Warmes Gefühl

Heute fuhr ich ans Meer und machte dort einen langen Gang. Der Sturm, der kürzlich aus dem Osten kam, hat die Küstenlinie neu geformt: ich konnte die Gewalt des anflutenden Wassers angesichts der Spuren ahnen. An einer Stelle waren Ziegelsteine und Betonteile an der Abruchkante zu sehen, offensichtlich von Menschen angeordnet. Hier hat vielleicht mal ein Stall oder Ähnliches gestanden. Das Meer nimmt sich Jahr für Jahr Land zurück und erinnert uns so daran, daß nichts ewig besteht, daß alles dem Fluss von Werden und Vergehen folgt. An einigen Stellen, wo vor ein paar Jahren der Strand neu gestaltet wurde, hat die Flut die großen Steine verschoben und den groben Kies über die deichartige Aufschüttung auf den Acker geworfen. Jetzt werden die Stellen frei, wo man den Boden mit dickem Vlies bedeckt hat, vielleicht um unerwünschten Bewuchs zu unterbinden. Das Vlies ist nun zerrissen und zur Seite geweht, zu Zivilisationsmüll geworden.

Als ich wieder bei meinem Auto war, fand ich hinter dem Scheibenwischer einen Zettel, auf dem ein Mann seinen Wunsch äußerte mal mit mir zusammen am Strand spazieren zu gehen. Unterschrieben und mit seiner Handynummer versehen. Nun bin ich in einem Alter, wo mich diese Art von Kontaktaufnahme ziemlich überrascht. Auf dem Rückweg fühlte ich tief in mich hinein, ob ich den Unbekannten per SMS mal fragen sollte, wer er eigentlich sei. Denn ich hatte bei meiner Ankunft nur einen Mann auf dem Parkplatz gesehen, weißhaarig und dickbäuchig. Kurz hatte ich gedacht, es könne ein Mann sein, den ich kenne. Die SMS verwarf ich schnell – dann hätte er meine Handynummer – und es zog mich nichts zu einem gemeinsamen Spaziergang. Erstaunt bin ich aber immer noch: der Mann auf dem Parkplatz kann nicht viel von mir erkannt haben, denn ich war warm eingepackt und hatte mir mein weißes Wolltuch so um den Kopf gebunden, daß nur mein Gesicht und mein Haaransatz zu sehen waren.

Als ich am letzten Mittwochabend durch die Dunkelheit nach Hause fuhr, sah ich von Weitem an der B 202 blinkende gelbe Lichter und eine Rauchsäule. Im Näherkommen erkannte ich sehr viele Trecker, die ordentlich aufgereiht auf einem Feld standen. In der Mitte brannte ein großes Lagerfeuer. Es war eine Szene des Friedens. Ich fühlte eine große Wärme in meinem Inneren. Ich weiß nicht, wohin die Proteste führen, die mittlerweile viel mehr sind als Bauernproteste. In der Gemeinde Süderbrarup haben sich sämtliche Bürgermeister per offenem Brief hinter die Bauern gestellt. Ich habe Bilder aus Lübeck gesehen, wo Passanten den Treckern zuwinkten. Das sind ermutigende Zeichen. Meine Vision ist, daß immer mehr Menschen aufwachen und nach Lebensformen suchen, mit denen sie unabhängig vom Staat und dessen Subventionen werden und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen. Denn kein Guru, kein Wissenschaftler, keine Partei wird uns retten. Es gibt niemanden, dem wir folgen können. Nur unserem eigenen Herzen und einer Ahnung, daß wir nicht auf die Erde gekommen sind, um beherrscht zu werden. Und zur Erinnerung: Die Bauernkriege haben vor 500 Jahren begonnen.

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