Sexualität und Grenzen

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Das letzte Modul stand unter dem Motto „Sex und Hingabe“. Wieder jede Menge sehr handfeste Körperarbeit. Dazu gehörte auch die Arbeit mit dem Jadeei, die aus dem Qi Gong stammt. Ein Ei aus Halbedelsteinen, vorzugsweise Jade oder Obsidian, wird in die Möse eingeführt, besser von ihr sozusagen „eingeatmet“ und dann mit Hilfe von Atmung, Muskelan- und entspannung und Spüren mit ihm geübt.

Ich glaube, die meisten Frauen haben, so wie ich, gelernt, daß die Vagina weitgehend gefühllos ist, weil sie sonst den Schmerz des Gebärens nicht aushalten könnte. Daß das nicht stimmt, habe ich in der Folge meiner Körpertherapie vor 32 Jahren erfahren können. Seitdem weiß ich, daß die Möse ein lebendiges und sehr empfindungsfähiges Organ ist, seitdem finde ich anderslautende Behauptungen absurd. Sie ist doch schließlich dazu da, uns und den Menschen, die wir in uns hinein lassen, Lust und Freude zu schenken. Wie kam es nun aber zur Gefühllosigkeit vor dem Erwachen meiner Möse im Jahr 1987?

Weil ich mich seit meinen ersten sexuellen Begegnungen immer wieder über meine eigenen Grenzen hinweggesetzt habe. Ich habe oft Männer in mich hineingelassen, auf die ich nicht wirklich Lust hatte, weil sie es wollten, weil ich nicht verlassen werden wollte, weil man das eben so macht, weil ich sexuell aufgeschlossen sein wollte, weil ich nie gelernt hatte, daß es gut und richtig ist, die eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu schützen. Die sogenannte sexuelle Revolution der 60er Jahre war dabei nur begrenzt hilfreich.

Nach 1987 hatte ich mit keinem Mann mehr Sex, wenn ich nicht wirklich wollte. Aber ich habe in nicht-sexuellen Bereichen immer noch oft meine eigenen Grenzen nicht bewusst wahrgenommen. Oft habe ich Dinge gemacht, weil ich mich verpflichtet fühlte, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, weil ich Sympathien nicht verlieren wollte, weil ich jemandem gefallen wollte. Beispiel: In meiner Arbeit mit Geflüchteten gibt es viel Bedürftigkeit. Wenn es nach ihnen ginge, müsste ich sie jeden Tag besuchen. Aber das will ich nicht. Also muss ich klar sagen: „Ich habe einmal in der Woche ca. 3 Stunden Zeit für euch.“ Gestern wurde ich mal wieder bedrängt, doch öfter zu kommen und ertappte mich dabei, daß ich anfing mich zu rechtfertigen und aufzuzählen, was ich alles zu tun habe. Jetzt, wo ich es gemerkt habe, werde ich mir das Rechtfertigen abgewöhnen.

Ich bin übrigens davon überzeugt, daß die Beziehungen zwischen uns viel erfreulicher würden, wenn wir lernten, genau das zu tun und zu lassen, was wir wirklich wirklich wollen. Das lerne ich auch von meiner Katze: wenn sie keine Lust mehr auf Streicheln hat, dann geht sie einfach. Keine Entschuldigung, keine Rechtfertigung, kein Rumeiern, sondern klare Kante. Großartig!

Technik

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Nebelkrähen in Berlin

Heute Nacht bin ich von meinem viertägigen Berlin-Aufenthalt zurückgekommen. Das dritte Modul bei Ilan Stephani. Sehr toll, sehr aufrührend, sehr beunruhigend, weil es sich ergab, daß auch 5G, also das neue geplante Mobilfunknetz, zum Thema wurde. Das ist so gruselig, daß es mir schlechten Schlaf bescherte. Im Grunde ist es so, als legte man alles Lebendige in die Mikrowelle. Wer braucht so was? Wer braucht überhaupt den ganzen Quatsch? Wer braucht z. B. Elekroautos? Na, die Leute, die allen Ernstes annehmen, daß sie damit der Umwelt was Gutes tun. Tun sie aber nicht, im Gegenteil. Mal von den dafür gebrauchten Rohstoffen gehört? Von der Entsorgung der Akkus? Den Arbeitsbedingungen der asiatischen Menschen, die die Akkus herstellen? Wir brauchen nicht mehr Autos, sondern deutlich weniger. Und wir brauchen auch keine Solaranlagen, die die Landschaft verschandeln und in der Herstellung alles andere als ökologisch sind. Das gilt auch für die Windkraftanlagen. Von all diesen Sachen brauchen wir viel, viel weniger. Dafür brauchen wir mehr echten Kontakt, Berührung, weniger Arbeit, Freude, Lachen, Tanzen und unbändige Lebenslust.

Quasi folgerichtig hat die Technik mir seit gestern Probleme gemacht: In dem kleinen Café in Berlin, in dem ich gefrühstückt habe, stand ein handgeschriebenes Schild: Wir haben kein WLAN – unterhaltet euch! Darüber habe ich mich so gefreut, daß ich es fotografieren wollte. Ich fragte, ob das ok sei. Der Mann hinter dem Tresen sagte: „Du kannst hier alles fotografieren, was du willst.“ Ich holte die Kamera raus und der Akku machte schlapp. Auf dem Weg zum Tagungsort sah ich dann unzählige attraktive Motive, die ich alle nicht fotografieren konnte. Mist!

Abends im Zug bekam ich eine SMS, die ich beantwortete. Dann gab mein Handy den Geist auf. Ich nahm die SIM-Karte raus und steckte sie wieder rein – nichts! Ich bat einen Mann um Hilfe, der dasselbe machte – wieder nichts. Zwischendurch ging das Handy mal wieder für zwei Minuten, dann war alles vorbei. I. wollte mich in Kiel abholen. Ich kam ins Schwitzen. Was, wenn der Zug derbe Verspätung hätte, wie das nicht so ungewöhnlich bei der DB ist. Der Mann, der mir geholfen hatte, bot mir sein Handy an. Tja, aber ich habe doch die ganzen gespeicherten Nummern nicht im Kopf. Wie abhängig man mittlerweile von diesen Geräten ist!

Ich kam dann pünktlich an und tröstete mich damit, daß ich zu Hause noch eine SIM-Karte habe. Heute beschloss ich dann aber erst mal in einem Handyladen, wo letztes Jahr der Display meines Geräts repariert wurde, nachzufragen, ob wirklich die SIM-Karte das Problem ist. Ich war in zwei Läden und in beiden hat man mir nach eingehender Untersuchung versichert, daß das Handy kaputt ist und eine Reparatur nicht lohnt. Ich habe es erst vor eineinhalb Jahren geschenkt bekommen: ein schönes handliches Tastenhandy von 2009, aber völlig unbenutzt, was alles konnte, was ich von einem Handy will: die Uhrzeit und das Datum anzeigen, mir auf Reisen als Wecker dienen, geeignet zum Telefonieren und SMS-Schreiben. Ich mochte es! Wie schade! Jetzt habe ich ein Smartphone und muss die ganzen Nummern manuell eingeben, weil es nicht möglich war, sie von meinem alten Handy zu übertragen. Und Google nervt mich jetzt schon. Na, ich werde mich langsam eingrooven.

Und weil aller guten Dinge drei sind, hat Lenchen sich heute Morgen auf die Tastatur meines Laptops gesetzt, als ich meine Mails abrufen wollte. Als ich sie hochnahm, blieb sie mit einer Kralle hängen und riss dabei eine der Tasten ab. Ich kroch auf allen Vieren durch mein Wohnzimmer, aber gefunden habe ich sie nicht.

Es gibt aber auch Grund zu Freude: was die Fridays for Future-Bewegung losgetreten hat (in der Süddeutschen gab es einen Aufruf, die jungen Leute zu unterstützen, u. a. unterschrieben vom sehr geschätzen Noam Chomsky) und auch was der YouTuber Rezo an den Start bringt: super! Ich begrüße es sehr, daß sie die Politikercharaktermasken das Fürchten lehren. Eine Mitteilnehmerin aus Österreich zeigte offen ihre Freude am Absturz der Regierung. Ja, es kommt was in Bewegung, das ist toll!

 

Was ist wichtig?

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Am Mittwoch bekam ich eine Anruf von A. Er bot mir einen Schwarm von den Bienen an, die er vor zwei Jahren von mir bekommen hat. Ich sagte das Treffen mit meiner afghanischen Familie ab, holte den Schwarm ab und ließ ihn in den leeren Top Bar Hive einziehen. Jetzt leben wieder zwei Völker in meinem Garten. Ich freue mich sehr und finde es schön, daß sich Kreise immer wieder schließen. Es gibt mittlerweile ein Netz von befreundeten Imker*innen in meiner Umgebung.

Für den Samstag hatte ich ein Mai-Vollmond-Ritual geplant. Eigentlich ist Ritual nicht das richtige Wort: ich wollte ganz formlos an meinen heiligen Platz in der Nähe gehen, einfach nur da sein und der Erde, den Tieren, dem Wind, dem Wasser lauschen. Immer mehr merke ich, daß die Zeit der Rituale in der Form, wie ich sie viele Jahre praktiziert habe, nicht mehr stimmig ist. Nicht für mich jedenfalls. Ich bin ja immer so aktiv und mache sehr viel, weil ich es für wichtig und notwendig halte. Wie wäre es denn, wenn ich einfach gelegentlich nur mit meinen Sinnen da bin und wahrnehme? Vielleicht ergibt sich dann eine Handlung, vielleicht auch nicht. Weiß ich denn, was die Erde von mir wünscht, wenn ich immer nur im Handlungmodus bin? Wohl kaum.

Es kam dann anders: mein Lieblingskollege H. und ich brauchten einen Termin für die Vorbereitung unserer Abschiedsparty aus der Klinik (es ist schon der dritte und keineswegs der letzte – ich hätte nie gedacht, daß so eine große Party soviele Vorbereitungstreffen erfordert). Und da ging für uns und die Frau, die das Catering hauptverantwortlich macht, nur der Samstag. Mein formloses Ritual schrumpfte also auf zwei Stunden. Auf dem Weg sah ich den frisch mit Glyphosat gespritzten Randstreifen unter dem Elektrozaun um die große Schafweide. An meinem Platz zeterte mich ein Star mit insektengefülltem Schnabel an, ein zweiter fiel in das Gezeter mit ein. „Ich komme in friedlicher Absicht“, sagte ich zu beiden, „bitte entschuldigt die Störung.“ Ich setzte mich auf einen umgestürzten Baumstamm und die Stare beruhigten sich. Aber ich konnte keine Ruhe finden. Ich fror und hatte das Bild mit den sterbenden Grasbüscheln vor Augen. Nach einer Weile ging ich. Auf dem Rückweg kam ich an den Schafen vorbei. Da fiel mir auf, daß die Lämmchen lange Schwänze hatten, die Mutterschafe aber nur noch Stummel. Sie wurden also amputiert. Man braucht sich gar nicht über die Australier und Neuseeländer mit ihrem Mulesing (Skalpieren der kompletten Gesäßhaut ohne Betäubung) aufregen, hier in Deutschland wird genau so eine Scheiße gemacht. Zu Hause angekommen fand ich dann, daß jetzt doch eine rituelle Handlung notwendig sei: bei soviel menschengemachtem Elend mussten die nicht-sichtbaren, mehr-als-menschlichen uralten Kräfte des Wandels zu Hilfe gerufen werden. Ich rief also singend, trommelnd und räuchernd Oya, die mich seit etwa 25 Jahren begleitet.

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Heute wollte ich eigentlich nach Hamburg zum De Immen-Treffen fahren. Die Fahrkarte war gekauft, gestern Abend hatte ich für das Mittagsbuffet gekocht. Ich war seit einem Jahr bei keinem Imkertreffen mehr, weil es nie mit meinen Dienstzeiten passte. Ich mag diese Treffen sehr; es gibt da einige Menschen, die ich sehr schätze, und ich liebe den Austausch und die neuen Impulse. Aber als ich gestern mit allem fertig war, war ich so missgestimmt bei dem Gedanken, um 4:00 aufstehen zu müssen und erst gegen 20:00 abends wieder zu Hause zu sein. Ab Montag geht es wieder in die Klinik und frühestens in einer Woche habe ich die Gelegenheit, ohne Wecker aufzustehen und im Aufwachen meinen Träumen nachspüren zu können. Ich hatte bis jetzt zu wenig Zeit, mich um den Garten zu kümmern, alles muss mal wieder schnell schnell gehen.

Plötzlich wusste ich: ich fahre nicht zum De Immen-Treffen. Ich bedauere das, aber es fühlt sich richtiger an, heute mal zu Hause zu bleiben. Und der heutige Tag hat das bestätigt. Ich habe im Garten rumgepusselt und die Sonne genossen, hatte Zeit mit der Katze zu schmusen und zu entdecken, was alles in den Beeten wächst.

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Beunruhigt

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Gestern erlebte ich wieder mal so eine schöne Synchronizität: ich las in der neuen Oya über den Löwenmenschen. Diese Figur ist ungefähr 40.000 Jahre alt und wurde aus einem Mammutstoßzahn geschnitzt. Als ich dann abends zum Nachtdienst fuhr und das Radio einschaltete, musste ich laut lachen: es gab eine Sendung über die Venus vom Hohle Fels, die vor rund 10 Jahren ganz in der Nähe des Löwenmenschen in der Schwäbischen Alb gefunden wurde und auch aus Mammutelfenbein ist und in etwa sein Alter hat.

Die Oya macht mir wieder viel Freude. Es ist so schön, daß es diese Menschen gibt, denen ich mich geistesverwandt fühle und von denen immer wieder gute Impulse kommen. Daß ihr Motto dieses Mal „Unter Leuten“ heißt, hat mit Donna Haraway zu tun, deren Gedanken sich wie ein roter Faden durch das Heft ziehen. In ihrem Buch Unruhig bleiben nennt Lebewesen „Leute“, zumindest in der deutschen Übersetzung. Oft spricht sie auch stattdessen von Krittern. Witzigerweise hat meine Tochter schon vor Jahren, lange bevor wir beide etwas von Donna Haraway wussten, nichtmenschliche Wesen als Leute  bezeichnet, z. B. Vögel und Insekten oder auch die bitteren Pflanzen, aus denen sie sich gern Tee zubereitet. Dadurch werden Menschen aus ihrer angeblichen Exklusivität herausgenommen und an ihren Platz inmitten des Gewebes des Lebens gesetzt.

Andere Leute machen sich dieses Jahr rar. Von den neun Schwalbennestern in den beiden Schuppen auf meinem Grundstück ist nur eins besetzt. Im letzten Jahr gab es noch viel mehr Rauchschwalben. Ich habe seit Jahren keine Kiebitze mehr gesehen. Und gibt es überhaupt noch Lerchen? Ich habe schon lange keine mehr jubelnd aus einer Wiese aufsteigen sehen und hören. Das macht mich traurig und beunruhigt mich. Da bin ich dann auch schon wieder bei Donna Haraway. Der Titel ihres Buches heißt ja Unruhig bleiben, im Sinne von beunruhigt sein und sich durch diese Beunruhigung zu Konsequenzen bringen zu lassen. Im englischen Original heißt er Staying with the trouble, die wörtliche Übersetzung Bei den Schwierigkeiten bleiben wäre unklarer. Ich verstehe das so: wir leben mitten in der Phase des großen menschengemachten Aussterbens, the great extinction. Und es scheint wichtig zu sein, davor nicht die Augen zuzumachen, auch wenn es wehtut. Ich bin Zeugin des Sterbens, ich kann nicht wie meine Vorfahren nach dem Zusammenbruch der Naziherrschaft sagen: „Ich habe nichts gewusst.“ Es scheint wichtig zu sein, die Erinnerung wachzuhalten an Zeiten, als es noch Lerchen und bunt blühende Wiesen gab.

Auf dem Heimweg heute Morgen hörte ich die Nachricht von dem neuen Prozess in den USA, in dem Monsanto zu einem Millionen-Dollar-Schadensersatz verurteilt wurde, weil ihr Glyphosat bei einem Ehepaar Non-Hodgkin-Lymphome verursacht hat. Da habe ich mich sehr gefreut. Nur zu, weiter so! Eure Zeit ist abgelaufen.

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Können Männer Feministen sein?

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Vor einigen Tagen habe ich einen Vortrag vom Islamwissenschaftler Jens Leutloff in Schellhorn gehört, Thema „Frauen im Islam“. Ich war vorher ziemlich skeptisch, ob ein Mann die Kompetenz haben kann, über dieses Thema zu referieren. Danach war ich es nicht mehr.

Jens Leutloff spricht nicht nur fließend Arabisch und ist in der Lage, die verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten des Koran zu erklären, er hat auch Jahre in verschiedenen arabischen Ländern gelebt. Durch ihn habe ich also erfahren, daß die Unterdrückung und Misshandlung von Frauen nichts mit dem Koran zu tun hat und daß es eine starke feministische Bewegung unter muslimischen Frauen gibt. Am schlimmsten haben es Frauen wohl in Afghanistan getroffen, vor allem, wenn sie zur Ethnie der Paschtunen gehören. Dort werden sie als gleichrangig mit Vieh gewertet und genau so behandelt. Ich erfuhr auch, daß die überwiegende Mehrheit der ägyptischen Frauen beschnitten und somit ihrer vollen sexuellen Erlebnisfähigkeit beraubt ist. Jens Leutloff scheint kein religiöser Mensch zu sein (wenn ich das richtig mitgekriegt habe), aber er sagte bemerkenswerterweise, daß in seinen Augen Frauen besonders gewürdigt werden müssten, da sie doch eng mit dem Mysterium des Lebens verknüpft sind. Solche tiefgehende Einsicht aus dem Munde eines Mannes, da kann ich nur sagen: Alle Achtung! Er sagte auch, daß er durch seine Erfahrungen in den arabischen Ländern zum glühenden Feministen geworden ist. Das habe ich ihm glatt geglaubt

Es ging auch um das Kopftuch. Nicht wenige Menschen aus unserem christlich geprägten Kulturkreis sehen im Kopftuch muslimischer Frauen ein Zeichen von Frauenunterdrückung. Hinter dieser Haltung steckt meines Erachtens eine große Überheblichkeit gegenüber einer anderen Kultur. Ich sehe es so: die Frauen können nur selbst entscheiden, ob und warum sie ein Kopftuch tragen. Es gibt sehr freie muslimische Frauen mit Kopftuch. Und wie und wann Frauen aus anderen Kulturkreisen ihre Befreiung vom Patriarchat gestalten ist ganz und gar allein ihre Sache. Ein islamischer Feminismus hat sicher ganz andere Formen als unserer. Das ist doch spannend, da können wir uns gegenseitig bereichern.

Passend zum Thema hat mich meine Tochter neulich mit Jilet Ayse bekannt gemacht: die macht richtig geile Satire und bringt die ganzen deutschen Vorurteile so auf den Punkt, daß einer die Spucke wegbleibt. Ich habe sie jedenfalls in mein Herz geschlossen. Unbedingt ansehen: #Projektion auf Youtube.

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In der neuen Oya ist ein Text von Donna Haraway aus ihrem Buch Unruhig bleiben abgedruckt. Sie wird dort übrigens als Trickster bezeichnet. Sehr zutreffend. Als ich im letzten Jahr ihr Buch las, brauchte ich eine Weile, bis ich mich an ihre eigenwillige Ausdrucksweise gewöhnt hatte (und muss an dieser Stelle noch mal der Übersetzerin meine Bewunderung aussprechen), aber genau diese Art zu sprechen öffnet neue Denkwege. Unbedingt empfehlenswert!

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Neulich kam ich mit einer ehemaligen Hebamme ins Gespräch. Es ging um den ungezügelten Aktionismus des Gesundheitsministers Spahn: er will alle zu Organspendern machen, die nicht widersprechen und die Masernimpfung zur Pflicht machen, notfalls unter Androhung von hohen Bußgeldern. Alles natürlich zum Wohle des Volkes. Er weiß, was gut für uns ist. Das ist genau die Art von Zwangsbeglückung, auf die ich gut verzichten kann.

Man konnte in den letzten Wochen gut verfolgen, wie solche Kampagnen vorbereitet werden. Alle bekannten Medien haben mitgemacht: es wurde fast täglich von neuen Masernausbrüchen berichtet. Es wurde immer wieder betont, wie gefährlich Masern sind und wie egoistisch, ideologisch verblendet und verantwortungslos gegenüber immungeschwächten Menschen sich Eltern verhalten, die ihre Kinder nicht impfen lassen. Wenn sowas jeden Tag in der Zeitung steht und im Radio alle halbe Stunde in den Nachrichten kommt, fangen irgendwann immer mehr Leute an, das zu glauben. Daß es heute keine unabhängige Forschung mehr gibt, daß Pharmafirmen Ärzt*innen in Pharmakologie fortbilden, daß ebendiese Firmen mit Medikamenten keinen Reibach mehr machen können, wohl aber mit Impfstoffen – all das wird nicht erzählt. Diejenigen, die sich gegen Zwangsimpfungen aussprechen, setzen sich mittlerweile einem gewaltigen Shitstorm aus. Kein Mensch weiß wirklich, was Impfungen im Immunsystem anrichten. Es gab mal die Vermutung, daß die rasant ansteigende Heuschnupfenrate und die Einführung der Masernimpfungen zusammenfielen. Zufall oder nicht, ich weiß es nicht. Aber diese Dinge werden nicht weiter untersucht. Wir können nicht wissen, wie sich unsere Eingriffe im Gewebe des Lebens auswirken. Sie wirken nicht linear, das steht fest, aber alles Weitere entzieht sich unserem intellektuellen Fassungsvermögen. Aber wir können mittlerweile wissen, daß jeder Eingriff ungeahnte Folgen auf das Große Ganze hat.

Ich habe wie fast alle Kinder meiner Generation Masern durchgemacht, meine Kinder ebenso (meinen Sohn habe ich impfen lassen, weil ich damals noch an die Schulmedizin glaubte; er hat dann aber doch Masern bekommen): Ich kenne keine Person in meinem Umkreis, die durch Kinderkrankheiten nachhaltig geschädigt wurde.

Wenn Herr Spahn sich wirklich solche Sorgen um unser aller Gesundheit macht, könnte er sich bei unserer Landwirtschaftsministerin Klöckner energisch für das Verbot aller Ackergifte einsetzen. Die sind nämlich mittlerweile überall, habe ich heute gelesen: im Boden, in der Luft, im Wasser – es gibt keine unbelasteten Bereiche mehr.

 

 

Homo sapiens

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Nordergraben in Flensburg

M. und ich trafen uns in Hohwacht zu Kaffee und Kuchen auf der Terasse eines Hotels mit Blick auf die Ostsee. Anschließend gingen wir in ihrem Hauswald am Binnensee spazieren und hatten ein sehr schönes, inspirierendes Gespräch.

Beim Lesen von Charles Eisensteins Climate (ich vertrage das Buch immer nur in kleinen Dosen) fühlte ich mich ertappt: er erwähnt die Menschen, die der Meinung sind, daß die Erde sich schon erholen wird, wenn die Menschheit erstmal verschwindet bzw. sich selbst vernichtet hat. Auch ich habe mich das eine oder andere Mal derart geäußert. Dem liegt ein gewisser Zynismus zu Grunde, der eine verständlicherweise beschleichen kann angesichts der ungeheuren Destruktivität der menschlichen Gattung. Der drückt sich auch in dem alten Witz aus: Treffen sich zwei Planeten. Fragt der eine den anderen: „Wie geht es dir?“ Antwortet der andere Planet: „Schlecht! Ich habe Homo sapiens.“ Sagt der erste: „Ach, das geht vorüber.“

Charles Eisenstein hält dagegen: Wenn wir davon ausgehen, daß die Erde ein lebender Organismus mit eigener Intelligenz ist und alles, was auf ihr lebt, eine Funktion erfüllt als Organe und Zellen ihres Körpers, dann hat sie auch die menschliche Gattung für eine  Aufgabe hervorgebracht. Wenn sie jetzt von dieser Planetin verschwände, verschwände damit ein Organ.

Er hat Recht. Natürlich ist es leicht, tagtäglich zu sehen, welchen grandiosen Mist Menschen fabrizieren. Heute hörte ich z. B. im Radio, das man Quallen aus der Ostsee fangen und als Düngemittel auf die Felder bringen will. Da wird mir schon schlecht beim Zuhören. Leute, Quallen sind Lebewesen, die fühlen! Aber ich kann auch meinen Blick auf das Tolle richten, was Menschen Tag für Tag schaffen. Und das ist viel, sehr viel sogar. Es gibt so viele Menschen, die das Lebendige lieben und ihm dienen. Über die vielen wunderbaren Projekte, die es auf der ganzen Erde gibt, wird in den Mainstreammedien kaum berichtet.

Und all das, was derzeit dazu führt, daß es immer schlechter und schlechter ums Klima und die Erde bestellt ist, ist doch ein unzulänglicher Ersatz für das, was uns verloren gegangen ist: die Verbindung zur Natur. All die Smartphones mit ihren tausend Apps, die Autos (ja, auch die E-Autos), die ganzen neuen Technologien, die Modeindustrie, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, sind Surrogate. Wir sind seit Jahrtausenden entwurzelt, getrennt unserer inneren und äußeren Natur, schwerstens traumatisiert durch unsere Kultur, die auf fortgesetzter Gewalt beruht (ja, auch und gerade im globalen Norden: wir erleben hier eine subtile, quasi unsichtbare Gewalt, die unter anderem darin besteht, daß Hundertausende eine Arbeit verrichten, die sie nicht mögen) und tief in uns ist immer noch die Sehnsucht nach der alten Verbindung zur Erde, zum Grün der Wälder, zu den blühenden Wiesen, dem Gesang der Lerchen, der Freundschaft der Tiere. Und diese Sehnsucht ist tief in uns verborgen und drückt sich vielleicht als Depression, als Sucht, als Gefühl von Sinnlosigkeit aus. Keine virtuelle Realität kann sie heilen, kein Pseudokontakt über WhatsApp, Facebook und wie sie alle heißen, kann uns Erfüllung bringen.

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Morgen gehe ich zu einer Konfirmation, zu der ich eingeladen worden bin. Bis zu meiner eigenen Konfirmation war ich sehr gläubig. Ich mochte die Gottesdienste, ich lebte die christliche Religion mit großer Ernsthaftigkeit. Nach der Konfirmation bin ich vom Glauben abgefallen –  oder der Glaube von mir. Das passierte einfach ohne einen konkreten Anlass: ich konnte nicht mehr an Gott glauben. Zunächst war da eine große Leere in meinem Leben. Nach einiger Zeit füllte mein Interesse an den radikalen linken Ideen der Außerparlamentarischen Opposition die Leere und ich widmete mich diesem neuen Denken und Handeln mit genauso großer Hingabe wie davor der christlichen Religion.

Mit der spirituellen Frauenbewegung in den 80er Jahren kam eine andere Religion in mein Leben. Gerlinde Schilcher alias Judith Jannberg gab dafür die Initialzündung mit ihrem Buch Ich bin eine Hexe. Sie benutzte den Begriff Religion im Sinne von Rückbindung an die Erde, an die Göttin. Ich bin ihr dankbar für diesen sehr wichtigen Impuls, benutze aber das Wort Religion nicht mehr für mich. Ich habe erlebt, daß von dem Moment an, in dem die Lebensenergie sich wieder frei in mir zu bewegen anfing, an dem ich vielleicht das erste Mal in meinem Leben wieder diesen freien Fluss spüren konnte, der doch eigentlich unser Geburtsrecht ist, ich die Verbindung fühlen konnte. Da brauchte es keine Vermittler, keine Pfarrer, keinen Guru. Die Einsicht, daß die Erde, das Universum lebendige Wesenheiten sind und das Wasser, die Luft, das Feuer, die Steine, die Pflanzen, die Tiere, alles, alles lebendig ist und eine Funktion in diesem großen Erdenkörper, in diesem gigantischen All hat, kam vor über 25 Jahren als eine plötzliche Gewissheit, die sich bis heute nicht abgeschwächt hat. In meinem Universum gibt es keine Götter und Göttinnen; wohl aber schöpferische Kräfte, deren Aufgabe es ist, zusammenzuwirken. Eine dieser Kräfte ist die Menschheit. Ich bin übrigens auch sicher, daß es unsichtbare Kräfte gibt, die eine Rolle spielen und daß wir uns an sie wenden und sie rufen können. Und ebenso gibt es Energien, die wir verlernt haben, wahrzunehmen. Ich werde nie vergessen, wie mir mein verstorbener Freund Jans vor vielen Jahren seinen selbstgebauten Orgonakkumulator zeigte (nicht den großen, in den man sich setzen kann, sondern einen kleinen, der gezielt am Körper eingesetzt werden kann). Ich sah eine durchsichtige wabernde Substanz, die Rauch ähnelte, aus ihm herausströmen. Ein anderes Mal zeigte er mir, wie ich das weiß funkelnde Energiefeld meiner Hand auf einem dunklen Kissen sehen konnte.

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