Er-innern

Über Ostern hatte ich Besuch von Tochter und Schwiegersohn. An einem Abend sahen wir den Film Wer die Nachtigall stört mit dem wunderbaren Gregory Peck, der vor langer Zeit zu meinen Lieblingsschauspielern gehörte. Die DVD habe ich zu Weihnachten von den beiden bekommen; sie versorgen mich oft mit Filmklassikern. Allein schaue ich kaum Filme, aber zusammen macht es Spaß und man kann anschließend noch darüber reden.

Letzte Woche fuhr ich nach Bonn, um das Weihnachtsgeschenk meines Sohnes zu erleben: ein Abend mit Lisa Fitz im Pantheon. Das war auch sehr schön. Jetzt habe ich Lisa Fitz live erlebt und sie ist so authentisch, so ehrlich, frech und an keine Konvention gebunden. Und wie ich bereits geschrieben habe: wir haben viele Gemeinsamkeiten. Als Kabarettistin fand ich sie nicht so gemein wie Max Uthoff, den ich vor einigen Jahren in Düsseldorf erlebt habe. Keine Publikumsbeschimpfung, aber natürlich haben alle üblichen Verdächtigen ihr Fett weggekriegt. Wir haben viel gelacht und bei einem ihrer Lieder mitgesungen. Mein Sohn gab mir das Buch Wer die Nachtigall stört von Harper Lee mit, nachdem ich vom Film geschwärmt hatte. Das lese ich jetzt und finde es außerordentlich gut geschrieben. Ich glaube, die Handlung spielt etwa in den 30er Jahren in den US-amerikanischen Südstaaten. Meist befasse ich mich ja mit Sachbüchern, aber ab und zu ein wenig Belletristik ist auch ganz schön.

Am Rhein mit Blick aufs Siebengebirge

Gestern fuhr ich zum Imkertreffen nach Amelinghausen in der Lüneburger Heide. Wir tagten in kleiner Runde und unter anderem waren die Nachwirkungen von Torben Schiffers Vortrag beim letzten Imkertreffen Thema. Da gibt es Menschen, die sich nicht von ihrem Selbstverständnis als Imker trennen mögen, d. h. als Personen, die Bienen halten, um Honig zu gewinnen und davon überzeugt sind, daß nur imkerliche Maßnahmen, also die Behandlungen mit organischen Säuren, die Bienen am Leben erhalten. Aber es outen sich mittlerweile auch solche, die darauf verzichten und offensichtlich schon länger damit gute Erfahrungen gemacht haben. Ich gehöre insofern zur letzteren Fraktion, als ich auch darauf verzichte, aber noch nicht lange genug, um über gute oder schlechte Erfahrungen zu verfügen. Uns allen ist aber eins gemeinsam: wir wollen dazu lernen, wir bleiben nicht stehen, wir sind uns bewusst, daß die alten Wege nicht mehr taugen, wenn sie es jemals getan haben.

Eine Sache hat mich gestern besonders beeindruckt: Eine Teilnehmerin hatte ihren Hund draußen angebunden, weil er in der Vergangenheit soviel Chaos im Raum angerichtet hatte. Er tat sein Missfallen am Ausgesperrtsein mit Bellen kund und tat mir leid. Irgendwann holte ein Mann das Tier von draußen in den Raum. Ich saß ihm im Kreis genau gegenüber und konnte so beobachten, wie er den Hund mit leichten Berührungen und fast unmerklichen Gesten dazu brachte, sich zu seinen Füßen niederzulegen. Da blieb er dann ganz entspannt und alles spielte sich so unauffällig ab, daß seine Halterin erst nach längerer Zeit mitbekam, daß er im Raum war. Dieser Mann, ich nannte ihn später „Hundeflüsterer“, hatte sich in der Anfangsrunde als Tierhomöopath vorgestellt und später, als wir über die verschiedenen Sichtweisen auf Bienenhaltung diskutierten, erzählt, wie er in seiner Praxis immer wieder erlebte, daß die Chancen von Tieren wieder gesund zu werden, wesentlich von der Einstellung ihrer Halter*innen abhängt: wenn eine Person es nicht für möglich hält, daß das Tier wieder gesund wird, sind dessen Chancen tatsächlich schlechter als bei einer positiven Grundhaltung. Daran habe ich überhaupt keinen Zweifel und nach meiner Erfahrung kann man diese Erkenntnis 1:1 auf Menschen übertragen.

Während ich auf dem Heimweg dem üblichen Sonntagnachmittagstau auswich, indem ich durch Hamburg fuhr (und dafür wahrscheinlich genauso lange wie für den Stau brauchte, weil jede Ampel rot war), musste ich an dieses Erlebnis denken. Ist es nicht so, daß die wirklich wichtige Kommunikation nicht durch Worte stattfindet, sondern durch Körpersprache oder noch wesentlicher auf feinstofflichen Kanälen? Ich bin davon jedenfalls überzeugt, obwohl oder vielleicht auch gerade weil ich mich sehr viel über Sprache, gesprochen und geschrieben, ausdrücke. Wie oft habe ich schon erlebt, daß eine Person das ausspricht, was ich gerade gedacht habe. Oder wie oft ist es schon vorgekommen, daß ich einen Anruf von jemandem bekommen habe, den ich gerade selbst anrufen wollte. Ich glaube auch, daß meine Katze weiß, was gerade in mir vorgeht. Das sind alte Fertigkeiten, die bei vielen in den Kellern des Bewusstseins lagern, vergessene Fähigkeiten, eine alte und universelle Sprache. Heute las ich einen alten Ritualbrief aus meiner Alma mater-Zeit, in dem Siegrun über die Hagezussen spricht: sie waren diejenigen, die mit den Tieren und den Pflanzen sprechen konnten. Nichts davon ist wirklich verloren, wir müssen es nur wieder er-innern. Der erste Schritt ist, das für möglich zu halten.

 

Die Ebenen wechseln

Vor einigen Tagen entdeckte ich in meiner Nähe im Wald etliche Flecken mit Märzveilchen. Der Anblick des leuchtenden Violetts der Blüten inmitten von saftig grünen Blättern, die jungen seitlich eingerollt, erfüllte mich mit Freude. Ich wusste, daß an diesen Stellen Veilchen wachsen, habe aber in all den Jahren nie so viele wie dieses Mal entdeckt. Oft kam ich auch zu spät; dann waren sie schon verblüht und stattdessen fand ich die etwas blasseren Waldveilchen, die ohne Duft sind. Ich kann immer nur staunen über die wunderschönen Formen und Farben, die die Natur hervorbringt. Sie ist die größte Künstlerin und verzaubert mit Schönheit.

Gestern bin ich durch Zufall einer anderen Künstlerin begegnet: aus dem Internet habe ich erfahren, daß Mary Bauermeister schon Anfang März gestorben ist. Kurz vor ihrem Tod war ich auf einem Imkertreffen (ich habe darüber berichtet) und einer der Anwesenden machte auf eine Ausstellung mit Werken von Mary Bauermeister in der Kieler Kunsthalle aufmerksam. Ich fragte ihn, woher er Mary Bauermeister kenne und er sagte, aus Marijn Poels Film Pandamned. Den habe ich im letzten Jahr auch gesehen und war sehr beeindruckt. Ich glaube, auch über ihn habe ich berichtet. Marijn Poels interviewt in einer Szene Mary Bauermeister und sie antwortet so klug, so beeindruckend. Ja, es geht um das C-Thema und das Impfen und die Angst, die Marijn Poels äußert und sie sagt so tolle Sachen wie: Zeitgeist werde aus der Zukunft inspiriert und es sei die Aufgabe der Künstler und Schamanen, sich aus der Zukunft inspirieren zu lassen. Später sagt sie: „Glauben ist mehr als Wissen“. Und zur Angst: Angst haben heißt: ich muss noch was lernen. Sie hat auch sehr kluge Sachen zum Impfthema geäußert und warum sie ihre Kinder nicht hat impfen lassen. Auch daß die Spanische Grippe vor 100 Jahren nur unter den Geimpften so tödlich gewütet hat und daß in Griechenland, dem einzigen Land, in dem keine Impfungen stattgefunden haben, es keine Grippetoten gegeben habe. Das habe ich an anderer Stelle schon mal gehört und es überrascht mich nicht.

Ich habe das erste Mal von Mary Bauermeister aus irgendeiner Zeitschrift erfahren und das liegt schon einige Jahre zurück. Mich hat ihr unkonventionelles Leben fasziniert, die Konsequenz, mit der sie ihren eigenen Weg gegangen ist bis zu ihrem Tod mit 88 Jahren. 2018 bekam sie eine Krebsdiagnose und ihr Arzt prognostizierte ihr nur noch wenige Monate Lebenszeit. Daraus sind dann weitere fünf Jahre geworden. Ich finde es übrigens ziemlich daneben, wenn Ärzte solche Aussagen treffen. Wie auch immer, Mary Bauermeister hat die verbliebene Lebensspanne für sich genutzt, weiter ihre Kunst gemacht und das Morphium abgesetzt, als es anfing ihren Geist zu vernebeln. Sie hatte keine Angst vor dem Tod und sprach davon, daß sie demnächst die Ebenen wechseln werde und sich darauf schon freue.

Der Ausdruck „die Ebenen wechseln“ gefällt mir sehr und ich werde ihn in meine Sprache übernehmen. Denn das ist Sterben doch letztendlich: der Übergang von einer Ebene zur anderen.

Übrigens habe ich mich bisher nicht allzu sehr mit der Kunst von Mary Bauermeister befasst. Sie war auch Gartengestalterin und das finde ich richtig spannend. Noch so eine tolle Frau!

Nachts gibt es noch Frost, aber wenn die Sonne scheint, fliegen die Bienen und bringen Pollen in den Stock.

 

 

Das starke Herz

Ich habe mich mittlerweile dazu verpflichtet, wenigstens zweimal in der Woche eine Runde mit dem Fahrrad zu drehen. Meine Kondition ist deutlich besser geworden. Heute bin ich bei strahlendem Sonnenschein und kaltem Ostwind gefahren und konnte es sogar streckenweise genießen, bei Steigungen kräftig in die Pedale zu treten, die großen Damwildrudel auf den Feldern zu sehen und Slalom um die Pfützen zu fahren. Als ich wieder zu Hause ankam, habe ich mich gut gefühlt, körperlich und seelisch. Bewegung ist einfach ein Schlüssel für ein ausgeglichenes Seelenleben. Unmittelbar vor meiner Staroperation hat mir der Anästhesist mitgeteilt, daß ich einen stark arrhythmischen Puls habe. Das konnte ich später bestätigen, wenn ich ab und zu mal meinen Puls gezählt habe. Ich war nicht allzu beunruhigt. Ich habe mir aber im Januar einen Termin bei der naturheilkundlich arbeitenden Ärztin geben lassen, die ich das erste Mal vor der drohenden Impfpflicht aufgesucht habe, weil ich dachte, es sei gut, in Notfällen jemanden zu haben. Die Praxis im Nachbardorf genießt nicht mein volles Vertrauen, auch wenn die Ärzt*innen dort freundlich sind. Aber sie sind halt Schulmediziner mit all den Begrenzungen, die zur Schuldmedizin gehören. Den Ausschlag zum endgültigen Arztwechsel gab die Weigerung, mir eine Verordnung für Ernährungsberatung zu geben. Die wollte ich haben, um wenigstens einen Teil der Kosten für die Behandlung bei meiner Chinesischen Medizinfrau Inke erstattet zu bekommen. Stattdessen wurde mir ziemlich streng angeraten, eine Gastroskopie machen zu lassen, um mein häufig auftretendes Völlegefühl abzuklären. Nein danke! Meine neue Ärztin ließ ein EKG ableiten und bestätigte die die Herzrhythmusstörungen. Es gibt verschiedene Erklärungen dafür, die ich hier nicht weiter ausführen werde. Ich ging mit der Frage ins Bewusstseinsfeld, was ich tun könne und bekam die Antwort: ins Herz atmen. Als ich am Freitag bei Inke war, gab sie mir den gleichen Rat und zeigte mir, wie kohärentes Atmen geht. Das ist also jetzt meine tägliche Meditation: 10 Minuten lang je 5 Sekunden ohne Pause ein- und ausatmen und mir dabei vorstellen, daß der Atem durchs Herzchakra ein- und ausströmt. Inke wusste übrigens nichts davon, daß ich den gleichen Rat aus dem Bewusstseinsfeld erhalten hatte.

Aber ein Herz wird eben auch stark durch körperliches Training und immer, wenn ich nach dem Radfahren meinen Puls fühle, ist er regelmäßig. Nebenbei bemerkt: ein sehr regelmäßiger Herzschlag ist nichts Gesundes, sondern tritt kurz vor einem Herzinfarkt auf. Ein lebendiger Organismus ist eben keine regelmäßig tickende Uhr.

Der Bärlauch in meinem Garten hat sich schön ausgebreitet. Jeden Tag nasche ich ein paar Blätter, zusätzlich auch Löwenzahn, der jetzt so frisch und knackig ist. Auch damit tue ich meinem Herzen und Blut gut.

Lisa Fitz Buch Der lange Weg zum Ungehorsam habe ich ausgelesen. Ich habe bereits erzählt, daß ich viele Gemeinsamkeiten mit ihr erkannt habe: die Unfähigkeit zum Gehorsam, der zwingende Wille, den ganz eigenen Weg zu gehen mit allen Höhen und Tiefen, der Freiheitsdrang. Dazu gehört auch, daß ich genau wie sie nie einem Guru, einem Lehrer oder einer Lehrerin ohne Wenn und Aber folgen konnte. Ich musste wie sie immer alles hinterfragen und letztlich mein eigenes Ding machen. Und das Leben als fortwährenden Lernprozess erkennen. Mir gefällt Lisa Fitz also ziemlich gut, ihr Humor und ihre Ehrlichkeit und daß sie sich nicht scheut, ganz persönliche Dinge von sich preiszugeben, auch die nicht so vorteilhaften. Tolle Frau!

Und jetzt lese ich Das Ende der Megamaschine – die Geschichte einer scheiternden Zivilisation von Fabian Scheidler. Es ist schon einige Jahre alt; sein neustes Buch Der Stoff, aus dem wir sind habe ich vor einiger Zeit vorgestellt. Meine Tochter, die mir das Buch geliehen hat, hat auf die erste Innenseite ein Zitat von von W. B. Yeats geschrieben: „There is another world. But it is in this one.“ Das ist doch ein schöner Spruch. Es kommt halt drauf an, die andere Welt, die schönere Welt, die unser Herz kennt, wie Charles Eisenstein sie nennt, aus der alten scheiternden Welt herauszuschälen. Auch Arundhati Roy sieht es so: „Eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist schon im Entstehen. An einem ruhigen Tag kann ich sie atmen hören.“ Noch so eine tolle und scharfsinnige Frau!

Und für das Erschaffen einer schöneren Welt braucht es Menschen mit starken Herzen!

Gestern war wieder einer von den mittlerweile fast wöchentlich auftretenden Sturmtagen mit scharfen Böen aus Osten und peitschendem Regen. Ich musste ein paar Sachen aus Selent besorgen und war kurz versucht, das Auto zu nehmen. Stattdessen packte ich mich warm ein, zog Gummistiefel an und marschierte durch Matsch und tiefe Pfützen. Das war fast ein so gutes Gefühl wie Radfahren. Und ich ging auf dem Rückweg in einen Laden, den ich bisher nicht richtig beachtet hatte: Pinkens natürlich nördlich. Die beiden Frauen, die das Badehaus am Selenter See betreiben, haben dort eine Nudelmanufaktur. Ich kaufte superleckere frische, mit Ricotta gefüllte Bärlauchravioli. Dazu gab es Pekannussbutter. Außerdem ergab sich die Gelegenheit zu einem ausgiebigen Schnack mit Inken, einer der beiden Besitzerinnen. Wir sind fast Nachbarn und sehen uns öfter, aber daß sie seit über einem Jahr auch Nudeln herstellen, erfuhr ich am Freitag lustigerweise von meiner neuen Osteopathin in Preetz.