Gutes Leben

Nach ein paar klaren frostigen Tagen ist es heute wieder grau und feucht-kalt. In der Nacht hat es auch wieder geschneit. Dick vermummt ging ich nach Selent. Gehen, Holzhacken und Yoga gehören zu meinem täglichen Bewegungsrepertoire. Nach meiner Erfahrung gehört körperliche Bewegung, durchaus auch anstrengende, und tiefes Atmen zusammen mit angenehmen Kontakten und gutem Essen zu den effektivsten Mitteln, um seelisch in der Mitte zu bleiben. Mir geht es also richtig gut. Das Einzige, was mir allmählich fehlt, ist meine liebe Friseurin.

Mittlerweile habe ich es geschafft, das ganze Kongo-Tribunal anzusehen. Es ja ein fiktives Tribunal, aber mit ganz realen Betroffenen. Nachdem es öffentlich wurde, haben immerhin zwei Minister im Kongo ihren Job verloren: der Minenminister und der Innenminister, der sich nicht in der Lage sah, die Polizei an den Ort eines Massakers zu schicken, „weil Nacht war“, so seine Begründung. Diese Aussage führte übrigens unter seinen Zuhörern zu deutlicher Erheiterung. Der vorsitzende Richter des Tribunals, der Belgier Jean-Louis Gilissen, Mitbegründer des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag, wurde gefragt, warum er am Kongo-Tribunal teilnimmt. Ich finde seine Antwort so bemerkenswert, daß ich sie hier gern zitiere: „Es ist eine Frage des Engagements. Man muss sich für etwas einsetzen. Sonst dreht sich alles um das eigene kleine Leben… Heiraten, Kinder kriegen, Geld verdienen. Und man sagt sich, alles ist in Ordnung. Man weiß, es ist nicht genug. Bei allem, was in der Welt passiert, ist das nicht ausreichend. Für wen halte ich mich, das zu akzeptieren.“

Er hat mir zutiefst aus dem Herzen gesprochen. Ein Engagement über das „eigene kleine Leben“ hinaus sehe ich als Bestandteil eines guten Lebens. Für mich gehört solch ein Engagement auch unbedingt zu Spiritualität dazu. Eine Spiritualität, die sich als Rückzug von den Dingen des täglichen Lebens versteht, kann nicht meine sein. Wobei ich gelegentlichen Rückzug absolut lebensnotwendig finde: um zu mir selbst zu kommen, um meinen Geist frei und weit werden zu lassen, um auf diese Weise Raum für etwas Neues zu schaffen. Die Intutition, die innere Stimme, wird durch Stille genährt. So ist es jedenfalls für mich.

Die Debatte um den geleakten BKA-Bericht (siehe letzter Post) geht weiter:

https://www.nordkurier.de/politik-und-wirtschaft/der-nordkurier-erscheint-weiter-ohne-haltungs-disclaimer-3142267001.html

Ich finde es richtig gut und mutig, daß Nordkurier ganz bewusst auf Haftungsdisclaimer verzichtet, während man ja mittlerweile in den sozialen Medien, z. B. auf Youtube, die obligatorischen und besserwisserischen Disclaimer findet, sobald in irgendeiner Weise kritisch über alles, was mit Corona zu tun hat, berichtet wird. Das erinnert mich an meine Schulzeit in den 60er Jahren: in der Schule und auch sonst in der Öffentlichkeit wurde immer von der „Ostzone“ oder der „sowjetischen Besatzungszone“ bzw. „SBZ“ geredet. Die korrekte Bezeichnung für den anderen deutschen Staat wäre DDR gewesen, aber der Begriff war ein No go, allenfalls durfte noch „die sogenannte deutsche demokratische Republik“ gesagt werden. Es ist immer wieder das gleiche Phänomen: man sieht bei Anderen wie unter dem Vergrößerungsglas, was man bei sich selbst nicht sehen kann. Oder anders gesagt: was ich Anderen vorwerfe, mache ich mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst. Oder noch prägnanter: wenn ich auf Andere mit dem Finger zeige, zeigen drei Finger auf mich zurück.

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