Bauernproteste

Um Missverständnissen vorzubeugen: ich habe weder etwas für Glyphosat spritzende Bauern noch für Massentierhaltung noch den Bauernverband übrig. Und schon gar nicht für die Agrarlobby. Aber von den Maßnahmen der Regierung sind auch Biobauern betroffen. Die haben in der letzten Zeit dank Inflation einen noch viel schwereren Stand als vorher. Ich bin mit Bauern befreundet, die in der Nähe einen Biolandhof mit Milchkühen betreiben; mittlerweile ist der Hof in der Hand des Jungbauern und eines Kompagnons. Und ich habe erlebt, wie ein Demeterhof seinen Marktstand in Kiel aufgeben musste, weil die Absätze in den letzten zwei Jahren so zurückgegangen sind, daß er Verluste gemacht hat. Auch mein Gemüsebauer in Kiel hat erhebliche Probleme, weil ihm ein großer Teil der Kundschaft wegen der ständig steigenden Preise wegbleibt. Wenn ich also heute lese, daß eine Frau, deren Bücher ich früher gern gelesen habe, in ihrem Blog sich nicht nur verächtlich über die Bauernproteste äußert sondern auch noch dazu aufruft, nur Bio zu kaufen, muss ich dazu folgendes sagen: als normalverdienende Einzelperson kann man sich Bio leisten. Als Familie mit einem oder mehr Kindern wird es schon schwieriger. Als Mensch, der von Grundsicherung lebt, wird es weitgehend unmöglich. Da bleiben dann nur noch Discounter. Die bieten zwar auch Bio an, aber das ist dann nicht zu vergleichen mit Sachen vom Markt oder aus dem Bioladen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes Bio für Arme. Ich weiß das, weil ich selbst mal, obwohl voll berufstätig, jeden Monat knapp bei Kasse war, denn als Alleinerziehende musste ich außer Miete auch noch Kinderbetreuungskosten aufbringen.

Beim Bauernprotest entlädt sich eine große allgemeine Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik. Es sind ja nicht nur die Bauern, die mit ihren Treckern auf die Straße gehen. Betroffen von den Maßnahmen einer Regierung, die meilenweit vom Volk entfernt agiert, die zudem teilweise wie auch das Gros der Bundestagsabgeordneten aus Menschen besteht, die nie im Leben einen richtigen Beruf erlernt geschweige denn ausgeübt haben, sind auch die Gastronomen und andere Berufsgruppen. Man merkt es an den stark angehobenen Preisen: nach Weihnachten war ich mit meiner Tochter und meinem Schwiegersohn in Kiel Kaffee trinken: 5,60 Euro für einen Milchkaffee. Wer kann sich sowas leisten? Die Gastronomen sind aber gezwungen, die drastische Erhöhung der Mehrwertsteuer 1:1 auf ihre Gäste umlegen.

Übrigens steht nach meiner Einschätzung ein großer Teil den Protesten wohlwollend gegenüber. Möglicherweise wird immer mehr Menschen in Deutschland (dem besten Deutschland aller Zeiten, nach den Worten unseres Bundespräsidenten. Ha ha!) klar, daß es da ein paar krasse Ungereimtheiten gibt: die Regierung muss sparen, wird gesagt. Aber die Liste der Ausgaben, die sie in allen möglichen Ländern in neokolonialistischer Weise tätigt, ist sehr lang. Ich nenne nur zwei Beispiele von vielen: die BRD finanziert eine mRNA-„Impfstoff“fabrik in Ruanda und sie schickt Waffen in die Ukraine. Aber für die absolut notwendige Sanierung der Deutschen Bahn gibts kein Geld. Das besonders Empörende daran ist, daß dieses Geld von unseren Steuern stammt. Nun ist das nichts Neues, sondern die Logik von Herrschaft. Aber neu ist, daß es immer mehr ins Auge springt. Das macht mir ein wenig Hoffnung, nachdem ich in den letzten drei Jahren den düsteren Eindruck gehabt, daß ein Großteil der  Deutschen ganz ihrem Ruf gerecht werden, obrigkeitshörig ( und mittlerweile auch wissenschaftshörig) zu sein, statt mal die eigenen Gehirnzellen zu benutzen.

Heute war ich mit dem Auto unterwegs und sah am Straßenrand Anzeichen des Protests: aufeinandergestapelte Heuballen mit Aufschriften wie „Mittelstand stärken“ und „Dialog statt Willkür“. Vor einem Restaurant dann Schilder, auf denen „7% bleibt“ und „Die Ampel muss weg“ stand. Ich sah rot-weiße Flatterbänder als Zeichen der Solidarität und habe mir jetzt auch welche am Auto angebracht.

Wir leben in einer Zeit des Zusammenbruchs. Das ist sehr ungemütlich. Aber dieses System ist nicht zu reformieren. Und manchmal, wenn es mir Herz und Magen zusammenzieht angesichts der Grausamkeiten und der zunehmenden Naturzerstörung um mich herum, muss ich mich erinnern, daß ich mir genau diese Zeit ausgesucht habe, um mich zu inkarnieren. Also gibt es eine Aufgabe zu erfüllen. Ich stehe nicht allein und das gibt mir Mut.

Übrigens passt Professor Reiner Mausfelds neues Buch „Hybris und Nemesis“ dazu: Wir erleben heute beides: die Hybris (Größenwahn) und die Nemesis (den gerechten Zorn). Welt-Herausgeber Stefan Aust erklärt in einem sehr aufschlussreichen Interview auf welt.de, warum die Befreiung von der KFZ-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge keine Subventionen sind.

 

 

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