Hüter der Erde

Die Bienen fliegen wieder!

In Flensburg gibt es einen kleinen Wald am Bahnhof. Den hat die Stadt freigegeben, damit die Bäume gefällt und auf der Fläche ein Hotel und ein Parkplatz gebaut werden. Die Stadt Flensburg findet also ein Hotel wichtiger als einen Wald. Man kennt das. Im Oktober haben Menschen den Wald besetzt und Baumhäuser nach dem Vorbild des Hambacher und Dannenröder Forstes gebaut. Ich sehe sie als Hüter*innen der Erde. Eigentlich sollte der Platz jetzt von der Polizei geräumt werden, denn ab 1. März sind wegen der brütenden Vögel keine Baumfällarbeiten mehr erlaubt. Jetzt hat sich aber eine Coronavirusmutation in Flensburg ausgebreitet und die Oberbürgermeisterin hat nicht nur alle Coronarestriktionen noch mal drastisch verschärft sondern verfügt, daß das besetzte Gelände nicht geräumt werden darf, damit es nicht zu einem Superspreaderevent kommt, wenn die Polizei die Baumbesetzer wegtragen muss und es dann vielleicht zu handfesten Auseinandersetzungen kommt. Man könnte also sagen, das Coronavirus hat dem Wald geholfen. Gestern Morgen kam dann im Radio die Nachricht, daß die beiden Waldbesitzer Fakten geschaffen haben, indem sie einen Trupp Forstarbeiter mit Motorsägen zusammen mit privaten Securityleuten vorbeigeschickt haben. Die haben den Wald eingezäunt und dann angefangen, Bäume zu fällen. Das Ganze wurde wenig später von der Polizei gestoppt.

Es wird hierzulande ja gern mit großer Empörung auf Brasilien gezeigt, wo mit ausdrücklicher Billigung von Bolsonaro der Amazonaswald vernichtet wird. Aber hier geschieht doch genau dasselbe: Wald wird abgeholzt für Braunkohletagebau, für eine Autobahn und jetzt für ein Hotel.

Irgendein Experte hat dringend dazu geraten, zwei Masken übereinander zu tragen, da eine allein nicht ausreiche, um das Virus einzudämmen. Die nächste Steigerung wäre dann, den Menschen das Atmen zu verbieten. Da das schlecht geht, hätte ich noch einen Vorschlag: daß alle aufgefordert werden, sich eine Plastiktüte über den Kopf zu ziehen. Dann hätte man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: die Coronaseuche und die Homo sapiens-Seuche. Ich würde allerdings darauf bestehen, daß als allererstes die Herrschenden mit gutem Vorbild vorangehen.

Ja, ich weiß, ich bin zynisch. Aber zur Zeit kann ich nur so den alles beherrschenden Wahnsinn ertragen.

Ich habe mir vorgenommen, zu jeder schlimmen Geschichte auch eine schöne zu schreiben. Hier ist sie:

I. hat mir ein ganz zauberhaftes Buch geliehen: Eine Frau erlebt die Polarnacht von Christiane Ritter. Es ist bereits 1938 erschienen und nur noch antiquarisch erhältlich. Die Geschichte spielt 1933. Die Autorin besucht für ein ganzes Jahr ihren Mann, der als Jäger und Forscher auf Spitzbergen in der Arktis lebte. Sie lebt dort mit ihm und einem jungen Norweger in einer kleinen Hütte ein ganz einfaches Leben ohne Strom und fließendes Wasser unter teilweise extremen Bedingungen: monatelange Dunkelheit, nur erhellt durch Mond und Polarlichter, Temperaturen um -35°, wochenlanges Alleinsein, wenn die beiden Männer auf der Jagd sind. Sie verschweigt nicht, daß es ist nicht immer leicht für sie gewesen ist. Aber alles in allem hat sie in diesem Jahr ganz ohne den gewohnten Komfort so intensive und beglückende Naturerfahrungen gemacht, daß sie später von sich selber sagt, sie sei für ihr altes Leben verdorben. Auch daß in ihrer Abwesenheit ihr Wohnhaus in Österreich abgebrannt ist, tangiert sie nicht wirklich. In dem Buch finden sich auch Zeichnungen und Aquarelle der Autorin. Daß sie gelernte Malerin ist, erkennt eine an den sehr anschaulichen Landschafts- und Farbbeschreibungen. Mich hat dieses Buch so fasziniert, daß ich es mir auch bei Booklooker bestellt habe. Ich habe zwar nie unter solchen Extrembedingungen gelebt, aber ich kann die Glücksgefühle dieser Frau über ihr Jahr in der Arktis gut verstehen. Sie hat einfach die Erfahrung gemacht, was wirklich im Leben zählt und daß das Allermeiste, das wir angeblich so privilegierten Europäer für lebensnotwendig halten, einfach nur Ballast ist, der uns von der Natur, von der Erde, dem Himmel, den Elementen trennt. Im Grunde sind wir schrecklich verarmte Seelen, weil wir uns so weit von der Natur entfernt haben.

Ich habe mich heute in die Natur begeben, einen langen Spaziergang durch Wald und Feld gemacht und den Wildschweinen Kartoffeln zum Platz unseres Lichtmessrituals gebracht.

Kommunikation mit allen Wesen

Villa Kunterbunt

Gestern machten E. und ich auf einem meiner magischen Plätze ein Lichtmessritual (Bei Alma mater habe ich Lichtmess als Fest des zunehmenden Mondes im Wassermann kennen gelernt, also als bewegliches Fest. Dieses Jahr gab es zwei zunehmende Mondphasen im Wassermann, eine im Januar, eine im Februar). Als wir den Kreis gezogen und die sieben Richtungen eingeladen hatten, fing es an zu schneien. Während des ganzen Rituals begleiteten uns unzählige Keile von laut rufenden Singschwänen, die nach Norden zum Selenter See zogen, mit ihren Rufen. Ich äußerte den Wunsch, mich mit allem, was lebendig ist, zu verbünden/verbinden und zu lernen, mit ihnen zu kommunizieren. E fragte, ob ich damit auch die Viren meinte. Ja, natürlich meine ich auch die. Jetzt würden Virolog*innen sagen, daß Viren keine Lebewesen sind. Das sehe ich anders; ich halte es da mit den Indigenen auf allen Kontinenten, die nicht nur Menschen und alle anderen Tiere, Pflanzen, Pilze und Bakterien für lebendig halten sondern ebenso Wasser, Erde, Feuer, Luft und die kleinen Völker.

Als wir den Heimweg durch eine mittlerweile völlig im Schnee versunkene Landschaft antraten, dämmerte es schon. Vor uns bewegten sich ein paar schwarze Schafe im Schnee. Das machte mich stutzig, weil ich mitten in einem sumpfigen Gebiet ohne Zäune keine Schafe erwartete, schon gar keine schwarzen. Dann erkannte ich, daß es sich um drei Wildschweine handelte. Ich bin in meinem Leben schon ein paarmal Wildschweinen begegnet und ging auf sie zu. Die Wildschweine sahen uns und verschwanden im Reet. Sie haben gute Gründe, sich vor Menschen zu fürchten.

L. machte mich darauf aufmerksam, daß meine Äußerung, es gäbe in meinem Umkreis keine einzige Person mit Covid-19, bei ihr den Eindruck hinterlassen hatte, ich täte die Krankheit als Bagatelle ab. Zwar habe ich das weder gesagt noch gedacht, aber ich möchte es doch sicherheitshalber klarstellen. Wie ich diese Krankheit einstufen soll, weiß ich noch nicht. Und ich denke, daß keiner das zum derzeitigen Zeitpunkt sicher wissen kann. Vielleicht haben wir irgendwann einmal die Möglichkeit, Vergleiche zu Grippeepidemien zu ziehen. Ich habe keinen Zweifel daran, daß es schwere Covid-19-Verläufe gibt. Ich habe auch keinen Zweifel daran, daß die in den Medien häufig beschworenen schwerwiegenden Folgeschäden oft eher durch intensivmedizinische Behandlung zustande kommen. Man muss sich nur vorstellen, daß eine Beatmung mit starkem Druck Superstress für ohnehin schon geschädigte Lungenbläschen ist. Auch die Medikamente, die gegeben werden, können Langzeitschäden hervorrufen. Das gern und oft verabreichte Cortison z. B. ist ein Hormon, das sehr nachhaltig in die Selbstregulation des Körpers eingreift, auch wenn es längst abgesetzt worden ist. Im Übrigen: es gibt keine Medikament ohne unerwünschte Begleitwirkungen. Mittlerweile kenne ich übrigens eine Person, die an Covid-19 erkrankt ist, aber mit einem offensichtlich leichten Verlauf. Vielleicht habe ich bisher sowenig von dieser Krankheit mitbekommen, weil ich in einem Landkreis lebe, in dem es unterdurchschnittlich viele Coronafälle gibt: auf den bunten Karten in der Süddeutschen Zeitung, die ich einmal in der Woche lese, ist der Kreis Plön bis auf einen Ausreißer immer grau eingefärbt, also mit einem Inzidenzwert unter 35. Hohes Fieber ist übrigens kein Anzeichen für einen schweren Verlauf. Fieber ist eine sinnvolle Reaktion des Organismus auf eine Infektion. Fieber unterstützt die Heilung. Die Generation meiner Eltern und Großeltern wusste das noch und reagierte ganz entspannt, wenn wir Kinder Fieber hatten. Da wurden dann Wadenwickel gemacht und ansonsten vertraute man der Weisheit unserer Körper. Das Problem ist, daß Fieber mittlerweile als etwas Gefährliches angesehen wird. Als junge Krankenschwester lernte ich noch im Klinikalltag Wadenwickel anzuwenden. Das hat sich spätestens in den 90er Jahren geändert: seitdem bekam jeder Patient ab 38°C eine Paracetamol verpasst. Ich habe 1986 eine Influenza mit 40°C Fieber gehabt. Daran habe ich nur gute Erinnerungen: ich lag drei Tage lang in Fiebertrance zu Hause in meinem Bett und danach ging es wieder aufwärts. Das ereignete sich in einer entscheidenden Phase meines Lebens und fühlte sich im Nachhinein wie ein Häutungs- oder Transformationsprozess an. Auch meine Kinder durften Fieber haben und bekamen nur Belladonna D6 und gelegentliche Wadenwickel. Ich glaube, das Problem in unserer heutigen Zeit ist, daß Menschen Krankheit genauso wie Tod nicht mehr als natürlichen Bestandteil des Lebens akzeptieren. Fieberhafte Infektionserkrankungen sind außerdem ein gutes Training für unser Immunsystem.

Zum Schluss noch eine Empfehlung: Im Arzneimittelbrief 2020, 54 steht ein ausführlicher Bericht über die Risiken genetischer Impfstoffe. Ich habe ihn gelesen und mich bestätigt gefühlt in meiner Absicht, mich nicht impfen zu lassen.

Kalt

In Flensburg

Hier ist weiterhin richtiger Winter: heute Morgen waren es -7° C auf dem Thermometer neben meiner Haustür. Eine Freundin meiner Mutter rief an und erzählte, in Münster seien es -15° C. Dagegen ist es hier fast warm. Sie haben dort auch viel mehr Schnee, soviel, daß viele gar nicht zur Arbeit gekommen sind. Im verschneiten Garten kann ich sehen, wer sich da alles herumtreibt: außer den Vögeln an der Futterstelle und den Pfotenabdrücken meiner Katze fand ich auch Fuchsspuren. Ich habe extra noch mal in meinem Spurenbuch nachgeschaut und fand es bestätigt. Ich freue mich, wenn wilde Tiere so nah herankommen.

Winterrose

Gestern machte ich in Kiel meine wöchentlichen Einkäufe. An einem Stand fragte ich den Besitzer, ob ihm nicht kalt sei unter seiner Zeltplane. Er zeigte nach unten auf einen für mich unsichtbaren Gasbrenner. Dann reichte er mir wortlos seine Hand über den Tresen. Ich streckte ihm meine entgegen und er umfasste sie mit seiner großen warmen Hand. „Das ist schön“, sagte ich und lachte ihn an. Wir hatten beide keine Maske auf; ich hatte auch kein Schild gesehen, daß hier Maskenpflicht sei. Diese Begegnung bewirkte, daß ich gar nicht anders konnte, als fröhlich grinsend zu meinem Auto zu gehen. Und den Rest des Tages habe ich mich weiter darüber gefreut, wann immer mir diese Situation einfiel.

In den Nachrichten wird oft bemängelt, daß Deutschland in der Digitalisierung so weit hinten liege, was sich jetzt in Zeiten des Online-Unterrichts für Kinder besonders zeige. Ich habe ein sehr gespaltenes Verhältnis zur Digitalisierung. Ich mag vieles am Internet, benutze es aber pro Tag meist weniger als eine Stunde. Ich sehe selten Videos, einfach weil ich nicht die Geduld aufbringe, mir Sachen anzusehen, die länger als 10 Minuten dauern. Na gut, beim Neuen Evangelium war es ausnahmsweise anders. Mein Französischunterricht findet mittlerweile per Zoom statt. Das ist besser als nichts, aber kein Vergleich zu Präsenzunterricht. Ich glaube auch, das die Digitalisierung Probleme mit sich gebracht hat, die wir vorher nicht hatten und zudem ziemlich viel Zeit frisst. Und wenn ich daran denke, welcher Raubbau an der Erde geschieht, damit Digitalisierung möglich ist, dann glaube ich, daß wir es eher mit einem Fluch als mit einem Segen zu tun haben. Überhaupt scheint es mir, daß mit jeder technischen Neuerung, die ja angeblich immer irgendein Problem lösen soll, mehrere neue Probleme entstehen. Beispiel: erneuerbare Energien. Auf dem Weg nach Flensburg sah ich die Windkraftanlagen, die mittlerweile überall die Landschaften verschandeln. Ja, auch ich beziehe Ökostrom aus Wasserkraft, Wind- und Sonnenenergie. Aber Öko ist eigentlich nicht der richtige Name. Denn um etwa Windkraftanlagen zu bauen, braucht es sogenannte seltene Erden. Dafür wird unter anderem der Kongo (Coltan) ausgeplündert, dafür werden Regierungen weggeputscht (Bolivien wegen seiner Lithiumvorkommen) usw. Wenn dann die Windräder nach ungefähr 20 Jahren entsorgt werden müssen, weiß man nicht, wohin mit den giftigen Altlasten. Ähnliches gilt für die überaus hässlichen Photovoltaikanlagen. Wie man es dreht und wendet, unser Stromverbrauch muss drastisch reduziert werden. Warum auch nicht? Was spricht dagegen, wieder mehr Handarbeit einzusetzen? Was spricht dagegen, das Leben wieder zu vereinfachen, was auch bedeutet, den Besitz an elektronischen und elektrischen Geräten einzuschränken. Wozu braucht ein normaler Autofahrer z. B. ein Navi? Wenn ich Sahne mit meinem mechanischen Gerät steif schlage, brauche ich exakt genauso lange wie mit dem elektrischen Gerät. Eischnee kann eine prima mit einer Gabel steif schlagen. Körperliche Arbeit hebt die Stimmung, das erlebe ich immer wieder. Bestimmt haben wir unsere Körper nicht dafür, ab und zu irgendwelche Knöpfe zu drücken. Gerade jetzt, wo es wenig Möglichkeiten gibt, Geld auszugeben, außer man bestellt online (was ich genauso wenig mache wie in Vor-Corona-Zeiten), merke ich, daß mir nicht wirklich was fehlt. Als ich jung war, hätte ich gern mehr Geld gehabt, um mir Klamotten und Schuhe zu kaufen. Das kennt wahrscheinlich jede Frau. Ja, ich mag mich immer noch gern schön anziehen, aber ich trage meine Sachen mittlerweile oft mehr als 10 Jahre. In Flensburg unterhielten wir uns über dieses Thema und kamen zu dem Schluss, daß das ganze Konsumieren, so typisch für unsere Kultur, im Grunde ein Ersatz ist für etwas, was wir vor langer Zeit verloren haben. Heini Staudinger von den Waldviertler-Werkstätten in Österreich erzählt in der Zeitschrift Brennstoff oft, daß er auf seinen Afrikareisen viel Armut gesehen habe, aber gleichzeitig viel, viel mehr Lebensfreude als in Europa. Und heute fand ich in einem alten Tagebuch die Nachricht von Ute Schirans Tod, in der ihre Lebensgefährtin Rita folgenden Satz schrieb: „Die Einfachheit und der daraus erwachsende Reichtum, mit dem sie gelebt hat und gestorben ist, möge sich fortsetzen.“ Der Reichtum, der aus Einfachheit entsteht, ja, wie schön und wie wahr.

Denn was erfreut denn viel mehr als ein schönes neues Kleidungsstück? Da bin ich wieder bei dem fremden Mann, der seine warme Hand um meine legt und mich zum Lachen bringt…

Stürmische Zeiten

Ich komme gut klar mit dem Lockdown, weil ich gern allein bin und es dafür kaum einen schöneren Ort als mein kleines Dorf gibt. Aber es ist auch schön, mal wieder unter Menschen zu sein und in einen anderen kleinen Kosmos einzutauchen. Ich habe ein paar Tage in Flensburg verbracht. Am Samstag gingen wir durch eine schöne Schneelandschaft auf dem Gendarmenstien bis nach Dänemark. Mittendurch zieht sich der neue Zaun, der Wildschweine davon abhalten soll, nach Dänemark zu wandern. Kein organischer Holzzaun, kein dezenter Drahtzaun, sondern ein kompakter hässlicher Stahlzaun. Es scheint so, daß sogenannte Schutzmaßnahmen oft mit Hässlichkeit gepaart sind.

Am Sonntag fuhren wir dann ganz unbedarft in die Geltinger Birk. Die vielen Schneeverwehungen auf der Bundesstraße hätten uns Warnung sein können, auch die kleine Nebenstraßen, die alle von einer kompakten Eisschicht überzogen waren. Wir kamen an, stiegen aus dem Auto und ein eisiger Wind empfing uns. Die Ostsee schrie unter dem Sturm und wir waren in Nullkommanix völlig durchgefroren trotz eigentlich angemessener Kleidung. Der Gang war dann nach ca. 20 Minuten beendet und wir fanden erstaunlicherweise im nächstgelegenen Dorf eine offene öffentliche Toilette, die unsere Hintern vor dem Erfrieren rettete und sich über Spenden finanziert. Soviel Menschenfreundlichkeit muss man würdigen!

Am Montag fuhr ich wieder nach Hause. Während es in Flensburg fleißig am Schneien war, kam ich gut zu Hause an. Das Haus war eiskalt und für die nächsten Stunden saß ich am Feuer und hörte dem Sturm draußen zu, der pulvrigen Schnee gegen meine Haustür drückte und im Garten weiße bizarre Gebilde schuf. Wie schön, daß mal wieder richtiger Winter ist.

Gutes Leben

Nach ein paar klaren frostigen Tagen ist es heute wieder grau und feucht-kalt. In der Nacht hat es auch wieder geschneit. Dick vermummt ging ich nach Selent. Gehen, Holzhacken und Yoga gehören zu meinem täglichen Bewegungsrepertoire. Nach meiner Erfahrung gehört körperliche Bewegung, durchaus auch anstrengende, und tiefes Atmen zusammen mit angenehmen Kontakten und gutem Essen zu den effektivsten Mitteln, um seelisch in der Mitte zu bleiben. Mir geht es also richtig gut. Das Einzige, was mir allmählich fehlt, ist meine liebe Friseurin.

Mittlerweile habe ich es geschafft, das ganze Kongo-Tribunal anzusehen. Es ja ein fiktives Tribunal, aber mit ganz realen Betroffenen. Nachdem es öffentlich wurde, haben immerhin zwei Minister im Kongo ihren Job verloren: der Minenminister und der Innenminister, der sich nicht in der Lage sah, die Polizei an den Ort eines Massakers zu schicken, „weil Nacht war“, so seine Begründung. Diese Aussage führte übrigens unter seinen Zuhörern zu deutlicher Erheiterung. Der vorsitzende Richter des Tribunals, der Belgier Jean-Louis Gilissen, Mitbegründer des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag, wurde gefragt, warum er am Kongo-Tribunal teilnimmt. Ich finde seine Antwort so bemerkenswert, daß ich sie hier gern zitiere: „Es ist eine Frage des Engagements. Man muss sich für etwas einsetzen. Sonst dreht sich alles um das eigene kleine Leben… Heiraten, Kinder kriegen, Geld verdienen. Und man sagt sich, alles ist in Ordnung. Man weiß, es ist nicht genug. Bei allem, was in der Welt passiert, ist das nicht ausreichend. Für wen halte ich mich, das zu akzeptieren.“

Er hat mir zutiefst aus dem Herzen gesprochen. Ein Engagement über das „eigene kleine Leben“ hinaus sehe ich als Bestandteil eines guten Lebens. Für mich gehört solch ein Engagement auch unbedingt zu Spiritualität dazu. Eine Spiritualität, die sich als Rückzug von den Dingen des täglichen Lebens versteht, kann nicht meine sein. Wobei ich gelegentlichen Rückzug absolut lebensnotwendig finde: um zu mir selbst zu kommen, um meinen Geist frei und weit werden zu lassen, um auf diese Weise Raum für etwas Neues zu schaffen. Die Intutition, die innere Stimme, wird durch Stille genährt. So ist es jedenfalls für mich.

Die Debatte um den geleakten BKA-Bericht (siehe letzter Post) geht weiter:

https://www.nordkurier.de/politik-und-wirtschaft/der-nordkurier-erscheint-weiter-ohne-haltungs-disclaimer-3142267001.html

Ich finde es richtig gut und mutig, daß Nordkurier ganz bewusst auf Haftungsdisclaimer verzichtet, während man ja mittlerweile in den sozialen Medien, z. B. auf Youtube, die obligatorischen und besserwisserischen Disclaimer findet, sobald in irgendeiner Weise kritisch über alles, was mit Corona zu tun hat, berichtet wird. Das erinnert mich an meine Schulzeit in den 60er Jahren: in der Schule und auch sonst in der Öffentlichkeit wurde immer von der „Ostzone“ oder der „sowjetischen Besatzungszone“ bzw. „SBZ“ geredet. Die korrekte Bezeichnung für den anderen deutschen Staat wäre DDR gewesen, aber der Begriff war ein No go, allenfalls durfte noch „die sogenannte deutsche demokratische Republik“ gesagt werden. Es ist immer wieder das gleiche Phänomen: man sieht bei Anderen wie unter dem Vergrößerungsglas, was man bei sich selbst nicht sehen kann. Oder anders gesagt: was ich Anderen vorwerfe, mache ich mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst. Oder noch prägnanter: wenn ich auf Andere mit dem Finger zeige, zeigen drei Finger auf mich zurück.