Corona #2

Heute habe ich unsere Familienreise ins Elsass storniert. Wir wollten in zwei Wochen nach Barr fahren, die Gegend erkunden und in den Vogesen wandern. Ich hatte mich sehr darauf gefreut, die Kirche von Andlau wiederzusehen: den Bärenfelsen in der Krypta, das Tierfries an der Außenmauer und das riesige Bild der schamanischen Richardis mit ihrer Bärin. Richardis wurde ebenso wie Odile mit haarsträubenden Schauergeschichten zur christlichen Heiligen umgedreht. Ich hatte mich auch auf die gute elsässische Küche und die Gelegenheit Französisch zu sprechen gefreut . Gestern Abend hörte ich im Radio, daß die französische Regierung Grenzschließungen erwägt. Und ich möchte lieber zu Hause unter Quarantäne stehen als im Elsass.

Gestern traf ich mich mit einer Freundin zum Kaffee. Sie hat Angst vor dem Virus. Ihr Gesundheitszustand ist nicht der beste und sie fürchtet sich vor einer weiteren Einschränkung ihrer körperlichen Möglichkeiten. Angesichts meiner Unbekümmertheit wandte sie ein: „Aber die vielen Toten!“ Aber tatsächlich weiß keiner, wie hoch die Todesrate wirklich ist. Wie bei einer Influenza haben natürlich ältere und geschwächte Menschen ein höheres Risiko in Folge einer Infektion zu sterben. Im Radio berichtete man, daß Italien 15 000 Coronainfizierte hat, auf die 1000 Todesfälle kommen. Das wären dann ca. 7%. Aber kein Mensch weiß, wieviel nicht registrierte Krankheitsfälle es gibt. Dann relativiert sich das mit der Sterblichkeit schon wieder.

Böse Zungen reden davon, daß der Coronavirus gezüchtet wurde, um Menschen an Zwangsmaßnahmen wie in Diktaturen zu gewöhnen. Andere argwöhnen, daß der Virus dazu dient, in Zukunft Zwangsimpfungen durchführen zu können. Ich bin keine Anhängerin von Verschwörungstheorien. Dazu müsste es ein globales Mastermind geben, das sich alle möglichen Szenarien und ihre Folgen ausdenkt. Wir Menschen sind aber – zumindest in unserem Kulturkreis – gänzlich unfähig, die Konsequenzen unserer Handlungen für die nächsten sieben Generationen abzuwägen, sonst hätten wir jetzt keinen menschengemachten Klimawandel, kein Plastikmüllproblem, keine Nitratbelastung, kein Glyphosat und weder Atomkraftwerke noch Atombomben, ganz zu schweigen von Nationalismus und anderen völlig überflüssigen Sachen. Daß der Coronavirus aber das gefundene Fressen für die Pharmakonzerne ist und die sicher schon ganz heiß darauf sind, einen Impfstoff zu entwickeln, dafür braucht man keine Verschwörungstheoretikerin zu sein.

Ich habe keine Ahnung, was dieses Virus uns bringen wird. Grundsätzlich bin ich ja der Ansicht, daß nichts ohne Grund existiert, auch Viren nicht. Wir reagieren erst mal wie auf alles Fremde: mit Angst und Abwehr. Es klingt vielleicht ungewohnt oder sogar verrückt: wie wäre es, wenn wir dieses Virus willkommen heißen? Wir können es ja nicht besiegen. Selbst der Versuch der Politiker, seine Ausbreitung zu verlangsamen, ist fraglich. Für mich sieht das so aus, als wolle man die einzelnen Zellen eines Körpers voneinander isolieren. Wir sind doch ein einziger globaler Organismus. Keine Zelle kann ohne die anderen leben. Der Gedanke von K., daß die ganzen Quarantänemaßnahmen eine weitere Zuspitzung der Story of Seperation sind, ist bedenkenswert. Was wäre, wenn wir die Begegnung mit dem Virus nutzen, um zum Wesentlichen zu kommen? Zu uns selbst, zum Kontakt mit Anderen – und damit meine ich auch zur mehr-als-menschlichen Welt?

Die Flyer für meine diesjährigen Kräuterkurse sind fertig und Lenchen hat es sich im Deckel des Kartons bequem gemacht.

Was hält mich gesund? In den letzten Tagen habe ich so viele erfreuliche kleine Sachen in meinem unspektakulären Alltag erlebt, viel gelacht, mich jeden Tag darüber gefreut, daß es so schön bei mir zu Hause und in dieser Landschaft ist – das hält mich gesund. Und dazu gehört auch die Nähstube, die ich mittlerweile jeden Dienstagnachmittag besuche. Sie wurde von einer Mitflüchtlingshelferin vor ein paar Jahren auf die Beine gestellt, als Ort, wo geflüchtete und deutsche Menschen zusammen zu nähen und sich austauschen. Das war eine richtig gute Idee. Zur Zeit arbeite ich an einem Sommerkleid aus Leinen. Ich kann mir Tipps von näherfahreneren Frauen holen, man erzählt sich Geschichten, hilft sich gegenseitig beim Abstecken und holt sich Rat. Frauen bringen Kuchen mit und zeigen ihre selbstgenähten Sachen. Schnittmuster werden ausgetauscht. Es gibt viel Lob und Zuspruch, es wird laut und durcheinander geredet. Das macht Spaß und gehört für mich zu dem, was wesentlich im Leben ist.

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