Holles Blog

Atem

Ich lese gerade wieder Im Bann der sinnlichen Natur von David Abram. Es ist schon 1996 rausgekommen, aber erst 2012 ins Deutsche übersetzt worden. Der Autor ist Kulturökologe und Philosoph und hat bei etlichen indigenen Völkern gelebt; seine Berichte sind sehr authentisch. Seine teilweise recht langen Texte über diverse alte und neue Philosophen und deren Lehren finde ich allerdings sehr abstrakt und schwer zu lesen. Ich überfliege sie daher und finde dabei immer wieder ziemlich erfreuliche Passagen. So z. B. sein Kapitel über das Element Luft. Luft ist das einzige Element, das wir nicht sehen können. Nur seine Auswirkungen, wenn etwa Wind die Blätter von Bäumen bewegt, die Luft fühlbar durch unsere Nasenlöcher in den Körper gelangt oder über unsere Haut streicht, können wir wahrnehmen. Luft ist daher auch das geheimnisvollste der Elemente. Es verbindet uns als Atem mit allen anderen atmenden Wesen. Wir atmen Luft ein, unser Körper nimmt sich den darin enthaltenen Sauerstoff; wir atmen Luft aus und die grünen Pflanzen atmen das darin enthaltene Kohlendioxid ein. Ein ewiger Kreislauf. Tiefes Ein- und Ausatmen erfüllt uns mit Lebensenergie. Auch die Erde atmet. Eigentlich fällt mir nichts ein, was nicht atmet. Die Luft, die ich einatme, ist von anderen Wesen ausgeatmet worden und umgekehrt. Luft umgibt uns und durchströmt uns.

Die große Rolle, ja Heiligkeit der Luft, des Atems ist in vielen alten Kulturen bekannt gewesen. In der Genesis ist vom Geist Gottes, der über dem Wasser schwebt, die Rede. Dem liegt das hebräische Wort ruach zu Grunde. Ruach ist weiblich und heißt Atem, Hauch. Die Lakota in Nordamerika nennen es Taku Skanskan, manchmal nur Skan genannt. Das ist eine geistige Wesenheit, die allem Leben, Bewegung und Bewusstsein einhaucht. Die englische Bezeichnung dafür ist Great Spirit (Großer Geist). Im pelasgischen Schöpfungsmythos erzeugt die Urgöttin Eurynome tanzend Boreas, den Nordwind, mit dem sie sich paart und alle Wesen hervorbringt. Viele Winde haben Namen und werden auch heute noch in irgendeiner Weise als lebendige Wesenheiten mit eigenem Willen gesehen: der Föhn in der Alpenregion, der Mistral und Scirocco in der Provence, der Meltemi in der Ägäis. Letzteren habe ich 1992 leibhaftig erlebt, als mein damaliger Mann und ich auf der Fähre im Hafen von Naxos festsaßen, weil der Sturm über 30 Stunden die Abfahrt verhinderte und wir deshalb unseren Flug von Athen nach Düsseldorf verpassten.

Sturm hat mich in meiner Kindheit schon fasziniert und ich gehe auch heute noch gern bei Sturm ins Freie, höre dem Brausen und Rauschen zu und lasse mich durchwehen. Ich sehe gern Greifvögeln, Krähen und Raben zu, wenn sie mit sichtbarem Genuss im Wind tanzen. Vor einigen Jahren war ich mit einer Freundin bei einem heftigen Orkan an der Kieler Förde. Wir konnten uns buchstäblich in den Wind legen. Das sind Erlebnisse, die mir ein unbeschreibliches Hochgefühl hervorrufen.

Hier stürmt es seit drei Tagen heftig. Die Holle, in Süddeutschland die Percht, tobt übers Land und hinterlässt ihre Spuren. Ich habe es aufgegeben, meine Regentonne immer wieder aufzurichten und mit Steinen zu beschweren. Ich warte auf ruhigere Zeiten und genieße derweil das Brausen und Toben.

Ute Schiran hat uns mit den vier Windinnen bekannt gemacht und mit ihnen arbeiten lassen. Ich habe dadurch eine sehr persönliche Beziehung besonders zur Windin aus dem Norden gemacht, der Ute den Namen Louhi, nach der Zauberin aus der finnischen Kalevala, gegeben hat. Sie hat mir den Impuls gegeben meine zweite Ehe zu beenden, als deren Zeit abgelaufen war.

Skan heißt auch die Therapieform, die vor bald 40 Jahren mein Leben radikal verändert hat. Das ist eine Körpertherapie, die auf Wilhelm Reich zurückgeht und sehr stark mit forciertem Atem arbeitet, wobei die Ausatmung durch den geöffneten Mund  und mit einem A-Laut geschieht. Ich habe damals Monate gebraucht, bis ich mich darauf einlassen konnte. Zu groß war meine Angst vor dem, was passieren würde, denn ich spürte schon, daß diese Art zu atmen ganz tief in mir begrabene Gefühle zum Vorschein bringen würde. Letztendlich war das dann die Befreiung aus meinem Körpergefängnis. Ich habe damals erlebt, daß ich in Wirklichkeit ein wildes, freies Tier bin. Meines Erachtens kann keine Therapie, die nur mit Gesprächen und kognitiven Mitteln arbeitet, so tief und nachhaltig wirken wie das Arbeiten mit Atem und Körper. Ich habe danach noch andere Körpertherapien kennengelernt, auch eine Ausbildung in Core-Energetik gemacht, die sich auch auf Wilhelm Reich beruft. Aber keine ist so wirksam gewesen.

Während der C-Zeit wurden wir gezwungen Masken zu tragen, die die Atmung behindern. Ich habe das ganz heftig erlebt, als ich mit dem Fahrrad zur Poststelle fuhr und beim Betreten des Gebäudes die Maske aufsetzte. Ich war noch außer Atem und spürte plötzlich unangenehme Luftnot. Ich weiß nicht, ob eine Absicht hinter dieser Maßnahme, die uns angeblich vor einem Virus schützen sollte (was sie nachweislich nicht tat) war, auch unsere Gefühle zu blockieren. Aber bekanntermaßen kann man mit zurückgehaltenem Atem Gefühle wie Wut, Trauer usw. wirkungsvoll dämpfen. Wir machen das selbst oft unbewusst, weil wir in unserer Kultur lernen, daß der Ausdruck starker Gefühle unerwünscht ist. Wenn wir unsere Atmung befreien, befreien wir uns selbst.

Familie

Das erste Mal seit vielen Jahren habe ich die Weihnachtstage nicht zu Hause sondern in Bonn bei Sohn und Schwiegertochter verbracht, wo die ganze Familie versammelt war. Es waren ruhige, friedliche und sehr kulinarische Tage. Heiligabend gab es ein leckeres vegetarisches Menü, am ersten Feiertag waren wir zum Brunch bei den Eltern von S. eingeladen. Dort waren auch ihre Geschwistern, deren Partner und ein Enkelkind, insgesamt zwölf Leute. Der Vater von S. ist gelernter Koch und es war unglaublich, was er uns serviert hat. Schon der Brunch war Spitzenküche. Nach einem längeren Spaziergang ging es dann mit Lachs, Roastbeef, Sauce hollandaise, Kartoffelgratin und Broccoli weiter und zum Abschluss gab es selbstgemachtes Zimt- und Spekulatiuseis. Alles superköstlich und trotzdem habe ich mich anschließend nicht vollgefressen gefühlt. Und es hat auch sonst Spaß gemacht. Ich mag die Rheinländer sehr; sie sind ein fröhlicher Menschenschlag, der gern feiert und mit dem man schnell in Kontakt kommt. Das ist mir bei meinen früheren Besuchen in Köln immer wieder aufgefallen. Zum Abschied sagte ich den Eltern von S., daß sie jetzt zu meiner erweiterten Familie gehören und sie bestätigten das.

Am zweiten Feiertag ging es dann mit Familie weiter: wir waren beim jüngeren Bruder meiner Kinder und seiner Frau eingeladen. Der Vater meiner Kinder hat nach unserer Trennung noch zwei weitere Kinder mit unterschiedlichen Partnerinnen in die Welt gesetzt. Auch die jüngere Schwester kam mit ihrem Freund dazu. Nach dem Kaffeetrinken gab es wieder einen Spaziergang und danach erstklassigen Coq au vin. Und dann gelang es meiner Tochter mich breitzuschlagen, mit allen anderen zusammen Werwolf zu spielen, eine Art Rollenspiel. Als Kind habe ich gern Gesellschaftsspiele gespielt, jetzt nicht mehr. Vielleicht haben mir die Nächte in der Psychiatrie das Spielen verleidet, in denen ich mit den depressiven Patienten während ihrer Wachtherapien bis zum Abwinken Mensch-ärgere-dich-nicht und Halma gespielt habe, damit sie wach blieben. Werwolf wurde sehr gekonnt von der neunjährigen Tochter von P. und C. angeleitet und hat mir Spaß gemacht.

Den Jahreswechsel verschlief ich. Er bedeutet mir nichts. Es ist ja nur ein willkürlich gesetztes Datum. Wichtiger sind mir Weihnachen und die Raunächte. Eine Frau aus meinem Umkreis äußerte ihr Befremden darüber, daß auch Nichtchristen Weihnachten feiern. Sie hat lange für die evangelische Kirche gearbeitet und es ist ihr offensichtlich unbekannt, daß Weihnachten viel älter ist als die christliche Religion: das Fest der Geburt des neuen Lichts. Auch die Raunächte sind mittlerweile in den Fundus der Kirche übergegangen, ohne daß auf ihren uralten heidnischen Hintergrund hingewiesen wird. Wer weiß schon, daß in den Raunächten die alte Muttergöttin Holle (im Alpenraum die Percht) über die Lande zieht, unter ihrem Mantel die Seelchen, die sich eine Familie suchen, in der sie sich inkarnieren wollen.

Mein Sohn hat mir einen Krimi geschenkt, den ich weiterempfehlen möchte: Im Schatten des Waldes von Sonja Silberhorn. Bemerkenswert an dem gut zu lesenden Buch ist seine Geschichte. Der Verlag, der bereits etliche ihrer Bücher veröffentlicht hatte, weigerte sich bei diesem wohl aus Angst vor irgendwelchen Schwierigkeiten. Das ist halt das Problem unserer Zeit: es ist nur noch eine Meinung richtig und wer die nicht vertritt, verliert unter Umständen alles, wie so viele Maßnahmenkritiker bezeugen können. Die Autorin hat in ihrem Buch die C-Zeit verarbeitet und es wird schnell deutlich, welcher Seite ihre Sympathie gilt: den sogenannten Schwurblern und Querdenkern. Sie verbindet zwei Erzählstränge: die Geschehnisse der neueren Zeit und die der Nazizeit und beim Lesen fallen einer zwangsläufig die Parallelen auf. Wen es interessiert: auf den Nachdenkseiten findet sich eine sehr schöne Rezension des Buches und ein Interview mit der Autorin (einfach den Namen der Autorin oder den Titel des Buches in die Suchfunktion der Nachdenkseiten eingeben). Die hat dann glücklicherweise doch noch einen Verlag gefunden.

Ein weiterer Mensch, der mit seinem Film Pandamned Opfer der Zensur geworden ist, hat einen neuen zweiteiligen Film herausgebracht: The Primordial Code von Marijn Poels. Es geht darum, die Geschichte des Menschen neu zu erzählen: als ein Wesen, das sich in der heutigen Zeit aus seiner jahrtausendealten Sklaverei befreien kann, indem er seine wahre Natur erkennt. Schön gefilmt, interessante Interviews, sehr empfehlenswert.

Wo ich gerade am Empfehlen bin: ich gucke gern öfter auf Bastian Baruckers Seite https://blog.bastian-barucker.de. Bastian Barucker ist Wildnispädagoge, Körpertherapeut und Journalist. Er hat zusammen mit Stefan Homburg und Aya Velázquez die entschwärzten RKI-Files gelesen und auf einer Pressekonferenz vorgestellt (findet sich auch auf den Nachdenkseiten). Er führt häufig Interviews mit interessanten Leuten zu aktuellen Themen, u. a. zur C-Zeit und zum Klimawandel.

Apropos Klimawandel: ich sagte neulich einer guten Freundin, ich glaubte mittlerweile nicht mehr an den menschengemachten Klimawandel und sie wollte wissen, warum nicht. Ich sagte ihr, was ich mittlerweile über dieses Thema weiß und sie fragte, warum uns etwas erzählt wird, was  nicht stimmt. Ich erzählte von der reichen Elite, die sich dem Transhumanismus verschrieben hat und deren Marionetten unsere Politiker sind. Da wurde sie richtig zornig und warf mir vor, daß ich ihr Angst machte und die Welt in Gut und Böse einteilte. Ich dachte lange darüber nach und befinde mich jetzt in einem Dilemma: soll ich mit dem, was ich weiß, hinterm Berg halten? Eine andere Freundin hat mir vor einigen Jahren untersagt, ihr solche Sachen zu erzählen, weil sie ihr schlechte Laune machten. Ich kann beide verstehen. Ich kenne die Angst und auch die schlechte Laune, die sich bei mir einstellte, als immer deutlicher wurde, welche Agenda hinter den ganzen Merkwürdigkeiten der letzten Jahre steckt. Schlechte Laune macht mir das oft immer noch, aber die Angst hat sich gelegt. Ich glaube nämlich, daß wir in einer Zeit leben, die nicht nur extrem ungemütlich ist, sondern uns die einzigartige Chance gibt, uns unsere Freiheit, Lebendigkeit und Menschlichkeit zurückzuholen. Und ich bin all denen sehr, sehr dankbar, die den Mut und die Standfestigkeit haben, sich mit offenen Augen und wachem Geist den Ungeheuerlichkeiten dieser Zeit zu stellen und die Wahrheit aussprechen. Nichts geschieht umsonst.

 

 

Mikrobiom

Vor ein paar Tagen holte ich Kuhmist für meinen Kompost von einem befreundeten Biobauern. Während er den dampfenden Mist in die mitgebrachte Bütt schaufelte und die Kühe gemächlich mampfend dabei zusahen, erzählte er mir von einem Seminar, daß er besucht hatte. Es ging um das Mikrobiom, die vielen Kleinstlebenwesen, die unseren Darm besiedeln und uns gesund halten, unter der Voraussetzung, daß sie nicht durch Antibiotika, ungünstige Ernährung, Stress und Gifte gestört wird. Man hat Vergleiche zwischen Menschen, die im finnischen und im russischen Teil von Karelien leben, gemacht. Zwischen beiden liegt nur eine Grenze und dennoch sind es zwei unterschiedliche Welten. Auf der russischen Seite haben die Menschen ein gesundes Mikrobiom, auf der finnischen Seite sieht es deutlich schlechter aus. Man führt das darauf zurück, daß es auf der russischen Seite noch kleinteilige Landwirtschaft mit einer Lebensgemeinschaft von Menschen und Tieren gibt, keine Massentierhaltung und die damit verbundenen Nachteile. A., der selbst Biobauer ist und eine Fortbildung in Homöopathie für Tiere gemacht hat, sagte, es sei in Deutschland kaum möglich, wirklich artgerechte Tierhaltung zu machen, da der ökonomische Druck so groß sei.

Das bringt mich zu einem Thema, das damit verbunden ist: in der letzten Zeit sehe ich öfter, daß in meinem Umkreis mit Desinfektionsmitteln gearbeitet wird. Es hat sich seit der C-Zeit geradezu seuchenartig ausgebreitet, daß viele diese Mittel mit sich herumtragen und beim kleinsten Verdacht, daß sich irgendwelche Mikroben in ihrer Nähe rumtreiben, sich selbst und ihre Umgebung damit behandeln. Immer, wenn ich Zeugin davon werde, stehen mir die Haare zu Berge. Desinfektionsmittel haben in Privathaushalten nichts verloren. Sie haben ihre Berechtigung nur im medizinischen Bereich, z. B. in OPs. Wer Desinfektionsmittel benutzt, sollte sich darüber im Klaren sein, daß er damit Resistenzen schafft und nicht nur sein eigenes Mikrobiom, sondern auch das anderer Lebewesen um sich herum schädigt. Eine ähnliche Unsitte sind die Plastikbehälter mit Flüssigseife, die seit einiger Zeit die altbekannten Seifenstücke abgelöst haben, weil sie angeblich hygienischer sind. Das Gegenteil ist der Fall. Mikroben fühlen sich auf Plastik sehr wohl. Es gibt Studien darüber, daß Plastikbretter, wie sie in manchen Küchen benutzt werden, 20 Minuten, nachdem sie aus der Spülmaschine genommen wurden, mit einem üppigen Bakterienrasen bedeckt sind. Dagegen sind die klassischen unlackierten Holzbretter durch ihre Gerbsäure bei Bakterien gar nicht beliebt. Es gibt Studien darüber, die ich vor Jahren mal für die Hygieneschwester in meiner Klinik ausgedruckt hatte, nachdem sie uns das große Holzbrett in der Küche weggenommen und gegen ein Plastikbrett eingetauscht hatte. Das sah nach einigen Wochen Gebrauch richtig grau und schäbig aus und jedes Mal, wenn ich darauf etwas kleinschnitt, musste ich daran denken, daß sich jetzt Mikroplastik im Essen befand. Die Hygieneschwester sagte übrigens am Ende unseres Gespräches, sie wisse gar nicht mehr, was sie glauben solle. Vielleicht einfach mal selber denken?

Ich benutze immer noch die guten alten Seifenstücke, sowohl für die Hände als auch unter der Dusche. Die sind alkalisch und bei Bakterien deshalb unbeliebt. Ganz toll finde ich übrigens Alepposeife, weil die einen so feinen Schaum bildet und meiner Haut gut tut. Meine Haare wasche ich mit Lavaerde und spüle mit Brennnesseltee, dem ich einen Schuss Essig zugesetzt habe und meine Zähne putze ich mit Tabs ohne Fluor. Meine Gesichts- und Körperpflegeprodukte habe ich im Lauf der Jahre immer mehr reduziert: ein wenig neutrale Lotion für mein Gesicht, das ich lediglich mit klarem Wasser wasche. Zum Abschminken nehme ich Olivenöl. Ich benutze kein Deo und im Sommer, wenn ich schwitze, pudere ich mir ein wenig Natron in die Achseln. Körperlotion nehme ich eher selten. Es gibt allerdings einen Nachteil: da ich so lange mit Gesichts- und Körperlotion auskomme, werden sie irgendwann ranzig.

Dr. P., den ich Anfang der Woche aufgesucht habe, war der Meinung, ich habe kein Covid gehabt. Er hat das kinesiologisch getestet und ich weiß, daß er eine hohe Treffsicherheit hat. Er meint, daß mein „Zentralrechner“ dafür gesorgt habe, daß ich mal für ein paar Tage aus dem Verkehr gezogen werde, damit ich zu Ruhe komme. Vielleicht hat er Recht; ich hatte wirklich viel um die Ohren in der letzten Zeit. Ja, Körper sind in der Regel klüger als Gehirne.

Gestern und heute habe ich im Garten gearbeitet: den letzten Rest alten Kompost gesiebt und um die Obstbäume verteilt und den Platz für den neuen Kompost mit der Sense von Wildwuchs befreit. Dabei hörte ich den Raben zu, die sehr aufgebracht zu sein schienen. Dann sah ich einen schönen Milan, der ganz in meiner Nähe im Sturzflug über das Feld schoss, verfolgt von einer zeternden Rabenfamilie. Ich freue mich, daß es wieder Raben gibt. In meiner Kindheit und auch später kannte ich sie nur aus Erzählungen meines Opas, der als Kind einen zahmen Raben gehabt hatte, und aus Märchen. Meinen ersten richtigen Raben sah ich 1994 im finnischen Teil von Lappland auf einem kahlen Baum. Über ihm saß ein Steinadler. Seit ich in Schleswig-Holstein lebe, sehe ich ständig Raben und freue mich über ihre akrobatischen Flugkunststücke und  vielfältigen Laute. Sie sind so lustige und freche Gesellen.

Neues Jahr

Für mich hat gestern ein neues Jahr begonnen: vor 71 Jahren wurde ich geboren. Manchmal finde ich es unglaublich, daß ich so lange durchgehalten habe. Und was habe ich alles in dieser langen Zeit erlebt. Ich habe nicht den Ehrgeiz unsterblich zu sein, aber die nächsten Jahre möchte ich gern noch erleben und so gut wie möglich genießen. Ich kann von mir sagen, daß ich ein wenig gelassener geworden bin, aber altersmilde werde ich wohl nicht mehr werden.

Ich hatte nichts geplant und auch nichts für eventuelle Besucher vorbereitet. Aber ein Kuchen musste schon sein. Das ist einfach Tradition. Geholfen hat mir der fünfjährige Nachbarjunge, der ab und zu, oft auch mit seiner etwas älteren Schwester, vorbeikommt. Während ich den Teig rührte, hat er Eier aufgeschlagen und nach und nach Mehl in die Rührschüssel geschaufelt. Dabei haben wir uns sehr angeregt unterhalten. Ich war fasziniert über sein phänomenales Gedächtnis. Wann verschwindet das eigentlich? Von schriftlosen Völkern sagt man, daß die Menschen bis ins hohe Alter so ein Gedächtnis haben. Lesen und Schreiben haben wohl keine günstigen Auswirkungen auf unsere Gedächtnisleistung. Ich denke aber, daß auch das zunehmende Vollgemülltwerden mit Informationen keine gedächtnisfördernde Sache ist. Man stumpft einfach ab bei der Flut an irrelevanten Informationen.

Gestern morgen bekam ich den ersten Geburtstagsanruf und so ging es bis zum Nachmittag weiter. Gegen elf Uhr schaffte ich es dann, endlich zu frühstücken. Ich beklage mich nicht; ich war eher verwundert über die Menge an Anrufen und habe mich natürlich sehr gefreut. Abends kam dann noch die liebe B. als Überraschungsgast und wir machten es uns am warmen Ofen gemütlich.

Vorgestern holte ich meine Nähmaschine raus, die ich seit der letzten Reparatur im Sommer nicht mehr benutzt hatte. Sie nähte ein paar Minuten einwandfrei, dann verweigerte sie den Zickzackstich. Meine technischen Fertigkeiten reichten nicht aus, um den Fehler zu beheben. Schlecht gelaunt beschloss ich, am nächsten Tag, meinem Geburtstag, nach Kiel zu meinem bewährten Nähmaschinenreparateur zu fahren. In der Nacht wachte ich auf und konnte nicht mehr einschlafen, weil ich ständig an die Nähmaschine denken musste. Sie ist fünfzig Jahre alt, erkennbar am damals topmodischen 70er-Jahre Orange, und war ein Geschenk meiner Eltern zur Geburt meines Sohnes. So solide Maschinen gibt es heute nicht mehr. Meine Erfahrung mit elektrischen Geräten ist, daß sie nach spätestens 15 Jahren entsorgt werden müssen, etliche kommen noch nicht mal auf zehn Jahre. Ich wollte mich also von dieser Maschine ungern trennen. Andererseits hatte ich sie in den letzten Jahren einige Male zur Reparatur und es stellte sich die Frage, ob sich Kosten und Aufwand noch lohnen. Im Dunkel meines Schlafzimmers kam ich irgendwann zu der Entscheidung, daß ich mir eine neue Maschine leisten werde. Es ist eher unwahrscheinlich, daß sie mich überleben wird, aber einige Jahre möchte ich gern noch nähen. Gelernt habe ich übrigens auf einer Nähmaschine, die mit den Füßen betrieben wurde, nicht mit Strom. Das geht genauso einfach wie bei einer elektrischen Maschine. Nachteil ist der Platzbedarf.

Hexenring in meinem Garten

Zur Zeit lese ich das neueste  Buch von Tyson Junkaportas, einem australischen Aboriginal, dessen erstes Buch Sandtalk ich vermutlich schon erwähnt habe. Es ist bis jetzt nur auf Englisch verfügbar und hat den Titel „Right Story, Wrong Story“. Ich bin wieder sehr angetan. Wie in seinem ersten Buch nutzt der Autor eine  Gesprächsmethode seiner Vorfahren, das Yarnen. Ich vermute, daß sich dieses Wort vom englischen yarn (Garn) ableitet. Damit erinnert es mich an die deutsche Ausdrucksweise „Geschichten spinnen“ und ein Wort wie „Gesprächsfaden“, bei denen es ja auch um Garn geht. Diese Gesprächsmethode hat es sicher auch bei uns mal gegeben. Im Zeitalter der cancel culture, des betreuten Denkens und des woken Sprachfaschismus verschwindet sie mehr und mehr. Yarnen bedeutet, daß Menschen zusammen sitzen (bei Yunkaportas wohl eher virtuell, da er mit Indigenen aus aller Welt yarnt) und jeder, der etwas zu einem Thema zu sagen hat, spricht es aus. Die anderen hören zu. Jede Ansicht ist gleich gültig, keine wird als falsch abklassifiziert. Es ist einfach ein Zusammentragen von verschiedenen Sichtweisen. Ach, wie sehr wünsche ich mir das auch für unsere Kultur!

Sprachfaschismus

Ich bin jetzt mit der Brüderlichkeit der Dreigliederer im Reinen. Ich will keine Sprachfaschistin sein und ihnen vorschreiben, welche Worte sie benutzen sollen. Sowas würde ich ja auch empört von mir weisen. Vor einigen Jahren war ich ja noch Fanin vom Gendersternchen und fand den Gedanken naheliegend, das generische Femininum einzuführen, weil in der weiblichen Form meistens die männliche schon enthalten ist. Aber mittlerweile geht mir der Genderkram ziemlich auf den Geist und es hört sich blöd an, wenn Menschen beim Sprechen die Lücke einbauen: Lehrer _ Innen. Klingt wie ein Sprachfehler.

Man kann Sprache nicht vorschreiben. Und Sprache verändert sich von selbst, mit der Zeit, mit den Generationen. Ich sehe Sprache wie einen Fluss, der die Informationen der Landschaften, durch die er fließt, in sich aufnimmt.

 

 

Versteinerung

Gestern bekam ich eine Einladung zu einem Vortrag über die Soziale Dreigliederung. Das ist ein Konzept, dessen Urheber Rudolf Steiner war. In den C-Jahren hat es Aufwind erlebt als Alternative zum bestehenden Gesellschafts- und Herrschaftssystem. Der Leitsatz der Dreigliederungsbewegung ist der Slogan der Französischen Revolution: Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit. Ich störe mich an dem Begriff Brüderlichkeit, weil es Frauen ausschließt. Da es im Deutschen den Begriff Geschwisterlichkeit gibt, könnte man meines Erachtens doch den benutzen. Das habe ich in der Vergangenheit mehrmals vorgeschlagen und bin damit jedes Mal gescheitert.

Bemerkenswert sind dazu die Begründungen: die erste kam von einer Frau, die auf meinen Einwand überhaupt nicht einging, dafür aber einen ermüdend langen Text zu ihren schlechten Erfahrungen mit Radikalfeministinnen schrieb. Offensichtlich hat sie mich in dieser Ecke verortet. Mein zweiter Einwand gegenüber einer Internetseite, die sich mit menschlichem Wirtschaften nach dem Dreigliederungskonzept befasst, wurde überhaupt nicht beantwortet. Die dritte Antwort kam von einem in Deutschland lebenden Franzosen, der mich darüber aufklärte, daß der ursprüngliche Leitsatz der Französischen Revolution Freiheit – Gleichheit – Grundbesitz geheißen habe. Er nahm keine Stellung zu meinem Einwand und forderte mich auf, bei den Dreigliederern mitzumachen, weil man Frauenmangel habe. Aha! Mittlerweile habe ich allerdings erfahren, daß das wohl nicht der Fall sein soll.

Die dritte Antwort kam von dem Vortragsredner, auf dessen Einladung ich reagiert hatte. Er erklärte, daß er bei dem Begriff Brüderlichkeit bleiben werde und fügte als Begründung u. a. ein Zitat von Rudolf Steiner an: „Denn von der menschlichen Brüderlichkeit … können wir nur dann sprechen, wenn wir den anderen Menschen in uns tragen wie uns selber.“

Ich habe jetzt beschlossen, diesem Thema keine Energie mehr zu geben. Es scheint da ein unüberbrückbares Verständnisproblem zu geben. Ich habe allerdings noch einen anderen Verdacht, der mir schon öfter in Gesprächen mit überzeugten Anthroposophen gekommen ist: Was Rudolf Steiner gesagt hat, ist ehernes Gesetz. Ich habe Bücher von Rudolf Steiner gelesen; ich fand einiges gut, einiges war für  mich schlicht unverständlich. Ich habe gute Erfahrungen mit der anthroposophischen Medizin gemacht. Aber ich habe auch bei einigen Anthroposophen eine große Rigidität erlebt. Rudolf Steiner hat vor 100 Jahren gelebt. Seitdem ist viel Wasser den Rhein entlang geflossen. Es gibt da meines Erachtens einige Anachronismen, die man mal bearbeiten könnte.

Eine Bekannte sprach vor kurzem mir gegenüber von einer „Versteinerung“, die sie in der Anthroposophie ausgemacht habe. Der Begriff gefällt mir gut und ich werde ihn in meinen Wortschatz übernehmen.


		

Krankheitsdämonen

Es war, wie man mir gesagt hatte: nach einer knappen Woche war die Krankheit vorbei. Nun fühle ich mich wieder fit und als ich heute Morgen meine Yogaübungen wieder aufnahm, war auch die alte Kondition wieder da. Auch der Geruchssinn ist zurückgekommen. Vor einigen Tagen habe ich ein kleines Ritual gemacht und mich trommelnd und räuchernd von den Krankheitsdämonen verabschiedet: „Danke, daß ihr da wart und mir geholfen habt zu erkennen, was in meinem Leben sich verändern möchte. Jetzt brauche ich euch nicht mehr.“ Ich habe ja die Erfahrung gemacht, daß jede Krankheit zu etwas gut ist. Dieses Mal hat sich deutlich die Frage gestellt: Wen und was möchte ich aus meinem Leben entlassen? Welche Kontakte tun mir gut, von wem möchte ich mich verabschieden? Was macht mir wirklich Freude und was trage ich aus einem Gefühl von Verpflichtung mit mir herum? Welche Informationen nehme ich zu mir? Mehr denn je habe ich den Wunsch, mit leichtem Gepäck zu reisen.

Dazu passt auch meine derzeitige Lektüre, Cambra Skadés zauberhaftes Buch „Die Silberfüchsin“. Es geht ums Altern. Die Autorin beschreibt so vieles, was ich selbst kenne: die Ungeniertheit, die sich mit zunehmendem Alter einstellt. Es spielt immer weniger eine Rolle, ob ich anderen gefalle. Das Bedürfnis nach einem männlichen Gefährten hat mich bereits vor einigen Jahren verlassen. Ich genieße es, meine Räume und meine Zeit mit niemandem teilen zu müssen. Immer wichtiger ist dagegen im Laufe der Zeit meine Zugehörigkeit zur Erde geworden, immer häufiger empfinde ich mich deutlich als Teil der Landschaft, in der ich lebe. Immer mehr fühle ich mich eingebunden in das Netz allen Lebendigen: alles spricht miteinander, alles ist miteinander verwoben, alles bringt seine ganz eigenen Fähigkeit ins Große Ganze ein. Es ist ein großes Glück das zu erleben.

Ich bin übrigens keine Seniorin. Das ist eine Bezeichnung, die ich mir ausdrücklich verbitte. Ich bin eine alte Frau. Das sage ich unverblümt und so möchte ich auch gesehen werden. Eine alte Frau mit viel Lebenserfahrung. Wer will, dem teile ich sie gern mit. Aber auch das muss nicht sein. Ich kann aus dem Vollen schöpfen. Ich habe viele Fehler gemacht und viel gelernt. Alles gehört dazu. Die grauen Haare, die Altersflecken, die dünner werdende Haut, die Falten. Ich befinde mich im Herbst meines Lebens und bald kommt der Winter. Und irgendwann gehe ich über die große Schwelle. Ich denke manchmal an die Bücher von Carlos Castaneda, die ich in den 70er und 80er Jahren verschlungen habe. Durch sie erfuhr ich, daß der Tod immer hinter uns steht. Noch schöner finde ich die Vorstellung von der Tödin, die uns irgendwann in ihre Arme nimmt. Und dann können wir entscheiden, ob wir in eine neue Inkarnation oder zurück in die große Einheit, zu Quelle gehen.

 

krank

Nachdem ich ein paar Tage bei Tochter und Schwiegersohn verbracht und geholfen hatte, die Tapeten in ihrer neuen Wohnung von den Wänden zu entfernen, wurde ich krank. Schnell war klar, daß mich Covid erwischt hatte, das erste Mal. Nein, ich habe mich nicht getestet. Ich habe die Insignien der Angst-Pandemie – Masken und Tests – vor längerer Zeit entsorgt und hätte mir ohnehin niemals freiwillig die giftigen Stäbchen in die Nase gesteckt. Diese Krankheit verlief deutlich anders als ich das von einer echten Grippe kenne. Und davon hatte ich in meinem Leben drei, soweit ich mich erinnern kann.

Montagmorgen wachte ich mit schlechter Stimmung auf. Ich wollte ein Stück Wiese mit der Sense mähen, wozu ich im September nicht gekommen war. Aber die Aussicht auf diese Arbeit rief starken Widerwillen in mir hervor. Als ich aufstand, merkte ich an leichten Halsschmerzen, daß ich krank war. Ich brachte ein Päckchen mit dem Auto zur Poststelle ins Nachbardorf; normalerweise erledige ich die drei Kilometer mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Danach wollte ich „mal eben“ die Wiese mähen und mich dann ins Bett legen. Aus dem Wiesemähen wurde nichts. Ich legte mich gleich ins Bett, mit Pullover und Wärmflasche, weil mir furchtbar kalt war. Meine Muskeln schmerzten, als hätte ich heftige Verspannungen. Sogar in meinem Brustkorb gab es einen tiefen Schmerz, wie ich ihn noch nie gehabt habe.

Ich trank Mädesüß- und Holunderblütentee; das half gegen die Schmerzen und gegen den aufkommenden Husten. Ich versuchte es auch mit Artemisia annua-Tinktur, die ich mir im letzten Jahr hergestellt hatte. Aber das fühlte sich nicht richtig an. Nachts wälzte ich mich hin und her und fand keine Position, in der ich gut schlafen konnte. Und ich fühlte mich einfach ungeheuer kaputt und missgestimmt.

Bei Feinstaub machen FFP2-Masken wohl Sinn; als Infektionsschutz sind sie nachgewiesenermaßen sinnlos.

In der dritten Nacht schlief ich dann endlich einigermaßen gut und seitdem geht es langsam wieder aufwärts. Ich hätte lieber eine richtige Grippe gehabt mit hohem Fieber und dem damit einhergehenden Dämmerzustand, der den Verstand aushebelt, damit die Körperweisheit ungestört ihr Heilungswerk tun kann. Ich habe dieses Virus als ziemlich unfreundlich erlebt. Was will eine aber auch von einem im Labor gezüchteten Erreger erwarten.

Welche Geschenke mir diese Krankheit bringen wird, muss sich noch zeigen. Zur Zeit spüre ich sehr deutlich, was ich brauche und was nicht. Das geht sogar so weit, daß ich heute morgen den bereits rausgelegten Pullover nicht anziehen mochte, weil ich seine Farbe abstoßend fand. Diesen Pullover trage ich sonst sehr gern. Mein Nachbar T. bot mir seine Hilfe an. Die nahm ich zwar kaum in Anspruch, aber es tat gut, daß er jeden Tag nach mir schaute. Und nachdem ich meinen Kassendienst in der Einkaufsgemeinschaft abgesagt hatte, haben die vielen guten Wünsche mich richtig überwältigt.

Wenn ich mich nicht gerade im Bett rumwälzte, habe ich gelesen: sehr schön und aufbauend das neue Buch Die Silberfüchsin von Cambra Skadé über das Altwerden.

Sabrina Gundert, die mich 2012 für ihr Buch Auf dem Herzensweg – Lebensgeschichten spiritueller Frauen interviewt hatte, hat ein neues Buch herausgebracht und ich durfte es lesen: Schwellenzeiten – Wandelzeiten. Sie beschreibt den gesetzmäßigen Verlauf von Lebenskrisen und wie sie genutzt werden können. Das Buch ist in einer klaren Sprache verfasst und gibt eine Menge Anregungen, die wohltuenderweise nicht belehrend daherkommen. Gut gefallen hat mir, wie der Ablauf einer Krise mit dem Jahreskreis in Beziehung gesetzt wird und daß Sabrina sehr persönliche Erlebnisse preisgegeben hat. Die Essenz ist: jede Krise ist eine Schwelle in einen neuen Raum. Auch Krankheiten sind Schwellenerlebnisse.

 

Externsteine

Dieses Jahr verbrachte ich die Herbst-Tag-und-Nachtgleiche mal anders, allein bei den Externsteinen. Vor einigen Monaten kam mir das Buch Osning – Die Externsteine von Usch Henze in die Hände und inspirierte mich, mal wieder an diesen magischen Ort zu fahren. Ich war schon einige Male dort, auf einem Schulausflug, mit meinen Eltern, mit meinen Kindern und zuletzt im September 2006 mit Alma mater, wo wir abends ein sehr schönes Ritual in der Nähe der Steine feierten. Da erfuhr ich auch zum ersten Mal mehr zur Geschichte dieses Ortes als das übliche „Dort haben die Nazis gewirkt“. Ja, haben sie, aber der Ort war schon Tausende von Jahren vor ihnen eine Art Wallfahrtsort für viele Stämme aus Europa.

Ich war dort, um die Energien dieses besonderen Ortes bewusst zu spüren. Das kann ich am besten allein. Es war Wochenende und sehr schönes Spätsommerwetter, dementsprechend auch sehr viele Touristen. Das war zu erwarten. Ich hielt mich vor allem auf der Rückseite der Steine auf, dort war weniger los. Wenn man die kleinen Pfade benutzt, kommt man zu Felsen, die vom Wald verhüllt sind. Einer ist der Felsen der Großen Mutter, an dem ich schon 2006 ein magisches Erlebnis hatte. Dieses Mal hingen im Holunder davor bunte Bändchen und der Stein war mit Blumen und Ketten geschmückt, auch ein paar Äpfel lagen davor. Das berührte mich ziemlich. Es wissen also einige Menschen um die alten Energien dieses Platzes. Irgendwann fand ich auch den Sitz der Veleda, Seherin aus dem Stamm der Brukterer, die später von den Römern gefangen genommen wurde.

Natürlich musste ich auch die vielen steilen Stufen auf die hohen Felsen hochgehen, im Gänsemarsch mit vielen anderen Leuten. Währenddessen hob unten auf der Wiese ein mantraartiger Gesang an, begleitet von Trommeln und Klatschen. Zwei größere Gruppen feierten dort ein Ritual. Der Gesang und das Trommeln begleiteten mich auch während meines Abstiegs und später, als ich einen schönen Platz auf einer Bank fand. Ich freute mich darüber. Die alte Verbindung zu Mutter Erde ist nicht zerstörbar, auch wenn die Karl der sogenannte Große viel dafür getan hat, die heidnischen Kulte zu vernichten. Es ist ermutigend, daran immer wieder erinnert zu werden. Das alte Wissen lebt weiter, wir haben es in unserer DNA.

Am nächsten Morgen um 6 Uhr holte mich B. von meinem Hotel ab. B. war vor mehr als 40 Jahren als junges Mädchen Babysitterin meiner Tochter. Wir hatten uns dreißig Jahre nicht gesehen und sie hatte mich vor ein paar Monaten angerufen, nachdem sie durch die Benachrichtigung vom Tod meiner Mutter, die sie in den Unterlagen ihrer Mutter gefunden hatte, meine Kontaktdaten erfahren hatte. Wir fuhren ins Silberbachtal und stiegen von dort auf den Velmerstot, einen Doppelgipfel in der Nähe der Externsteine. Auf halber Höhe befindet sich ein Labyrinth in einem alten Steinbruch. Ich war hier 2006 mit Alma mater. Alles ist mittlerweile zugewachsen und mit Bäumen bestanden, aber einige Teile des Labyrinths waren von oben zu erkennen. Kurz vor dem Gipfel stand eine mehrstämmige Buche, ein besonderer Platz. Dort machten wir Halt. B. stieg mit ihrer kleinen Trommel in den Baum und trommelte, ich saß weiter unten und sah über die Berge und Täler, in denen Nebelbänke schwebten. Der Osthimmel war leuchtend rot und dann stieg die Sonne glühend über den Horizont. Oben auf dem zweiten Gipfel fanden wir eine gemütliche Bank und frühstückten. B. hatte eine Menge leckere Sachen mitgebracht und wir hatten es richtig gut, während wir erzählten und den Vögeln zuhörten und in die Landschaft sahen. Dann kamen andere Frühaufsteher, denen wir unseren Platz überließen.

Auch im Teutoburger Wald sterben die Bäume. Als ich 2006 da war, konnten wir noch durch schattigen Fichtenwald gehen. Von dem sind nur noch vereinzelt kahle Stämme übrig. Aber auch hier wächst neuer Wald, als erstes kommen wie in der Sächsischen Schweiz die Birken.

Fest

Guten Morgen, liebe Sonne!

Gestern war ich bei einem Hoffest. Eingeladen hatte eine Frau aus der „Bewegung“, wie sie es nannte. Also dem Zusammenschluss von Menschen, die während der alptraumhaften C-Zeit Austausch und Unterstützung suchten und fanden, um dem Druck von Seiten der Regierung und obrigkeitshöriger Mitmenschen standhalten zu können. Ich werde wahrscheinlich lebenslänglich dankbar sein, daß wir uns gefunden haben und uns auf diese Weise unsere geistige und seelische Gesundheit erhalten konnten.

Es waren recht viele Menschen gekommen. Wie immer gab es zur Begrüßung viele herzliche Umarmungen – das haben wir ja in der Zeit, als Körperkontakt untersagt war, ganz bewusst kultiviert und es bis jetzt weitergeführt, weil es sich einfach gut anfühlt – gute Gespräche und leckeres Essen. Es gab auch Bratwurst vom Grill und wir witzelten darüber, daß wir als Ungespritzte endlich auch mal eine Gratisbratwurst bekämen

Es ist so wichtig zu feiern, auch und gerade in Zeiten, in denen es sehr eng ist. Ich habe wieder ein paar neue Leute kennengelernt. Wir sind  eine bunte Mischung mit verschiedenen Hintergründen. Viele unterschiedliche Berufsgruppen, von der Putzfrau über die Lehrerin zum Polizisten, Handwerker und Ingenieur; eigentlich ist fast alles vertreten. Und wichtiger noch als die Berufe sind die verschiedenen Talente dieser Menschen. Da gibt es einen Meister der Vernetzung, der immer wieder neue Kontakte aufspürt und damit neue Möglichkeiten, eine menschliche neue Kultur zu erschaffen. Einer kennt sich bestens mit rechtlichen Fragen aus. Eine Frau leitet eine Meditationsgruppe und lud mich dazu ein. Und wieder einmal stellten wir fest, daß die letzten vier Jahre nach all dem Druck und dem großen Unrecht, das uns angetan wurde, auch etwas Gutes gehabt haben und möglicherweise notwendig waren, damit wir zusammen kommen und herausfinden, wie wir wirklich leben wollen.

Allmählich wurde es dunkel. Nur ein paar Fackeln und eine Feuerschale gaben Licht. Ich hatte einem Gast zugesagt, ihn zum nächstgelegenen Bahnhof zu bringen. Als wir nach einer herzlichen Abschiedsrunde zu meinem Auto gingen, leuchtete über uns ein grandioser Sternenhimmel. Hier gibt es in weitem Umkreis keine künstliche Beleuchtung. Auch die Sterne sind mit uns, dachte ich.

Satt von gutem Essen und schönen Begegnungen fuhr ich nach Hause.