten Monaten begriffen habe, daß es wichtig ist, mit allen zu reden, auch und gerade mit denen, die mein Weltbild nicht teilen. Der Umgang mit dem C-Virus hat eine so tiefe Spaltung sichtbar gemacht und verstärkt. Ich glaube, daß es jetzt wichtig ist, diese Spaltung zu heilen. „Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden“ hat die kluge Rosa Luxemburg mal gesagt. Diesem Satz nicht nur zuzustimmen sondern ihn auch zu leben, ist nicht einfach. Wer weiß schon, was richtig ist. Übrigens ist der Vorsatz mit allen zu reden natürlich sehr hoch gegriffen. Ich kann es ja langsam angehen lassen.

Letzte Nacht saß ich im Garten und sah in den Sternenhimmel. Die hellen Sommernächte sind vorbei und die Milchstraße ist wieder zu sehen. Ich hörte dem Wind zu: welche Informationen weht er heran? Es war so still und ich fühlte mich so zu Hause und alles war gut, auch das Altwerden, das Vergehen. Leben geht immer weiter, nur die Erscheinungsformen verändern sich.

On the road again

So hieß ein Bluessong der Gruppe Canned Heat und so fühle ich mich oft in dieser Zeit: ständig unterwegs. Ein paar Tage war ich in Flensburg und wir besuchten einen schönen See, an dem wir dieses lauschige Plätzchen fanden. Auf dem Weg zu mir machten wir einen Abstecher nach Schleswig, weil ich K. und M. die beiden Hexen im Schleswiger Dom zeigen wollte:

 

Die beiden heißen Frigga (die auf dem Besen) und Freya (auf dem Katzentier). Man fragt sich natürlich, was zwei offensichtlich gut gelaunte nackte Mädels in einer ehrwürdigen Kirche im protestantischen Norden machen. Meine Theorie: die Maler haben es für sicherer gehalten, in dem christlichen Ambiente noch die alten Göttinnen unterzubringen. Man weiß ja nicht. ob die sich sonst vielleicht rächen, weil ein gefolterter Mann am Kreuz sie von ihrem angestammten Platz verdrängt hat. Jedenfalls freue ich mich über sie.

Dann waren wir in Haithabu, der nachgebildeten Wikingersiedlung an der Schlei. Das war eine große Enttäuschung: sehr teurer Eintritt, für den ein paar Hütten und ein Boot ohne jegliche Erklärung geboten wurden, eine Toilette für Frauen und Behinderte mit Wickeltisch und eine für Männer (nicht behindertengerecht, was an der schmalen Tür zu erkennen war). Was machen behinderte Männer oder Väter, die ihrem Kind die Windeln wechseln wollen? Wirft ein schlechtes Licht auf die Planer dieser Einrichtung. Das Museum war sehr nüchtern und karg, das Café machte gerade Feierabend. Wir wurden auf das große Café unten an der Straße geschickt, wo wir für ziemlich viel Geld Kaffee und Kuchen bekamen. Immerhin schmeckte der Kuchen.

Dann fuhr ich nach Münster und stand auf der Hinfahrt ab Hamburg dreimal im Stau. Aber Fahren mit der Deutschen Bahn ist auch keine Option mehr, weil da mittlerweile wohl kaum noch was einigermaßen gut läuft. Ich bin also wieder aufs Auto umgestiegen. In Münster traf ich mich mit meinem Bruder und meiner Schwägerin. Es ging um das Konto meiner Mutter. Am nächsten Tag ging es wieder nach Hause, dieses Mal ohne Stau.

Auf meinem Rücken hat sich vor Wochen ein seltsamer tiefroter Fleck gebildet, der sich erst ausbreitete und etwas blasser wurde, daraus entstand dann ein großer roter Ring, der an ein Erythema migrans (Wanderröte) erinnerte. Ich hatte schon mal eines, das aber etwas anders aussah und sich damals nicht als Beginn einer Borreliose herausstellte. Dann dachte ich an einen Hautpilz und behandelte mich nacheinander mit allen antimykotischen Mitteln, die mir einfielen: starker Ringelblumentee, Apfelessig, Knoblauchsaft, Lavendelöl und zum Schluss Teebaumöl – ohne sichtbare Besserung. Schließlich ging ich zum Arzt. Ich hatte mir vorgenommen, auch für den Fall, daß er darin ein Borreliosesymptom sehen würde, kein Antibiotikum zu nehmen, aber ich wollte wenigsten wissen, was das ist. Nun, ich weiß es immer noch nicht. Der Arzt gab zu, daß auch er ahnungslos sei und schlug vor, ich solle das Ding weiter beobachten. Er fand eine prophylaktische  Antibiotikagabe nicht sinnvoll, was für ihn spricht. Ich vermute, daß mich da irgendein Insekt gestochen und einen Erreger reingebracht hat, auf den mein gutes Immunsystem deutlich reagiert. Ich schaue es mir jeden Tag mit Hilfe von zwei Spiegeln an und nehme Kardenwurzeltinktur, die ich im Februar zubereitet habe. Das kann nicht schaden.

Apropos Krankheit, ich möchte auf ein sehr schönes Buch von Kerstin Chavent hinweisen, das vor einiger Zeit in der Zeitung Demokratischer Widerstand empfohlen wurde: Die Waffen niederlegen – die Botschaft der Krebszellen verstehen. Der Titel hat mich elektrisiert und es geht um viel mehr als um die persönliche Krebserfahrung der Autorin. Es geht um unser Gesundheitssystem, das diesen Namen wirklich gar nicht verdient und darum, die Verantwortung für die eigene Heilung wieder zu sich selbst zurück zu nehmen. Während des Lesens habe ich mehrmals zurückgeblättert um nach dem Erscheinungsdatum zu schauen. Denn es war, als beschriebe die Autorin die letzen zweieinhalb Jahre mit ihrer grotesken Entmündigung der Bürger*innen. Aber nein, das Buch ist vor dem öffentlichen Auftritt des Virus erschienen.

Zum Schluss noch ein Hinweis auf das Blog von Cambra Skadé, die mich mal wieder sehr erfreut hat: https://cambraskade.blog/2022/08/12/der-tanz-dieser-zeit/

„Der Stamm der Lebensliebenden“ – ja, dem fühle ich mich auch zugehörig. Vor einigen Tagen telefonierte ich mit einer ehemaligen Teilnehmerin meiner Kräuterkurse, die ich lange nicht gesehen habe und es stellte sich heraus, daß auch sie diesem Stamm angehört. Ebenso Charles Eisenstein, der ein neues Buch herausgegeben hat: The Coronation, zum C-Thema natürlich.