Meer

Am Samstagmorgen rief I. an und fragte, ob ich Lust auf einen Spaziergang an der Kieler Förde hätte. Ich fuhr in die Stadt, holte sie am Bahnhof ab und wir entschieden uns dann erst mal dafür, zum Blé noir zu fahren, da wir dort draußen im Sonnenschein Kaffee trinken durften. Wir sind zwar noch weit von dänischen Verhältnissen entfernt, aber es war trotzdem sehr schön.

Gestern war ich wieder in Kiel zum Standing with the earth, das von Freundin K. an jedem letzten Sonntag im Monat im Hiroshimapark veranstaltet wird. Als wir ankamen, näherten sich uns zwei von den schönen Kanadagänsen, die dort zu Hause sind. Sie kamen so nah, daß ich sie hätte berühren können und sahen uns mit ihren glänzenden schwarzen Augen an. Das berührte mich sehr, auch wenn ich glaube, daß sie weniger aus Zuneigung als aus Hoffnung auf etwas Leckeres so nah kamen.

Seit einiger Zeit wache ich morgens oft sehr früh auf und kann dann nicht mehr einschlafen. MIr ist schon klar, daß es beunruhigende Gedanken sind, die mich aufwecken. Heute während allmählich der Morgen dämmerte, hatte ich ein klares Bild vom Meer und wusste, daß ich dahin fahren würde. Seit dem Wochenende haben wir hier endlich nach den langen grauen und nassen Monaten klaren blauen Himmel. Das hilft natürlich auch der Stimmung. Ich fuhr also ans Meer und ging meinen gewohnten Gang oberhalb des Strandes vorbei an dem kleinen Biotop, in dem das ganze Jahr ein paar Hochlandrinder mit zottigem Fell und großen Hörnern weiden. Die würdigten mich wie immer keines Blickes. Zurück ging ich unten am Strand, der sehr breit war wie nach jedem Sturm. Die Ostsee hat weder Ebbe noch Flut, aber Sturm treibt das Meer von der Küste weg und wenn sich das Wetter wieder beruhigt hat, kommt das Wasser mit voller Kraft zurück und reißt immer mehr von den Steilküsten weg. Mitten im Seetang leuchtete mich eine kleine Huflattichblütensonne an. Dann fand ich fast direkt an der Wasserlinie ein Peacesymbol, das ein Mensch dort aus Steinen gelegt hatte, und freute mich darüber. Solche Aktionen sind kleine magische Handlungen, die einen Wunsch ins Bewusstseinsfeld der Erde bringen. Ich setzte mich auf eine Bank und sprach zum Meer, erzählte ihm von meinen Sorgen und Befürchtungen und dem Ensetzen, das mir angesichts der Weltlage in den Knochen sitzt. Und ich bat um Hilfe und Weisung. Dann fuhr ich gestärkt und ermutigt wieder nach Hause.

Ich lese gerade ein interessantes Buch: Unplugging the Patriarchy von Lucia René. Es ist mehr als zehn Jahre alt, aber völlig aktuell. Lucia René ist eine nordamerikanische Mystikerin, die sich sehr gründlich mit den zerstörerischen Kräften auf unserer Planetin und dem zugrundeliegenden Muster befasst hat und deren Erforschung als spirituelle Reise schildert. Sehr spannend, sehr beunruhigend, aber auch ermutigend.

Und eine Empfehlung: Judith Haferland hat eine neuen Online-Kongress auf die Beine gestellt: https://www.diereisedeineslebens.de. Heute habe ich das Interview mit Sabine Lichtenfels, einer der Begründerinnen von Tamera in Portugal, gesehen und es gefiel mir sehr gut. Gut finde ich auch den neuen Artikel ihres Lebensgefährten Dieter Duhm zum Coronathema: https://www.tamera.org/de/artikel-corona-aufklaerung-und-korrektur/

Und zum Thema Putin und der Invasion in die Ukraine passt der alte Spruch „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“. Wind hat die ganze Zeit der Westen gesät, indem er Putin gebasht und zum Bösen gemacht hat. Nein, er ist kein lieber Junge, aber das sind die westlichen Charaktermasken auch nicht. Sie haben ihm die NATO entgegen anderer Absprachen direkt vor die Tür gesetzt und ihn fortwährend dämonisiert. Tja, statt Gas aus Russland gibt es jetzt Frackinggas aus den USA. Na toll! Und wo ich schon dabei bin: neulich las ich in der Welt, daß in Südamerika gerade großflächig Regenwälder abgeholzt werden, um Lithium für die Batterien der Elektroautos, für die unsere grüne Außenministerin im Wahlkampf so geworben hat (damit die statt der Benziner in Zukunft unsere Straßen verstopfen), aus der Erde zu holen. Die Grünen, meine Güte, was für ein erbärmlicher Abstieg einer Partei, die sich mal als Umwelt- und Friedenspartei gegründet hat. Aber das ist wohl der Preis dafür, wenn man regieren will.

Normal

Am Freitag bin ich nach Flensburg gefahren. Die beiden Bonner waren in der Nacht schon angekommen. Seit über einer Woche stürmt es hier heftig. Dazwischen gibt es immer ein paar Stunden Windstille, dann geht das Sausen und Zerren des Sturms wieder los. Ist es einer oder eine ganze Horde von Stürmen? Jedenfalls gingen wir in einer Wind- und Regenpause in die Stadt. Als wir den Bioladen verließen, trieb der Sturm schon wieder den Regen vor sich her.

Am Samstag schien uns zum Frühstück die Sonne auf den Küchentisch und wir fuhren nach Dänemark. Nur der arme M. musste arbeiten. Sonderburg ist eine kleine Stadt mit hübschen kleinen Häuschen. Am Strand in der Nähe des Schlosses fanden wir einen Imbiss mit angeschlossenem Zelt. Da gab es erst mal einen Hot Dog. Das ist weder ökologisch noch sonstwie korrekt, aber da kann ich keine Rücksicht drauf nehmen. Hot Dogs gehören für mich zu Dänemark wie Croissants zu Frankreich und das English Breakfast zu England. Wir mampften also unsere Hot Dogs, während außen an der durchsichtigen Plastikplane der Regen herunterströmte. Wir waren umgeben von Menschen, die dasselbe machten wie wir. Keine Masken, kein Mindestabstand, kein Schnelltest, alles war entspannt. Nur ein Schild mit den bekannten Regeln hing an der Tür wie ein Relikt aus ungemütlichen Zeiten.

Die meisten Läden hatten schon geschlossen, hier nimmt man es mit dem freien Samstagnachmittag wohl genauer als bei uns. Aber wir fanden auf dem Rückweg ein Café, das sich als sehr ansprechend und gemütlich erwies. Es war gut besetzt, wir fanden aber sofort einen passenden Tisch und es gab leckeren Kuchen und guten Kaffee. Wieder alles ohne Maske. Nur das einsame und offensichtlich weitgehend ungenutzte Desinfektionsmittel am Eingang war Zeuge einer sehr seltsamen und sehr verrückten Zeit. Es war alles so normal, anders kann ich es gar nicht ausdrücken. Und das Normale war so schön. Obwohl es irgendwie pervers ist, für einen Hot Dog und den Besuch eines Cafés knapp 40 km nach Dänemark zu fahren, hat uns dieser Ausflug alle glücklich gemacht.

Seit gestern bin ich wieder zu Hause, habe aber erst heute gesehen, daß der tote Ahorn im Knick vom Sturm aus der Erde gerissen wurde und mit ihm ein Holunder, der mit seinen Wurzeln eng verbunden war. Das ist ein bisschen traurig, weil der Ahorn in den letzten Jahren dicht mit Efeu umrankt worden ist und etwas von einem Wächterbaum hatte. Er diente vielen Vögeln als Heimat und die Amseln holten sich im Winter die Beeren.

Mein Imkerverein hat sein letztes Treffen unter 2G-Bedingungen stattfinden lassen. Ungeimpfte Menschen waren also ausgeschlossen und das nehme ich durchaus als Statement. Aber was soll ich meine Energie damit verschwenden mich zu ärgern. Man findet heute ja neue Möglichkeiten, auch ich, die ich so ein Gewohnheitstier bin. Ich habe mich nämlich mit einem Imker aus meinem Verein getroffen, der mir seine neuentwickelte Bienenbehausung vorführte und erklärte. Er hat mir seine Zeit geschenkt und schien Freude daran zu haben. Und ich habe ein neues Modell kennengelernt, das wahrscheinlich nicht nur den Bienen, sondern auch mir gut gefallen wird. Es ist schön, daß es Menschen gibt, die genau hinsehen, was die Bienen und die Imker brauchen, damit es beiden gut miteinander geht und diese Erkenntnisse dann auch umsetzen.

Halo

Gestern Abend ging ich raus und sah einen leuchtenden Halo um den zunehmenden Mond. Ich rief meine Tochter an, um sie darauf hinzuweisen, aber in der Stadt mit den vielen störenden Lichtern konnte sie ihn nicht erkennen. Mein Vater hat mir dieses Phänomen gezeigt, als ich ein Kind war und seitdem weiß ich, daß er durch vom Mondlicht beleuchtete Eiskristalle entsteht und auf Frost hinweist. Und tatsächlich: heute Morgen waren der Garten und die Dächer mit Rauhreif überzogen. Als ich endlich rausgefunden hatte, wie ich mit meiner Kamera Nachtaufnahmen machen kann, war der Halo leider schon ziemlich schwach geworden, siehe oben.

Ich habe gestern übrigens einen zauberhaften Tag gehabt. Ich hatte nach langer Zeit mal wieder den Wetterbericht im Internet angeschaut, der weiterhin dauergrauen Himmel vorhersagte wie die letzten Monate. Aber als ich auf dem Kieler Blüchermarkt war, fing es an aufzuklaren. Der freundliche Mann am Gemüsestand sagte: „Meeno kann sich nicht entscheiden, ob es so bleibt oder ob es kalt wird.“ (Meeno Schrader ist der Wetterpapst des Nordens; alle hören auf ihn und er ist zugegebenermaßen wesentlich zuverlässiger als das, was sonst an Vorhersagen angeboten wird). Beim Bäcker lobte ich die Verkäuferin, die mir ohne mit der Wimper zu zucken Croissant und Brötchen über die Theke reichte, damit ich sie in meinen Stoffbeutel stecken konnte. Ich hatte nämlich schon mit Kolleginnen von ihr zu tun, die sich „aus hygienischen Gründen“ weigerten, obwohl es überhaupt keine Berührung zwischen uns gegeben hätte. „Ich finde das gut“, erwiderte sie trocken.

Das wurde getoppt, als ich Katzenfutter kaufte. Die Frau an der Kasse sagte: „Ich gebe dir 20 Prozent.“ Ich fragte, wie ich zu der Ehre käme. „Du bist immer nett und freundlich“ , erwiderte sie. „Ja, aber das seid ihr doch auch immer“, meinte ich darauf. Und dann erzählte sie mir, wie garstig manche Kunden seien und daß die Coronazeit das noch schlimmer gemacht hätte. „Aber ich finde, gerade jetzt müssen wir lieb miteinander umgehen“, sagte ich und dann erzählte sie mir von einer Freundin, die als Ungeimpfte ganz viel Stress bei der Arbeit hätte und noch einige andere sehr persönliche Sachen. Ich muss dazu sagen, daß meine bisherigen Gespräche mit dieser Frau bisher nie über Smalltalk hinausgingen. Ich ging ganz erfreut zu meinem Auto und mittlerweile schien draußen die Sonne.

Schließlich ging ich in den Lampenladen, wo ich vor einem Jahr eine neue LED-Birne gekauft hatte, nachdem die alte nach nur einem Jahr den Geist aufgegeben hatte. Jetzt ist wieder ein Jahr vorbei und auch diese Birne verhält sich unkooperativ und flackert ständig. Diese Birnen sind ziemlich teuer und sollen laut Hersteller jahrelang halten und besonders nachhaltig sein. Der Besitzer des Ladens meinte, es läge vielleicht am Kontakt und zeigte mir, wie ich ihn mit einem Phasenprüfer in der Lampenfassung ein bisschen hochbiegen könnte. Er sagte dann auch, daß die Versprechungen der Hersteller nicht allzu ernst genommen werden könnten, aber ein Jahr fand er auch zu kurz. Zuhause bin ich seinem Rat gefolgt und das Licht flackerte weiter. LED bringt’s offensichtlich nicht.

Heute habe ich ein interessantes Zeitkonzept kennengelernt. Die Anthropologin Deborah Bird Rose, ursprünglich US-Amerikanerin, die lange in Australien gelehrt und mit Aborigines gelebt hat, beschreibt es in ihrem Buch Reports from a Wild Country – ethics for decolonisation: während wir im Westen die Vergangenheit hinter uns sehen und die Zukunft vor uns, war es bei den Aborigines genau anders herum: die Erde war als erste da, dann kam das Träumen und die Ahn*innen. Die gehen uns voraus und wir folgen ihnen. Eine spannende Vorstellung, die die im Westen weit verbreitete Vorstellung einer Bewegung auf einer Zeitschiene Richtung Fortschritt („alles wird immer besser“) umkehrt. Nun, wir sehen ja, daß eben nicht immer besser wird, im Gegenteil. Wobei: das Wort Forschritt finde ich schon ganz passend, denn wir bewegen uns ja tatsächlich kontinuierlich fort, weg vom Ursprung, weg von der Natur – die Story of Separation eben.

Gestern habe ich gelesen, daß 40 von Elon Musks Satelliten wegen eines Sonnensturms im Orbit verglühen. Ich gebe zu, daß mich das sehr gefreut hat. Könnte es sein, daß die Sonne denen hilft, die noch einen schönen Sternenhimmel sehen wollen statt Zehntausende Satelliten für schnelles Internet und lückenlose Überwachung der Menschheit? Danke, liebe Sonne und mach bitte so weiter!

Spaziergang

Diese Farnwedel aus Eis entdeckte ich gestern Morgen auf meiner Windschutzscheibe. Ich fühlte mich an meine Kindheit erinnert: Wir hatten in den 50er Jahren schon eine Zentralheizung in unserer Wohnung in Hannover. Das Wasser in den Heizkörpern wurde durch einen Kohleofen in der Küche erwärmt, den meine Eltern mit Koks fütterten. Nachts ging das Feuer dann aus und nach frostigen Winternächten, von denen es damals noch viel mehr gab als heute, waren die Fenster morgens mit wunderschönen Eisblumen bewachsen, in die wir Löcher zum Durchschauen hauchten. Was für faszinierende Muster die Natur schafft!

Am Donnerstagabend waren B. und ich in Kiel zum Spaziergang. Als ich mein Auto am Exerzierplatz abstellte, erschreckte mich die große Anzahl an Polizeimannschaftswagen und die vielen mit Helmen ausgestatteten Polizisten. Das wirkte schon ein wenig bedrohlich. Die Initiatorin der Kieler Spaziergänge lobte gleich zu Anfang die Polizei für ihr faires Verhalten und forderte uns auf, ihnen Beifall zu geben. Ich bin nicht mehr so grundsätzlich wie früher gegen die Polizei und habe sie in meinen Berufsjahren auf der geschlossenen Aufnahmestation in der Psychiatrie ab und zu in Anspruch genommen. Dabei habe ich sie oft als hilfsbereit, manchmal sogar regelrecht fürsorglich wahrgenommen. Klar, es gibt auch unangenehme, die ihre Machtgelüste ausleben. Aber am Donnerstagabend war mir nach friedlicher Koexistenz und schließlich sperrte die Kieler Polizei die Straßen, damit wir da gemütlich spazierengehen konnten.

Und das taten wir: sehr viele Menschen trotz des anhaltenden Nieselregens, mit vielfältigen Lichtern behängt, mit Lichterketten verzierte Schirme und andere phantasievolle Beleuchtungen. Ich hatte meine kleine Solarsonne um den Hals hängen. B. fand allerdings, daß sie blendete, obwohl ich sie runtergedimmt hatte. Wir gingen etwa eineinhalb Stunden durch die Stadt: Möllingstraße – Eckernförder Straße – Westring – Gutenbergstraße – Eckernförder Straße – Westring – Hasseldieksdammer Weg – Kronshagener Weg – Exerzierplatz. Immer begleitet von der Polizei. Es herrschte eine wohlig friedliche Stimmung. Nur ab und zu veranstalteten Antifa-Grüppchen am Straßenrand kleine Störfeuer. Sie trugen Pappplakate mit Aufschriften wie „Nazis raus“ und „Antisemiten“ und schrieen uns an: „Nazis raus, Nazis raus“. Ich kann über diese Menschen nur staunen und wünschte, ich könnte mich mit ihnen mal in Ruhe unterhalten. Ich wüsste wirklich gern, warum sie uns für Nazis halten. Übrigens fiel mir auf, daß die Polizei die Gegendemonstranten im Halbkreis abschirmte, als wollten sie uns vor ihnen beschützen. Irgendwie hat mich dieser Anblick gerührt.

Wenn die Antifa-Leute mit ihrem Geschrei anfingen, riefen viele unserer Mitspaziergänger ihrerseits „Nazis raus“. Das war wohl als Spiegelung gemeint und irgendwie ist es ja auch tatsächlich so, daß diejenigen, die uns so hart anschrieen, genau das taten, was man den Nazis zu Recht vorwirft, nämlich keine andere Meinung zuzulassen. Dennoch gefiel mir das nicht. Ich denke über andere Möglichkeiten nach. Vielleicht wäre Schweigen besser. Hier zeigt sich, was auch in den Mainstreammedien mit konstanter Boshaftigkeit verbreitet wird: alle, die sich kritisch gegenüber den Coronamaßnahmen äußern, sind Rechte. Verrückte Welt! Es mag ja sogar sein, daß der eine oder die andere Rechte auf den Spaziergängen dabei ist. Ich habe als überzeugte Anarchistin keinen Vertrag mit rechtem Gedankengut und Nationalismus ist mir schon immer fremd gewesen. Aber ich möchte mit allen reden können und glaube nicht, daß Ausgrenzung irgendwas besser macht, im Gegenteil. Mich interessiert der Mensch hinter der Gesinnung und warum und wie er oder sie zu eben dieser Gesinnung gekommen ist. Ich denke oft an die Erzählungen meines Vaters, der als Kind mitbekommen hat, wie sich auf den Straßen von Hannover die Kommunisten mit den SA-Leuten prügelten. Hat es genützt? Hat es Hitler und die Jahre des Nationalsozialismus verhindert? Wir müssen heute Wege finden, um die zunehmende Spaltung zu heilen. Denn diese Spaltung nützt nur denen, die uns beherrschen. Und wir müssen erkennen, wo der wirkliche Feind, die wirkliche Bedrohung sitzt. Der moderne Totalitarismus kommt nicht von den Rändern, sondern aus der Mitte.

Als wir uns wieder dem Exer näherten, klang aus den Lautsprechern die alte Pink Floyd-Hymne Another Brick in the Wall, die ich so liebe und die immer noch so zutreffend ist:

„We don‘t need no education

We don‘t need no thought control

No dark sarcasm in the classroom

Teachers leave them kids alone

Hey, teachers leave them kids alone

All in all it‘s just another brick in the wall

All in all, you‘re just another brick in the wall.“

Wir brauchen keinen Unterricht

Wir brauchen keine Gedankenkontrolle

Keinen finsteren Sarkasmus im Klassenraum

Lehrer, lasst diese Kinder in Ruhe

Hey Lehrer, lasst diese Kinder in Ruhe

Alles in allem ist das nur ein weiterer Backstein in der Mauer

Alles in allem bist du nur ein weiterer Backstein in der Mauer.

Gestern Abend haben wir zu viert ein schönes Lichtmessritual gefeiert. Das Feuer, für das ich alles schon im Garten vorbereitet hatte, fiel buchstäblich ins Wasser. Also räumten wir Tisch und Sessel im Wohnzimmer beiseite und sangen und tanzten. Danach gab es gutes Essen und gute Gespräche. Seit gestern bin ich wieder in richtiger Tanzlaune. Das ist schön. Und der Lichtmessimpuls zeigte sich dann heute in zwei sehr erfreulichen Mails von Menschen, die diesen Blog gern lesen. Es war, als sei gestern ein heller Funke in die Welt geflogen.

Schenken

In den nächsten Tagen werde ich meine diesjährigen Kräuterspaziergänge planen. Eine Sache, die mich schon lange beschäftigt, ist der finanzielle Ausgleich. Mir hat es immer Schwierigkeiten gemacht, dafür Geld zu nehmen. Andererseits brauchte ich Geld, um Flyer drucken zu lassen und die Materialkosten zu decken. Und dann hatte ich auch das Gefühl, daß etwas, was umsonst gegeben wird, keine Wertschätzung erfährt. Anfangs verlangte ich einen sehr niedrigen Betrag, weil ich einfach Hemmungen hatte, Geld zu nehmen. Eine Frau, die selbstständig arbeitete, rügte mich dafür und meinte, ich versaute die Preise. Dann nahm ich mehr, aber immer noch vergleichsweise wenig und plötzlich kamen vereinzelte Beschwerden, ich sei zu teuer, was ich definitiv nicht war. Wir leben in einem System, was ganz und gar auf Geld aufgebaut ist. Und immer mehr Menschen scheinen zu merken, daß damit etwas ganz falsch ist. Charles Eisenstein, einer der Mitbegründer der Occupy-Bewegung, hat sich nach der Bankenkrise mit unserem Geldsystem befasst und festgestellt, daß es einfach nicht funktionieren kann und immer nur wenige Gewinner und sehr viele Verlierer hervorbringt. Es ist im Grunde zutiefst irrational, genauso wie der Glaube an das Wirtschaftswachstum.

Jetzt lese ich gerade ein wunderschönes Buch, das meine TCM-Frau I. mir geliehen hat: Geflochtenes Süßgrass – die Weisheit der Pflanzen von Robin Wall Kimmerer. Die Autorin ist Angehörige der nordamerikanische First Nations und gelernte Botanikerin und sie flechtet auf sehr schöne Weise Wissenschaft, indigene Mythen, persönliche Erfahrungen zu einem Zopf. Das ganze Buch durchzieht das Thema Schenken und Dankbarkeit und beim Lesen habe ich ständig Aha-Erlebnisse. Die weißen Siedler haben den Indigenen unglaublich viel Leid zugefügt, das wird in diesem Buch noch einmal schmerzhaft deutlich. Ihre Kultur wurde weitgehend zerstört, wie das auch in Afrika und Australien geschehen ist. Aber allmählich werden die alten Weisungen wieder erinnert und die alten Wege wieder aufgenommen. Sie sieht sich selbst als Lernende und ihre Lehrer und Lehrerinnen sind überwiegend die mehr-als-menschlichen Wesen, vor allem die Pflanzen.

Das Lebensprinzip der Erde ist das Schenken. Alles, was wir brauchen, bekommen wir geschenkt. Damit wir leben können, sterben andere Wesen. Das ist übrigens nicht nur bei Fleischessern, sondern auch bei Veganern der Fall, denn auch Pflanzen sind lebendige Wesenheiten, die sterben, wenn wir sie essen. Wir töten Bäume, um Feuer machen zu können und Häuser zu bauen. Die Urvölker wussten noch um diese Gegenseitigkeit: heute nehme ich die Geschenke der Erde, morgen gebe ich mich hin, damit andere leben können. Und wenn es die Würmer sind, die mich nach meinem Tode essen. Diese Gegenseitigkeit wird heute nicht mehr praktiziert. Menschen nehmen und nehmen. Wenn wir die Erde aufreißen und Kohle, Erdöl, Metalle und anderes herausholen, ist das Gewalt und hat nichts mit dem Annehmen von Geschenken zu tun.

Wenn wir uns aber der ungeheuren Großzügigkeit von Mutter Erde wieder bewusst werden und Dankbarkeit dafür zum Ausdruck bringen, vollzieht sich eine große Veränderung nicht nur in uns sondern auch in unserer Mitwelt. Das alles beschreibt sie auf eine Weise, die tief ins Herz dringt.

Was das mit meinen Kräuterkursen zu tun hat? Ich bin zu dem Schluss gekommen, daß das Wissen von den Heilpflanzen Allmende ist, also Gemeingut. So war es früher, als noch jedes Dorf seine Kräuterhexe und seine Hebamme hatte, an die man sich wenden konnte und die ihr Wissen an die weitergab, die es wertschätzten und im Sinne der Gemeinschaft verwendeten. Natürlich muss ich weiterhin meine Materialkosten abdecken können. Das könnte dann in Form einer Spende geschehen, über deren Höhe jede selbst entscheidet. Und übrigens habe ich einfach tierische Lust, auf diese Weise unser destruktives Geldsystem zu unterwandern.