Der Wald ist die Welt

Gestern fand ein schöner Kräuterkurs mit interessierten und angenehmen Frauen statt. Der hat mich für das verstörende Erlebnis im letzten Monat mehr als entschädigt. Damit so ein Tag erfreulich wird, braucht es nun mal beide Seiten.

Heute besuchte ich den Wald, in dem wir gestern waren, wieder. Bei Sonnenschein ist es dort besonders schön, weil sich dann der Duft der Kiefern so intensiv verströmt und in mir ein unglaublich wohliges Gefühl hervorruft. Ich sammelte Birkenblätter und mein Plan war, daß die Menge für den nächsten Frühling reichen sollte, im getrockneten Zustand also soviel, wie in ein 500 ml-Glas passt. Bisher habe ich die Blätter immer bei Kräuter-Pflug in Kiel gekauft. Das ist übrigens ein ziemlich guter Laden, in dem eine fast alles an Heilpflanzen und Gewürzen in guter Qualität bekommt. Manches sammele ich auch selber. Heute merkte ich mal wieder, wie zeitaufwendig das ist, selbst bei dieser überschaubaren Menge. Wenn sich noch mal Menschen bei mir beklagen, wie teuer Heilkräuter im Geschäft sind, dann werde ich ihnen sagen: „Sammle selbst und dann reden wir noch mal.“ Die Birken sind um diese Zeit so schön mit ihren feinen, glänzenden Blättern, die sich im Wind bewegen und fast durchsichtig sind, wenn die Sonne scheint. Sie bringen die Heiterkeit des Frühlings in meine Körperin und haben mir in der Vergangenheit schon einige Male geholfen, wenn ich Schmerzen in den Fingern und Handgelenken hatte. Vor vielen Jahren hat mir mal ein anthroposophischer Arzt den Tipp mit dem Birkenblättertee gegeben und mir erzählt, daß Menschen, die als Kinder früh intellektuell stark gefordert wurden, zu dieser Art von Schmerzen neigen. Für mich fühlt sich das wie gestaute Energie in den Händen an. Die Birke bringt alles wieder in Fluss.

Ich sammelte also und ging dabei in eine meditative Stimmung, hörte den Vögeln zu und genoss es im Wald zu sein. Ach, ich liebe Wälder einfach. Das war schon immer so. Ich gehe auch nachts in den Wald und fürchte mich nicht. Als Mitteleuropäerin habe ich den Wald in meiner DNA. Jetzt gibt es ja nur noch kleine Überreste davon, aber vor ca. 2000 Jahren war hier fast überall Wald. Der Wald war für die damaligen Menschen und die anderen Tiere die Welt.

Umso mehr macht mir zu schaffen, was im Reinhardswald geschehen soll, der einer der Wälder meiner Kindheit ist: dort soll eine Windkraftanlage mit über 200 m hohen Masten errichtet werden, der die Grünen in der hessischen Landesregierung zugestimmt haben. Ich habe dazu ein Video von Peter Wohlleben gesehen, der alles Wesentliche über Windräder im Wald sagt: https://www.facebook.com/PeterWohlleben.Autor/videos/479323976473734/

Ich träume von einem Lastenfahrrad, damit ich mein Auto nicht mehr so oft brauche. Eine Freundin, der ich davon erzählte, ging ganz selbstverständlich davon aus, daß es ein E-Fahrrad sein würde. Nein, wird es nicht. Ich will nicht dazu beitragen, daß für die Akkus Regenwälder in Südamerika abgeholzt werden. Und solange ich kräftige Muskeln habe, kann ich auch Fahrrad fahren.

Walpurgis

Walpurgis, das Maifest, ist eins der wenigen alten heidnischen Feste, das die Kirchen sich nicht einverleibt haben. Vielleicht, weil es ein Fest mit großer erotischer Kraft ist. Nachdem es wochenlang hier im Norden sonnig, dabei aber recht kalt gewesen ist, bricht seit einigen Tagen der Frühling voll durch. Es scheint, als kämen alle Pflanzen gleichzeitig zum Blühen. Wenn ich unter dem blühenden Zwetschenbaum im Garten stehe, komme ich in einen träumerischen Zustand, den ich zum ersten Mal unter dem blühenden Kirschbaum in unserem Garten in Münster erlebt habe. Die Mehlschwalben sind zurück und alle Vögel singen ihre Lieder und überall ist diese Freude, diese Lust am Leben, an der Fülle, an der Schönheit zu spüren.

Ich lese zur Zeit ein sehr schönes Buch, das es leider nicht in deutscher Übersetzung gibt: Danielle Dulsky, eine amerikanische Hexe, ist die Autorin von The Holy Wild – A Heathen Bible for the Untamed Woman (Das heilige Wilde – eine heidnische Bibel für die ungezähmte Frau). Allein die Sprache ist schon ein Genuss, diese Poesie, diese Wortmächtigkeit! Danielle Dulsky schlägt Rituale zur Selbstermächtigung und Heilung vor, ebenso magische Handlungen. Und das Schöne ist, daß sie das mit großem Respekt für die Leserinnen macht: sie gibt lediglich Anregungen, sagt nie: du musst das so und so machen! Und sie nimmt radikale Umdeutungen vor, z. B. bei der Beschreibung von Salomes Schleiertanz. In ihrer Version der Geschichte wirft Salome mit jedem Schleier eine patriarchale Konditionierung ab, also die jahrhundertealten Vorstellungen, wie eine Frau zu sein hat. Ich bin davon überzeugt, daß jetzt die Zeit reif ist, unser volles Potential zu verwirklichen und die zu sein, die wir sind und nicht die, als die man uns sieht.

auch dieses Walnussblatt will sein volles Potential verwirklichen

Übrigens gilt das auch für Männer. Neulich unterhielten B. und ich uns über Männer und Frauen. B. ist der Ansicht, daß Frauen von Natur aus viel emotionaler sind als Männer. Ich sehe das anders. Ich habe in meinem Leben schon einige Männer erlebt, die sehr emotional waren. Und ebenso kenne ich Frauen, die eher zurückhaltend im Ausdruck von Emotionen sind. Ich glaube, daß Männer über viele Generationen hin darauf konditioniert wurden, nicht zu fühlen. Das war eine Notwendigkeit, weil sie diejenigen waren, die für die Herrschenden in den Krieg ziehen und andere Menschen töten mussten. Gefühle sind bei diesem miesen Job ein großes Hindernis. Wenn es also heute anscheinend weniger emotionale Männer als Frauen gibt, dann ist das die Folge einer seelischen Deformation.

Und dann müsste man noch klären, ob emotional heißt, daß eine*r Gefühle hat oder sie ausdrückt. Ich glaube, in der Regel ist damit der Gefühlsausdruck gemeint. Wenn es darum geht, bin ich wohl weniger emotional, aber ich weiß, daß ich viel fühle. Während meiner Körpertherapieausbildung ließ unser Lehrer John Pierrakos uns gern Energiemandalas machen: wir lagen sternförmig auf dem Boden, die Köpfe im Zentrum, die Beine strahlenförmig nach außen. Dann leitete er uns durch Gefühlszustände und innerhalb kürzester Zeit war der Raum voll von lautem Schreien, Stöhnen, Weinen. Ich habe diese Übung gehasst, denn ich konnte nicht auf Kommando irgendwelche Gefühlsäußerungen produzieren und die lauten Geräusche führten bei mir dazu, daß ich mich kontrahierte. John genoss die Energie, die bei dieser Arbeit entstand; ich hingegen wollte nur weg. Später sagte mir eine Frau, auf deren Worte ich etwas gab: „Wenn eine Person laut schreit oder weint, heißt das noch lange nicht, daß sie besonders viel fühlt, oft eher im Gegenteil.“ Dieser Satz hat mich sehr entlastet.

Zum Schluss noch mein Statement zum Krieg in der Ukraine: Putin hat die Ukraine überfallen, das ist ein Akt der Aggression. Der Westen, allen voran die USA, haben diesen Krieg provoziert und Russland absprachewidrig die NATO vor die Haustür gesetzt. 2014 wurde durch die westlichen Mächte eine neue hochkorrupte Regierung in der Ukraine installiert. Waffenlieferungen verlängern den Krieg und damit das Leiden der Zivilbevölkerung, wie in Syrien geschehen. Die Grünen betätigen sich als Kriegstreiber, indem sie diese Waffenlieferungen fordern. Es gibt Firmen, die eine Menge Geld mit dem Krieg machen, u. a. die deutsche Rhein-Metall.

Übrigens die Grünen: hier in Schleswig-Holstein finden demnächst Landtagswahlen statt und alle Parteien machen offensiv Werbung. Neulich fragte ich einen jungen Mann am Stand der Grünen, ob er wisse, daß für das Lithium in den E-Autos, für das unsere neue Außenministerin vor der Bundestagswahl so sehr geworben hat, in Südamerika Regenwälder abgeholzt werden. Er wusste es und lamentierte gleich: „Das ist ein großes Dilemma.“ Dann berichtete er aber ganz stolz, daß in Niedersachsen gerade eine Fabrik gebaut wird, die Lithium aus den Batterien recycelt. Dann redete er ganz viel und hatte offensichtlich kein Interesse mir zuzuhören. Mir ging es mit ihm genauso und ich ging.

In den 70er Jahren, als ich noch zur außerparlamentarischen radikalen Linken gehörte, habe auch ich in der Stadt an Büchertischen gestanden und versucht, Leute von unseren Positionen zu überzeugen. Das nannte sich damals Agit Prop (Agitation Propaganda) und bedeutete, ganz viel zu reden, dabei den Eindruck des Expertentums zu vermitteln und den anderen nicht zu Wort kommen zu lassen. Natürlich habe ich damals niemanden überzeugt. Ich habe also Verständnis für diesen jungen Grünen, aber das ändert nichts daran, daß ich keine Lust mehr habe, mich auf diese Art von einseitigem Gespräch einzulassen.