Defend the Sacred

Ein winzigkleines Tausendgüldenkraut im Garten

Im Buch Defend the Sacred, das mir eine Freundin geliehen hat, kommen Frauen und Männer von vielen Kontinenten zu Wort, die in Projekten tätig sind, die das Leben fördern und Alternativen zur gigantischen Zerstörungsmaschinerie des globalen kapitalistischen Systems bieten. Ich kann dieses Buch nur allen als Mutmacher ans Herz legen.

Der Bericht eines Palästinensers über seinen Umgang mit den Wildschweinen in seiner Heimat hat mich besonders angesprochen. Wildschweine sind von israelischen Siedlern in dem Palästinensergebiet ausgesetzt worden und zerstören die Gärten in den ehemals fruchtbaren Gebieten. Er beschreibt, wie er eine Möglichkeit gefunden hat, mit den Tieren zu kooperieren (und das als Moslem, der kein Schweinefleisch isst!), indem er ihnen Zugang zu einem Teil seines Gartens ermöglicht, in dem sie an ihr Lieblingsfutter, einen Maulbeerbaum, kommen können.

Jeder Gärtner und jede Gärtnerin kennt seit Jahrzehnten das Problem mit mitessenden Tieren, seien es Schnecken, Rehe, Kohlweißlingsraupen usw. Als ich mit dem Gärtnern anfing, haben mich die Schnecken oft genug zur Verzweiflung gebracht, weil sie nicht nur einige Pflanzen, sondern alle gegessen haben. Später kam noch das Wild aus dem benachbarten Wald dazu. Ich habe vieles versucht, um einen Umgang damit zu finden. Es war mir immer klar, daß Töten von Schnecken keine Option sein könnte. Je länger ich mich damit befasste, desto deutlicher wurde, daß die Schnecken uns Hinweise auf ein stark gestörtes Ökosystem geben und eine Rolle bei der Heilung der Erde spielen. Ich habe immer noch keine wirkliche Lösung gefunden, bin aber mittlerweile davon überzeugt, daß unsere innere Haltung zu diesen unerwünschten Tieren eine wesentliche Rolle spielt. Wenn ich sie als Feinde, als Nahrungskonkurrenten sehe, dann werden sie genau das auch sein.

Für Tiere gibt es sowas wie Privatbesitz nicht. Und daß sie gern in meinen Garten kommen, zeigt ja, daß sie seine Vielfalt schätzen und bei mir Leckereien finden, die es in den Monokulturen der Agrarindustrie nicht gibt. So wie die internationalen Konzerne auf allen Kontinenten mit Unterstützung der Regierungen den Kleinbauern Land wegnehmen, um Rohstoffe abzubauen, so machen wir Menschen das auch im Kleinen, indem wir Häuser und Straßen bauen, ohne auf die Bedürfnisse und Lebensnotwendigkeiten der mehr-als-menschlichen Welt zu achten. Wir nehmen uns das einfach raus, wir haben in unserer Kultur keine lebendige Verbindung mehr zur Erde und sehen die anderen Lebewesen nicht als Gleiche, sondern als Konkurrenten an. Bestenfalls halten wir uns Tiere als Nutztiere (allein dieses Wort sagt schon alles). Die unerwünschten Tiere und Pflanzen (Unkräuter – noch so ein Wort) spiegeln uns mit ihrem Auftreten unser eigenes Verhalten.

Eine schöne große Ringelnatter an meiner Hauswand

Wie gesagt, ich habe keine Patentlösung, aber meine Vision ist ein großer Garten, in dem alle leben und essen können und immer genug da ist. Ich bin ja bekanntermaßen keine Christin und finde im Alten Testament viel Gewalttätigkeit (offensichtlich ein Hauptmerkmal aller monotheistischen Religionen), aber die Geschichte vom Paradies scheint mir eine Erinnerung an Zeiten, als unsere Planetin noch dieser Garten war. Und letztendlich dient alles, was ich seit Jahren lerne, dieser Vision: die gesamte schöne Erde als üppiger Garten für alles Lebendige.

behindert

Schnur aus Brennnesselfasern

Vor fast zwei Wochen knickte ich beim Einkaufen in Kiel mit dem linken Fuß um. Innerhalb kurzer Zeit schwoll mein Fuß stark an und Laufen und Kupplungtreten taten abscheulich weh. Ich kam noch nach Hause, machte mir einen Stützverband und legte den Fuß hoch. Für den folgenden Tag war ein Ausflug nach Flensburg mit I. und abends schönes Essen vom Le Camping geplant. Ich telefonierte meiner Tochter und teilte ihr mit, daß ich zu irgendwelchen Gängen nicht in der Lage sei. Aber da das Essen längst geordert worden war, fuhr ich am nächsten Tag dann doch nach Kiel, um I. abzuholen und sie fuhr dann den Rest des Weges. Das Essen war vorzüglich, aber der Genuss durch die anhaltenden Schmerzen etwas reduziert. Außer meinen hässlichen Treckingsandalen passte kein Schuh und ich konnte mich nur humpelnd fortbewegen. Am Abend fuhren wir wieder nach Hause. Glücklicherweise kam meine Tochter mit und blieb ein paar Tage. Sie machte die Arbeiten, die ich, behindert wie ich war, nicht machen konnte, z. B. dicke Bohnen im Garten pflücken, die ich dann mit kross gebratenem Speck und neuen Kartoffeln zubereitete. Sehr lecker!

Ich habe mir mal in den 80er Jahren den Fuß verstaucht. Damals war ich in einer Klinikambulanz, wo mein Fuß in einen Stützverband gepackt wurde. Ansonsten habe ich nur noch schwache Erinnerungen daran. Das Krankenhaus sparte ich mir dieses Mal ein. Einen professionellen Verband kann ich mir selber anlegen, Beinwellsalbe habe ich immer im Haus und ansonsten war Geduld angesagt. In den folgenden Tagen entwickelte sich ein ausgedehnter Bluterguss bis zu den Zehen und zur Ferse. Nachts kroch ich auf allen Vieren zur Toilette, weil der Schmerz direkt nach dem Aufstehen am schlimmsten war.

Nun gehöre ich nicht zu den Menschen, die lange stillsitzen können. Das musste ich aber. Ständig Lesen machte mir auch keinen Spaß und dummerweise war ich mit meiner Strickwolle auch am Ende. Ich wollte neue bei Voilà in Münster bestellen und erfuhr dabei, daß der Laden, in dem ich mehr als 30 Jahre die wahrscheinlich beste Alpacawolle der Welt gekauft hatte, nicht mehr existierte. Mist! Meine Rettung war dann Dörte Dietrichs Wollwerkstatt in Kiel: bei ihr bestellte ich schöne weiche Sockenwolle in vielen Farben. Bis die eintraf, übte ich das Schnurdrehen aus Brennnesselfasern, wie wir es beim Wildnisseminar gelernt hatten. Wie gut, daß ich reichlich Brennnesseln im Garten habe. Ich habe auch Pflanzen gezeichnet, die Arbeitsplatte in der Küche mit Hartöl behandelt, mir jeden Tag was Leckeres gekocht und ein neues Kuchenrezept ausprobiert.

Der Bewegungsmangel schlug mir auf die Stimmung und ich merkte, wie sehr Schmerz die Aufmerksamkeit gefangen nimmt. Ich nehme keine Schmerztabletten und hatte auch kein Mädesüßkraut mehr. Ich packte mir zerquetschte Beinwellblätter auf dein Fuß, das brachte leichte Linderung.

Während ich rumsaß, hatte ich die eine oder andere Einsicht, z. B. daß es eine ziemlich blöde Idee war, mit meinem kaputten Fuß nach Flensburg zu fahren, weil diese Aktion mit Sicherheit zu einer Verschlimmerung geführt hat. Aber irgendwie ist es auch typisch für mich und meinen Umgang mit Krankheit. Nachdem ich einige Tage lang mit meinem Zustand gehadert hatte, fielen mir Susun S. Weeds Six Steps of Healing ein. Na klar, mein Fuß sagte es mir ganz deutlich: Step 0 – Do nothing war angesagt: Heilung im Verborgenen geschehen lassen, meine Körperin machen lassen, ihr die Zeit lassen, die es braucht, akzeptieren, daß jetzt etwas anderes dran ist als mein gewohntes Leben. Ab da wurde es erträglicher. In gewisser Weise waren die letzten 12 Tage mein ganz persönlicher Lockdown.

Ich muss aber auch sagen, daß ich sehr dankbar für die Hilfe bin, die ich bekam: meine Tochter war in den ersten drei Tagen bei mir und mein Nachbar T. kaufte einmal für mich ein und brachte mich vor einigen Tagen nach Lütjenburg zum Bioladen, als ich wieder etwas besser laufen konnte. Mittlerweile hat mein Fuß wieder ein fast normales Aussehen.