Berlin

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Mittwochabend hörte ich auf dem Weg nach Kiel im Radio ausschnittweise ein Gespräch zum Thema Tempolimit auf den deutschen Autobahnen. Unser Verkehrsminister hat sich ja schon laut über diesen Vorschlag echauffiert. Nun kamen also ein Tempolimitbefürworter und ein -gegner zu Worte. Die Position des ebenfalls geladenen ADAC-Mannes bekam ich nicht mehr mit. Der Tempolimitgegner sagte gleich, er sei natürlich gegen Drängelei und Nötigung auf der Autobahn, aber er wolle weiterhin die Freiheit haben, mit 300 km/h über den Highway zu brettern. Er fühle sich dann allerdings schwer von den Langsamfahrern genötigt, die ihm auf der Überholspur betont langsam Platz machen. Dann kam der Tempolimitbefürworter zu Wort, d. h. er versuchte es, aber der Gegner fiel ihm unablässig ins Wort und ließ sich auch von der Moderatorin nicht ausbremsen, er schimpfte und krakeelte ständig herum, verhielt sich also ziemlich widerlich und bestätigte damit alle Vorurteile, die ich gegenüber Männern mit schnellen Autos habe. Ich gehe davon aus, daß er sich auf der Autobahn genauso widerlich verhält. Ich bin absolute Befürworterin eines Tempolimits. Wenn ich weitere Strecken mit dem Auto fahre, stehe ich mindestens einmal im Stau und erlebe in der Regel stockenden Verkehr, Vollsperrungen und andere Unannehmlichkeiten. Mein Adrenalinspiegel steigt jedesmal, wenn ich einen Raser im Rückspiegel herannahen sehe. Ich habe nie ein schnelles Auto gehabt und gewollt. Vielleicht schaffe ich mal 150 oder 160 km/h, aber auch nur bergab und mit Rückenwind. 130 km/h ist für mich die ideale Reisegeschwindigkeit.

Als ich 1993 das letzte Mal mit dem Auto in Frankreich unterwegs war, gab es dort ein Tempolimit von 130 km/h. Dabei fiel mir auf, daß der Verkehr floss, im Gegensatz zu deutschen Autobahnen. Das hat mich überzeugt: kein erhöhtes Adrenalin durch nötigende Raser, keine Probleme die Spur zu wechseln, offensichtlich weniger Staus. Deutschland ist das einzige europäische Land, das kein Tempolimit auf der Autobahn hat. Das finde ich ziemlich peinlich.

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Ich war vier Tage in Berlin zum ersten Modul des Jahrestrainings von Ilan Stephani. Es geht um den Körper und die ganz normalen Traumata, die unsere westliche Zivilisation allen Menschen tagtäglich zufügt. Übersetzt geht es für mich darum, wie wir wieder die Tiere werden können, die wir eigentlich sind. Vielleicht habe ich irgendwann mal Lust, mehr zu berichten.

Unsere Seminarzeiten ließen mir die Möglichkeit, vormittags das Viertel zu erkunden, wo ich in einem Privatzimmer untergebracht war: Berlin Mitte und Prenzlauer Berg. Sehr spannend und aufregend. Berlin war in den 80er Jahren, als die Mauer noch stand, meine Sehnsuchtsstadt. Ich wollte dort leben und hatte schon erste Schritte in die Wege geleitet. Das Leben führte mich dann aber woanders hin. Heute wäre ein Leben in dieser Stadt für mich nicht mehr attraktiv. Aber faszinierend ist sie. Ich erlaubte mir den Luxus, jeden Morgen in einem anderen Café mein Frühstück einzunehmen, sah am Samstagvormittag Männer mit steifen schwarzen Hüten und einen, der einen Fellhut in der Form eines Mühlsteins und lange Schläfenlocken trug sowie Jungen mit Kippas aus der Synagoge in der Nähe meines Quartiers kommen. Die wurde Tag und Nacht von Polizisten bewacht. Solche Bilder kannte ich bisher nur aus Paris. Als ich in einem portugiesischen Laden ein paar Natas kaufte, bekam ich von der freundlichen Verkäuferin noch ein mit Vanillecreme gefülltes Croissant geschenkt. Mittags gingen wir gemeinsam essen und es ergab sich, daß wir immer bei irgendeinem Vietnamesen landete. Ziemlich lecker!

Gestern Morgen kam ich dann an die legendäre Bernauer Straße, die zu Mauerzeiten in das Programm jeder Schulstudienfahrt gehörte. Die ehemalige Grenztrasse ist jetzt museal aufbearbeitet und hat keine Ähnlichkeit mehr mit der Trostlosigkeit, die ich 1972 dort gesehen habe. Eine Frau sprach mich an: „Español?“ Ich bot ihr Englisch an, was sie jedoch nicht sprach. Aber dann klappte die Verständigung doch. Sie und ihr Mann stellten mir Fragen auf Spanisch (War hier die Berliner Mauer? Gibt es noch irgendwo die richtige Mauer zu sehen?) Ich konnte sie verstehen und antwortete auf Englisch. Einer der Söhne, vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre alt, übersetzte meine Worte dann ins Spanische. Mir gefiel das.

In meinem Quartier fand ich ein Jugendbuch der Söhne meines Vermieters, Im Labyrinth der Lügen. Die Geschichte spielt im Ostberlin zu DDR-Zeiten und ist richtig spannend. Ich las es abends vorm Einschlafen.

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Gestern Nacht kam ich nach einer problemlosen Heimfahrt mit der Bahn in Kiel an. Ich hatte ab Berlin ein kurzweiliges Gespräch mit meinem Sitznachbarn, der aus Hamburg kam und den G20-Gipfel bzw. die brennenden Autos und die anschließenden gemeinsamen Aufräumarbeiten hautnach miterlebt hatte. „Das war Krieg“, sagte er. I. hatte mein Auto in der Nähe des Bahnhofs abgestellt. Meine liebe kleine Katze begrüßte mich vor der Haustür. Jetzt bin ich dabei, meine eiskalte Wohnung wieder warm zu kriegen.

Sehr genervt

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Der Winter ist da!

Am Montag hat sich die ohnehin angespannte Situation auf der Station noch weiter zugespitzt. Obwohl mich ein Kollege von einer anderen Station unterstützte, war die Arbeit nicht zu schaffen. Ich wimmelte ständig Patienten ab und schaffte doch längst nicht alles, was ich hätte machen müssen. Ich faxte eine Gefährdungsanzeige an die Pflegedienstleitung, wohl wissend, daß die auch nichts machen kann. Es fehlt einfach das Personal.

Völlig genervt fuhr ich spätabends nach Hause. Gestern hatte ich frei, aber meine Stimmung war weiterhin nicht die beste. Wie wohl die meisten Menschen möchte ich ein Gefühl von Sinn in meiner Arbeit finden, zur Zeit fühle ich aber nur eine große Machtlosigkeit. Ich kann an der Situation in der Klinik nichts ändern, aber ich möchte lernen durchs Chaos zu surfen, ohne mir die Stimmung zu versauen.

Gestern trafen I. und ich uns zum Käsefondueessen. Sie arbeitet auch im medizinischen Bereich und kennt ähnliche Probleme. Wir beiden sehen es so: das ganze Gesundheitswesen fährt gerade mit Wucht gegen die Wand. Manche Sachen müssen erst zusammenbrechen, damit etwas Neues entstehen kann. Die ganze Elend hat übrigens vor ca. 20 Jahren angefangen, als aus Krankenhäusern profitorientierte Betriebe gemacht wurden. Vielen Dank also an die Politik!

Ich sehe aber auch eine große Chance – und das gilt gleichermaßen für alle anderen Bereiche, wo die uns Regierenden nicht in der Lage ist, notwendige Veränderungen herbeizuführen: daß Menschen die Dinge wieder selbst in die Hand nehmen, d. h. sich selbstverantwortlich um ihre Gesundheit kümmern und aufhören, sich auf sogenannte Spezialisten zu verlassen. Das setzt voraus, daß sie lernen, wieder auf ihren eigenen Körper und ihre Intuition zu hören. Dann könnte sich das Gesundheitswesen auf die Bereiche konzentrieren, für die es gut ist, z. B. Knochenbrüche zu behandeln und notwendige Operationen vorzunehmen.

Man kann übrigens heute schon froh sein, wenn man kein Privatpatient ist. Da muss man nicht lange auf einen Arzttermin warten und bekommt in der Klinik besseres Essen und andere Vergünstigungen. Im Gegenzug wird man aber ausgenommen wie eine Weihnachtsgans: an Privatpatienten werden grundsätzlich mehr und teurere Untersuchungen vorgenommen, für die in der Regel keinerlei Notwendigkeit besteht, als an gesetzlich Krankenversicherten.

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Es gibt aber auch Gutes: heute Morgen war ich bei meinem tollen Zahnarzt, den ich wegen seiner ruhigen Art und seiner guten Handwerkskunst sehr schätze.

Und ich freue mich über den frostigen und sonnigen Winter!

Raunächte II

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Die Raunächte habe ich dieses Jahr eigenmächtig verlängert. Nachdem ich zunächst einige Zeit gebraucht habe, um von meinem Immer-aktiv-Modus herunterzukommen, tat es mir merklich gut, nur das Nötigste zu tun (die Grundordnung in meiner Wohnung aufrecht zu erhalten, einkaufen, Essen kochen, zur Arbeit fahren) und ansonsten einfach nur rumsitzen, lesen (ich habe Massen von tollen Büchern zu Weihnachten bekommen),  stricken und tagträumen. Kein Yoga, kein Französischüben, einfach nur meinen Impulsen nachgeben. Neulich habe ich irgendwo gelesen, daß irgendwelche Hirnforscher vermuten, daß regelmäßiges Meditieren möglicherweise die Fähigkeit zum Tagträumen behindert. Das kann ich mir gut vorstellen: Tagträumen ist etwas, was ungeplant geschieht. Jedes Kind kennt das: plötzlich driftet die Aufmerksamkeit in innere Welten, der Blick wird leer, die Außenwelt spielt keine Rolle mehr. Manche sagen, Tagträumen dient dazu, das Gehirn zu entrümpeln. Alle meine Versuche, mich einer regelmäßigen Meditationspraxis zu unterwerfen, sind bisher nach kurzer Zeit an Lustlosigkeit gescheitert. Vielleicht sind aber auch die Zustände, die ich gelegentlich bei bestimmten Tätigkeiten erreiche, etwa beim Stricken, beim Kochen, bei der Gartenarbeit, meine ganz persönlichen Meditationserfahrungen.

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Gestern sind I. und ich mit der Bahn nach Hamburg gefahren. Wir haben im Café Paris in der Nähe des Rathauses Kaffee getrunken: rappelvoll, freundliche Bedienung und interessantes Jugendstilambiente. Bei GEA habe ich eine Matratze bestellt, vorher natürlich zur Probe gelegen. Da ich seit einigen Jahren auf der Seite liegend schlafe, nicht wie früher auf dem Bauch, brauche ich eine weichere Unterlage. GEA ist übrigens ein toller Laden: sie verkaufen dort Waldviertler-Schuhe und Möbel und das Personal ist freundlich und entspannt. Dann fuhren wir mit der S-Bahn in die Schanze und ergatterten ein paar hübsche Schnäppchen bei Paul und Piske, die ich auch empfehlen kann. Sie nähen einen Teil ihrer Sachen selber. Drumherum herrscht immer noch das schanzentypische Anarchoambiente, wenn auch hier leider die Gentrifizierung begonnen hat. Das merkten wir, als wir zum Schanzenstern in der Bartelstraße gingen und dort statt des ehemaligen Biorestaurants eine Pizzeria fanden. Aus dem Internet erfuhr ich, daß die Pächter des Schanzensterns die drastisch erhöhten Mieten nicht mehr zahlen konnten.

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Seltsame Treppe im Schanzenhof