Holles Garten Blog

Hindernisbereiterin

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Von Ute Schiran kenne ich die Hindernisbereiterin. Die ist in etwa vergleichbar mit  Tricksterfiguren wie Coyote bei den amerikanischen First Nations oder Loki in der germanischen Mythologie, also einer Gestalt, die Personen Steine in den Weg legt und sie so dazu zwingt, ihre gewohnten Routinen zu verlassen. Mit der habe ich im Moment viel zu tun.

Meine Mutter liegt immer noch im Krankenhaus. Sie soll nächste Woche in die Reha. Ständig bekomme ich Anrufe von irgendeiner Sozialarbeiterin (die wechseln laufend Zuständigkeiten), die mich auffordert, die Krankenversicherung zu kontaktieren und Beihilfenummern herauszufinden. Da meine Mutter solche Sachen immer meinem Vater überlassen hat, ist ihre Mithilfe in dieser Angelegenheit äußerst begrenzt. Und so telefonieren mein Bruder und ich in fairer Arbeitsteilung: ich bin für den Kontakt mit den Sozialarbeiterinnen zuständig, er für die Telefonate mit der Krankenversicherung und dem nordrhein-westfälischen Landesamt für Besoldung und Versorgung. Dann stellt sich plötzlich heraus, daß Anträge, die eigentlich schon vor zwei Wochen raussollten, noch nicht eingetroffen sind. Ohne Anträge gibt’s aber keine Reha. Oder eine Sozialarbeiterin setzt mich unter Druck und sagt, daß es Aufgabe der Angehörigen sei, sich um solche Sachen zu kümmern. Wir tun, was wir können, aber irgendwie scheint es nicht genug zu sein. Wir sind ja auch ziemlich ahnungslos und haben beide kein Studium der sozialen Arbeit absolviert. Meine Psychiatrieschwesternqualifikation nützt mir allerdings doch ein wenig: ich bleibe bei den Telefonaten ruhig und höflich, statt wütend in den Hörer zu bellen, ich verkneife mir Vorwürfe und dokumentiere jedes Gespräch. Sicher ist sicher. Ich frage mich, wie das Menschen regeln, die gar keine Angehörigen haben. Die haben wahrscheinlich keine Chance auf eine Reha.IMG_1933

Öfter mal in den Himmel schauen, aah!

Am Wochenende war meine persönliche Hindernisbereiterin auch aktiv: ich wollte mich in Bad Segeberg mit einer Frau aus meinem Imkerverein treffen, um mit ihr zum 30jährigen Jubiläum von De Immen in die Lüneburger Heide zu fahren. Nachdem ich mehr als eine halbe Stunde auf sie an dem verabredeten Ort gewartet hatte und auf meine SMS und Anrufe keine Reaktion erfolgte, war ich so genervt, daß ich kurz mit dem Gedanken spielte, wieder nach Hause zu fahren. Das tat ich dann glücklicherweise nicht, sondern machte mich allein auf die Weiterfahrt. Ich hatte im Radio von einem schweren Busunfall gehört, weshalb die A1 voll gesperrt war. Also nahm ich die Landstraße Richtung Hamburg und fuhr in Schnelsen auf die A7. Ich kam problemlos an meinem Ziel an. Die arme F. aber, die mich ja eigentlich mitnehmen wollte, kam zwei Stunden später. Sie hatte kein Radio gehört, und ihr Navi hatte sie nicht vor dem Stau auf der A1 bewahrt. Wie gut, daß ich einen Autoatlas habe und Karten lesen kann. Als sie dann endlich ankam, deckten wir das Missverständnis wegen des Treffpunktes auf und fanden heraus, daß ich die falsche Handynummer hatte.

Das Wochenende wurde dann recht schön. Wir tagten im Haus Schnede, das von Sufis betrieben wird. Ich traf Menschen wieder, die ich sehr gern habe, hatte schöne Kontakte, erfuhr Neues und Nachdenkenswertes. Samstagabend trat die Schauspielerin Barbara Geiger alias Fräulein Brehm auf und belehrte uns auf unbeschreibliche Art über die Wildbienen. Die Frau ist toll, ich empfehle sie ausdrücklich weiter:  http://brehms-tierleben.com/ Später wurde getanzt, gesungen und ganz viel gelacht.

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Ich hatte am Abend auch noch eine Auseinandersetzung mit einer Frau wegen ihrer Behauptung, daß der Mensch quasi über der Natur steht und für deren „Verfeinerung“ zuständig ist. Da musste ich vehement widersprechen und ihr meinerseits mein Weltbild vom großen Organismus entgegenhalten, in dem alle Arten eine wichtige Rolle spielen und Hierarchien keinen Sinn machen. Wir wurden uns natürlich nicht einig. Ich fragte sie, ob sie Anthroposophin sei. Ja klar, war sie. Ich fand ja Rudolf Steiner mal gut. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob sie seine Denke wiedergab. Wir beendeten das Gespräch, nachdem sie die Kunst als Beleg für die geistige Überlegenheit des Menschen angeführt hatte und ich dagegen hielt, daß die Natur in meinen Augen die größte Künstlerin sei. Nach dem Gespräch war ich kurzfristig schlecht gelaunt. Wahrscheinlich sollte ich mir abgewöhnen, auf solche Äußerungen so allergisch zu reagieren. Aber ich glaube einfach, daß diese Art zu denken (Menschen sind etwas Besonderes) uns und andere Arten dahin gebracht hat, wo wir jetzt sind: am Abgrund.

Am Sonntagmorgen erzählte uns einer der Betreiber von Haus Schnede von dessen Geschichte und seinem Sufiorden. Er machte auch eine Art Mantrameditation mit uns, die mir sehr gut gefiel, weil sie tatsächlich eine körperliche Resonanz im Herzen hervorrief. Etwas am Sufismus fasziniert mich, wobei es da ja auch verschiedene Strömungen gibt, aber er ist nicht mein Weg. Es entspricht mir einfach nicht, einem Lehrer oder einer Lehrerin vorbehaltlos zu folgen. Ich habe es an anderer Stelle ja schon ausgeführt. Ich bin da eher die Biene, die mal an dieser und an jener Blüte nascht und daraus ihren ganz eigenen Honig macht.

Nachmittags fuhr ich bei schönstem Sonnenwetter auf einer erstaunlich leeren A7 nach Hause und hörte auf DLF eine Sendung über die mir bis dahin unbekannte US-Band DIIV, die ein wenig an Sonic Youth erinnert. Die habe ich in den 90ern gern gehört. DIIV hat etwa Düsteres, aber ich mag ja düstere Musik. Wen es interessiert: das Stück Blankenship befasst sich mit dem Klimawandel und findet sich auf YouTube.

Nachhaltig?

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Im Blog von Werner (ich freue mich, Werner, daß dir mein letzter Post gefallen hat!) habe ich die Kopie eines Leserbriefs aus der österreichischen Kronenzeitung gefunden, die sich kritisch mit Fridays for Future auseinandersetzt: www.traumlounge.wordpress.com vom 3.10.2019 (ist die Kronenzeitung nicht das österreichische Pendant zur Bildzeitung?). Der Schreiber fühlt sich offensichtlich persönlich angegriffen und erzählt, wie er unter einfachsten Verhältnissen in den 50er Jahren klimafreundlich gelebt hat, einfach weil seine Familie arm war. Dann konfrontiert er die heutigen Jugendlichen mit ihrem verschwenderischen Lebensstil.

Für einen ganz kurzen Moment habe ich gedacht: Ja! Aber im nächsten Moment habe ich den Denkfehler der Argumentation gefunden: Ich bin drei Jahre nach dem Leserbriefschreiber geboren, also acht Jahre nach dem Kriegsende. Bis zum Beginn meiner Schulzeit hatten wir weder Waschmaschine noch Kühlschrank, kein Telefon und kein Auto, dafür aber wie alle Haushalte eine Speisekammer, es gab keine elektrischen Küchengeräte, keinen Fernseher (den gab es auch später nicht, aus prinzipiellen Erwägungen meiner Eltern). Abends wurden Gesellschaftsspiele gespielt oder wir haben gelesen, gemalt, gebastelt, Geschichten erzählt, genäht, gestrickt, gehäkelt. Die Klamotten von meinem Bruder und mir wurden von meiner Oma und meiner Mutter genäht und gestrickt. Kaputte Kleidung wurde geflickt, Socken wurden gestopft (was ich auch jetzt noch mache, jedenfalls bei selbstgestrickten Socken). Wir haben ab und zu gebadet, ansonsten war jeden Tag Waschen am Waschbecken mit kaltem Wasser angesagt (damit habe ich seit dem Survivaltraining 1993 in Schweden wieder angefangen. Ich dusche nur noch alle vier Tage, dann natürlich warm). Milch wurde in einer Milchkanne aus Blech vom Milchladen geholt, da gab es auch Quark, der hieß Schichtkäse und wurde in Papier gewickelt. Fleisch und Fisch gab es nicht täglich, Lebensmittel holte meine Mutter aus der Markthalle in Hannover, alles konnte man lose kaufen. Man nahm halt Taschen und Einkaufsnetze mit. Es gab keine in Plastik verpackten Sachen. Das meiste kam aus der Region, nur im Winter wurden Orangen und Bananen angeboten. Soweit so nachhaltig (ich finde ja das durch die Oya kreierte Wort „enkeltauglich“ besser). Aber wir haben, wie wahrscheinlich die allermeisten Haushalte mit Kohle geheizt.  Ich nehme an, daß das auch beim Leserbriefschreiber so war. Damals war das Ruhrgebiet, wo die Kohlen herkamen, eine legendär versmogte Region in Westdeutschland. Die Luft war so dreckig, daß im Winter eine schwarze Schicht auf dem Schnee lag, wie man mir erzählte.

Aber dann kam das sogenannte Wirtschaftswunder und damit die Autos, die Kühlschränke, die Fernseher, die elektrischen Geräte usw. Und alle, die es sich irgendwie leisten konnten, machten mit und kauften und kauften. Das wird auch beim Schreiber des Leserbriefes nicht anders gewesen sein. Was ich damit sagen will: unsere Generation ist eben doch mitverantwortlich für den Klimawandel. Ich rede nicht von Schuld. Nach meiner Erfahrung führen Schuldzuweisungen nicht dazu, daß irgendetwas besser wird. Mir ist das Konzept der Verantwortung sympathischer, denn da geht es darum, daß Antworten auf Fragen gefunden werden: Wie ist es dazu gekommen, daß wir heute am Rande des Abgrunds stehen? Was kann ich tun? Und in meinen Augen noch viel, viel wichtiger: was kann ich lassen? Und da fällt mir immer noch wieder was Neues ein, was ich persönlich lassen kann und das macht mich jedes Mal ziemlich zufrieden.

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Ich würde übrigens gern auf den Kühlschrank verzichten. Aber meine bisherigen Versuche, zu kühlende Lebensmittel draußen in einer isolierten Kiste zu lagern, waren wenig erfolgversprechend. Im Winter sind mir dann doch Sachen eingefroren. Eine Speisekammer wäre schön, aber diese sinnvolle Einrichtung existiert in neuen Häusern leider gar nicht mehr und im Zuge der Wärmedämmung sind die Speisekammern in den alten Häusern unbrauchbar gemacht worden. Sehr bedauerlich!

In der letzten Oya las ich in einer Rezension von Ute Scheub zu Paul Hawkens Buch Drawdown – der Plan Folgendes:

„Folgt man dem Ranking von Hawkens Team, ist die wirksamste Maßnahme 〈den Klimawandel zu stoppen〉 der Verzicht auf Fluorkohlenwasserstoffe (FKW), der zu einer Reduktion  von fast 90 Gigatonnen Treibhausgasen führen würde. Diese Kältemittel ersetzten die ozonzerstörenden FCKWs in Kühlschränken und Klimaanlagen, sie seit dem Abkommen von Montreal 1987 nicht mehr verwendet werden, sind jedoch 1000- bis 9000-mal klimaschädlicher als CO2. Hier wurde also der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben.“

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Was wir verlieren

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Mein neues Gewächshaus: ein Traum, weil aus Glas und nicht aus Scheißplastik, geschenkt von der lieben I., die es nicht mehr braucht und bei ihr abgebaut und bei mir wieder aufgebaut von meinem Lieblings-Exkollegen H. und seinem handwerklich überaus begabten Kumpel T. Einige Scheiben fehlten; die hat ein Glaser in Preetz neu zugeschnitten, und ich habe sie eingesetzt.

Heute war es schön sonnig und kühl und ich habe das letzte Stück Garten mit der Sense gemäht. Ich habe noch nie Nordic Walking praktiziert aber gehört, daß es ganz wunderbar die Lunge weitet, wenn es richtig gemacht wird. Nachdem ich jetzt einige Jahre mit der Sense arbeite und mir das von Jahr zu Jahr leichter von der Hand geht und ich allmählich im wahrsten Sinne des Wortes den Bogen raushabe, kenne ich dieses gut durchlüftete Gefühl im Brustkorb nach einer Stunde Sensen. Es ist nicht nur toll zu sehen, was ich geschafft habe, ich fühle mich danach auch jedes Mal so energiegeladen und angenehm durchtrainiert, daß es eine Freude  ist.

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Aus dem Radio erfuhr ich heute, daß das Internet 50 Jahre alt ist. Das Internet finde ich vom Prinzip her eine feine Sache. Es kommt halt drauf an, wie eine es nutzt. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich im Internet verlieren. Wenn ich zu Hause bin, rufe ich fast täglich meine Mails ab. Wenn ich auf Reisen bin, lese ich keine Mails und nichts fehlt mir. Ich finde es gut, ab und zu unerreichbar zu sein. Ich gehe ja auch nicht immer ans Telefon. Wer was von mir will, kann meine Anrufannehmerin benutzen. Eine Krankheit finde ich die WhatsApp-Kommunizierei, so wie ich sie in meinem Umkreis oft mitkriege. Ich möchte wirklich nicht den ganzen Tag über jeden Furz informiert werden, den meine Freund*innen von sich geben.

Gänzlich überflüssig finde ich die Navis, die immer mehr Leute in ihren Autos haben. Ich kenne Menschen, die nicht in der Lage sind, Karten zu lesen. Was ich an Navis nicht mag: erstens trägt ihre Produktion dazu bei, daß die Erde noch mehr durch den Abbau von Seltenen Erden zerstört wird; zweitens führt ihr Gebrauch dazu, daß der menschliche Orientierungssinn verkümmert. Und das Traurige ist, daß wir nicht merken, was uns fehlt. Ja, es kann passieren, daß ich mich verfahre, wenn ich mit dem Auto in unbekanntem Terrain unterwegs bin oder mich so mit eventuellen Beifahrer*innen verquatsche, daß meine Aufmerksamkeit darunter leidet. Ob ein Navi das verhindern würde, bezweifle ich; ich würde es wahrscheinlich überhören, wenn ich in einem interessanten Gespräch bin. Manchmal halte ich rechts an und schaue in meinen Autoatlas oder die Karte. Und es gibt zumindest in Ortschaften auch immer die Gelegenheit anzuhalten und Menschen nach dem Weg zu fragen. Als I. und ich letztes Jahr in Lappland waren, haben wir den ganzen langen Weg ohne Probleme nach Karte zurückgelegt. Vor der Fahrt haben wir gemeinsam die Route geplant.

Vor einigen Wochen ist die Bundesstraße zwischen Selent und Bellin wegen Straßenarbeiten gesperrt. Als das anfing, fuhr ein stetiger Strom von Autos durch das Dorf, an meinem Haus vorbei und unter Missachtung des Durchfahrt-verboten-Schildes durch den Wald. Das war nicht die ausgeschilderte Umleitung (die war den Leuten zu lang), sondern die Empfehlung von Google, wie sich herausstellte. Es war klar, daß der schmale unbefestigte Weg diesen Ansturm an Fahrzeugen nicht aushalten würde. Nach nur einem Tag war er schon ruiniert. Die Schlaglöcher, die ich bisher umfahren konnte, haben sich vervielfacht. Mittlerweile stehen an mehreren Stellen Sackgassenschilder, aber auch die werden noch gelegentlich ignoriert. Dann wenden Autos direkt vorm Haus und kratzen mit ihren Reifen tiefe Löcher in den Weg. Das sind Gelegenheiten, wo ich Autofahrer*innen richtig hasse, obwohl ich doch selbst eine bin.

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Ich bin nicht per se Technikfeindin. Es ist mir aber ein großes Anliegen, daß ich und möglichst viele Menschen wieder Zugang zu unseren durch Nichtbenutzung verkümmerten Sinnen und damit zu unserer inneren und äußeren Natur finden. Wenn wir uns abhängig von Smartphones und ihren diversen Apps, von Navis, elektrischen Küchengeräten, selbstfahrenden Autos (die Vorstellung ist für mich schon ein Alptraum), Siris, Alexas usw. fühlen, sind wir schon den Apologeten des Wirtschaftswachstums auf den Leim gegangen. Vieles geht gut mit der Hand: Sahne schlagen geht mit einem handbetriebenen Rührquirl in exakt der gleichen Zeit wie mit einem elektrischen Küchengerät (habe ich ausprobiert). Eischnee kann man prima mit einer Gabel in einem Suppenteller steif schlagen. Das sind nur zwei Beispiele. Der Nebeneffekt ist, daß wir unsere Arbeitsmuskeln trainieren und damit im Alter weniger osteoporosegefährdet sind. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, daß körperliche Arbeit zufrieden macht und zu einem guten Schlaf führt.

Ahninnenfest

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Vor einigen Wochen hatte ich das Bedürfnis, das Ahninnenfest mal wieder mit Anderen zusammen zu feiern. Ich lud einige Freundinnen ein, die ich gern dabei haben wollte, und sie kamen. Es war richtig schön! Wir feierten dieses Mal nicht draußen und die rituellen Formen hielten sich in Grenzen. Wir bauten einen schönen Altar mit Fotos und Symbolen. Dann trugen wir zusammen, wie wir das Fest gestalten wollten. Nachdem wir mit dem Begrüßen der sechs Richtungen und Räuchern mit Salbei den heiligen Raum geschaffen hatten, erzählte jede etwas zu den Gestorbenen aus ihrem Kreis: was wir ihnen verdanken, aber auch Schwierigkeiten, die wir im Kontakt mit ihnen hatten. Das war sehr interessant. Mir wurde klar, daß es die sogenannte heile Familie kaum gibt. In wohl fast jeder Familie gibt es Tabuzonen, Dinge über die nicht gesprochen wurde, Lügen und Vertuschungen, die auf die Dauer zu vermeintlich unverständlichen Störungen im familiären Gefüge führen. In diesem Zusammenhang machen meines Erachtens Familienaufstellungen durchaus Sinn, um Licht ins Dunkel zu bringen (aber bitte nicht nach Hellinger: ich habe mal Vorträge von dem auf CD gehört, da ist mir schlecht geworden. So ein eingefleischt patriarchaler Typ!) Sehr gefreut habe ich mich, daß auch gestorbene Tiere anwesend waren: meine kleine Skadi und der Hund einer Freundin.

Wir haben gesungen und anschließend die Leckereien gegessen, die jede mitgebracht hat. Ein Teller war für die Ahninnen, den habe ich später in den Knick gestellt.

Außer von meinem Vater, Norbert und Skadi habe ich auch von Ute Schiran erzählt. Ich bin ihr so dankbar für das, was ich durch sie bekommen habe und sie ist seitdem immer in meinem Herzen. Heute habe ich viel an sie gedacht und mal wieder in ihren Küstensaum der Zeit kreuz und quer gelesen. Sie war schon eine Wissende!

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Auf meinem Spaziergang durch Wald und Feld traf ich keine Menschenseele. Dafür wurde ich aber Zeugin der Damhirschbrunft. Die Hirsche mit ihren mächtigen Geweihen geben den ganzen Tag und auch nachts sehr laute grunzende Brunftlaute von sich. Leider widersetzten sie sich meinen fotografischen Bemühungen. Auch die Kolkraben waren schneller als ich mit meiner Kamera.

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Ich wurde zweimal von einem heftigen Schauer überrascht, bekam aber zum Trost auch zweimal einen Regenbogen zu sehen.

Zur Zeit lese ich ein sehr interessantes Buch, das mir mein Nachbar T. geliehen hat: Siegfried und Kriemhild von Jürgen Lodemann, die Nibelungensage in Romanform. Lodemann hat sehr viel recherchiert und historische Quellen verglichen. Angenehmerweise hat er die Anmerkungen in roter Schrift in den Text eingefügt, so daß eine nicht ständig im Anmerkungenteil blättern muss. Er stellt sehr deutlich den geschichtlichen Hintergrund dar: die im Untergang befindliche Römerherrschaft ebenso wie die grausamen Missionierungen der Kirche. Deutlich wird, wie wenig die kirchlichen Lehrmeinungen und Dogmen mit den Lehren und der offensichtlich lebensfrohen Persönlichkeit des Nazareners zu tun haben. Es ist immer dasselbe: sobald die Lehren einer Person zur Schaffung einer Institution benutzt werden, führt das in eine lebensfeindliche geistige Monokultur. Mit der Darstellung der germanischen Mythologie bin ich allerdings nicht einverstanden: da wird Freya als Tochter von Thor dargestellt. Das ist schlicht falsch und macht keinen Sinn.

Panik

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Ich möchte mich an dieser Stelle mal zu den letzten Blogeinträgen von Luisa Francia auf salamandra.de äußern. Ich stimme ihr in einigen Sachen zu: daß wir unseren Lebensstandard nicht halten können (so oder so wird er zu Asche, wenn der Klimawandel noch einen Zahn zulegt – und alles deutet darauf hin, daß er das tun wird) und daß Elektroautos und ähnliche Spielereien keine Lösung sind, nicht nur wegen der Ausbeutung der Menschen in den Ländern mit den seltenen Erden, sondern auch, weil die Herstellung extrem klimaschädlich ist (im Übrigen fahren jetzt schon zuviele Autos durch die Landschaft). Und wie sie glaube auch ich, daß eine starke Verbindung mit der Natur notwendig ist. Ich möchte noch hinzufügen, daß es ums Große Ganze geht. Und das Klima ist nur ein Teil davon. Natürlich ist der Klimawandel eine Folge des Patriarchats und des durch ihn hervorgebrachten Kapitalismus. Daß sich alles ändern muss, damit wir und die anderen Wesen noch weiterhin auf unserer wunderschönen Planetin leben können, hat in meinen Augen Charles Eisenstein am besten auf den Punkt gebracht. Er drückt das mit einer herzöffnenden Freundlichkeit aus: keine Schuldzuweisungen, keine Moralpredigten, wohl aber offener Schmerz über all das, was unwiderbringlich durch menschliches Handeln vernichtet wurde.

Luisa ist genervt von der Panikmache und wirft den Fridays for Future-Kids vor:  „Die schuldzuweisung an die älteren generationen finde ich arrogant und dumm.“ Da regt sich bei mir Widerspruch. Ich erinnere mich noch gut, welche Schuldzuweisungen ich als 16jährige meinen Eltern gemacht habe: daß sie sich nicht gegen Hitler gestellt haben, daß mein Vater sich nicht geweigert hat, als Soldat in den Krieg zu gehen. Ich war sehr, sehr streng. Als mein Vater sagte, er wäre erschossen worden, wenn er sich verweigert hätte, habe ich gesagt: „Na ja, das hätten sie mit 1000 machen können, aber nicht mit 10.000.“ Indirekt habe ich meinem Vater damit vorgeworfen, daß er nicht sterben wollte. Ich war damals sehr selbstgerecht und kaltschnäuzig. Mein Vater hat übrigens dazu geschwiegen. Er ist als traumatisierter Mensch aus dem Krieg gekommen, hat nie über seine Erlebnisse gesprochen, hat immer massive Schlafstörungen gehabt und den größten Teil seines Lebens haben Schlaftabletten und später auch Alkohol eine große Rolle gespielt. Ich finde es nachvollziehbar, daß ein junger Mensch im Angesicht der drohenden Vernichtung des Lebendigen auf der Erde den Erwachsenen Vorwürfe macht, mit Dummheit hat das nichts zu tun. Wenn Greta Thunberg sagt: „I want you to panic…“, dann drückt sie ihre eigene Panik angesichts der Szenarien des Klimawandels aus. Zumal ja anscheinend viele Erwachsene dieses Thema ignorieren. Schon klar, daß Panik eine schlechte Ratgeberin ist. Ich verlange aber nicht von Greta Thunberg, daß sie das schon weiß. Diese Bewegung ist nicht homogen, etliche in ihr sympathisieren mit den Grünen, andere wiederum sehen sehr klar, daß die Grünen genauso wenig ein wirksames Konzept haben wie unsere derzeitige Regierung. Daß Jugendliche sich von Mama zu den Demos kutschieren lassen, stammt offensichtlich aus der Feder von Dieter Nuhr. Wenn der jeden Mittwochvormittag seine Redezeit auf meinem Lieblingsradiosender NDR Info hat, schalte ich aus, weil ich ihn einfach nicht ertragen kann. Und selbst wenn es so wäre, ja, dann wäre es nicht konsequent. Aber wer solche Vorwürfe macht, muss sich auch fragen lassen: wie ist das mit deinen Flugreisen? Fährst du Auto? Isst du täglich Fleisch? Wie oft treibst du dich im Internet rum usw. usw.

Ich nehme es übrigens nicht persönlich, wenn ich als Erwachsene mit den Vorwürfen der Jugendlichen konfrontiert werde. Sie haben doch Recht. Und nein, ich finde nicht, daß jemand, der den derzeitigen Zustand kritisiert, auch eine Vision für die Zukunft haben muss, wie Luisa Francia das einfordert. Bevor Visionen entstehen können, hoffnungsvolle Bilder für die Zukunft, muss erst mal der ganze Prozess durchlaufen werden: Trauer um das Große Sterben, Wut, auch Schuldzuweisungen gehören dazu. Die ganze Palette der Gefühle muss durchlaufen und anerkannt werden. Nach meiner Erfahrung kann erst dann etwas Neues auftauchen. Und das ist dann vielleicht etwas, was bisher noch niemand denken konnte.

Wenn ein Jugendlicher anfängt zu begreifen, daß wir mit Vollgas auf unsere eigene Vernichtung zurasen, und gleichzeitig sieht, daß die Erwachsenen weiter business as usual leben, dann sind Schuldzuweisungen und Vorwürfe doch eine völlig nachvollziehbare Reaktion und absolut nicht dumm. Es ist die Leistung der Fridays for Future-Bewegung, daß sie dieses Thema in die Öffentlichkeit gebracht hat und dafür hat sie meine volle Anerkennung! Ich habe übrigens auch viel Sympathie für Extinction Rebellion. Vor vielen Monaten habe ich einen Infozettel über diese Bewegung im Bioladen gefunden und mich im Internet über sie schlau gemacht. Mittlerweile zeigen sie sich immer mehr in der Öffentlichkeit. Für Momente habe ich daran gedacht, bei ihnen mitzumachen. Letztendlich ist aber diese Form des Aktivismus und die Zugehörigkeit zu einer Gruppe nichts mehr für mich, war es vielleicht nie wirklich, obwohl ich zwischen 16 und 27 Jahren politischen Gruppen angehörten, die radikale Kritik an den bestehenden Verhältnissen äußerten.

Ich tu mich gern temporär mit Menschen zusammen, wenn ich z. B. die Jahreszeitenfeste feiere und Rituale für die Erde mache. Und ansonsten mache ich das, was vor einiger Zeit in der Oya so schön ausgedrückt wurde: Ich bleibe zu Hause und kümmere mich um die Bienen. Und damit hüte ich gleichzeitig den Flecken Erde, auf dem ich lebe.

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Fließen

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Wenn ich mir meine Katze ansehe, dann bin ich sicher, daß sie keine Pläne kennt. Sie geht nicht zielstrebig durch die Landschaft; ich würde ihre Bewegungsart eher als Mäandern bezeichnen. Sie folgt ihren Impulsen, reagiert auf Bewegung oder liegt stundenlang irgendwo herum. Man könnte sagen, sie nimmt das Leben, wie es kommt. Ich hingegen, die ich mir über die Jahre einen sehr strukturierten Lebenswandel angewöhnt habe, kann ihr nur staunend zusehen. Vor eineinhalb Wochen rief mein Bruder mich an, um mir mitzuteilen, daß meine Mutter mit einem Oberschenkelhalsbruch im Krankenhaus liegt. Das warf meine schöne und gewohnte Ordnung über den Haufen. Zwar hatte ich ohnehin geplant, nach NRW zu reisen, ich hatte auch die Bahnfahrkarten schon gekauft, aber jetzt musste ich umdisponieren. Das gefiel mir nicht. Es war auch dieses Gefühl von Unsicherheit: was kommt da auf mich zu? Wird meine Mutter wieder auf die Beine kommen? Wird sie pflegebedürftig werden? Nachdem ich ein Weilchen mit der Situation gehadert hatte, beschloss ich, das Kommende als Herausforderung zu nehmen und mit dem Leben mitzufließen. Das ging dann – nicht ganz so fluffig wie bei meiner Katze – einigermaßen gut.

Glücklicherweise hat meine Mutter die OP gut überstanden. Sie brauchte auch kein neues Gelenk, sondern nur einen Nagel, um den Bruch zu stabilisieren. Nach meiner Ankunft in Münster ging ich zur Raphaelsklinik. Der Mann am Empfang konnte mir nicht sagen, auf welcher Station meine Mutter sich befand: er kämpfte mit einem Systemabsturz. Also ging ich zur Intensivstation, weil sie da einen Tag vorher gelegen hatte. Aber dort konnte man mir nicht weiterhelfen. Also wieder runter zum Empfang. Mittlerweile hatte der freundliche Mensch seinen Rechner runter- und wieder hochgefahren. Wie abhängig wir von der ganzen Elektronik sind. Und wenn die nicht mehr funktioniert, funktioniert gar nichts mehr. In meiner alten Klinik waren wir mal einen Tag lang ohne Computer und Telefon. Das Arbeiten an diesem Tag war sehr angenehm: wer was wollte, musste persönlich vorbeikommen. Das waren nicht viele.

Ich war drei Tage in Münster und lebte in der Wohnung meiner Mutter, brachte ihr die Sachen, die sie brauchte, entsorgte die verderblichen Lebensmittel aus ihrem Kühlschrank, wusch Wäsche, ging zur Bank, bestellte ihre Zeitung ab, führte Telefonate mit ihren Freundinnen. Mittwochmorgen war ich bei einer ihrer Freundinnen und ihrem Mann zum Frühstück eingeladen. Ein Nachbar bot mir an, mich zur Reinigung zu fahren, wo noch Sachen von meiner Mutter warteten. Ich fuhr jeden Tag ins Krankenhaus. Ich trank Kaffee in der Stadt, kaufte Alpakawolle bei Voilà und ging in den Dom, um für die heilige Barbara eine Kerze anzuzünden. Die Busfahrt in die Stadt kostet mittlerweile 3,30 €. Wie war es noch mit den Klimazielen der Regierung? So wird das nichts.

Dann besuchte ich meinen Sohn in Bonn, wo ich auch meine Tochter traf. Einen Abend waren wir zum Essen bei Stefans und Katharinas jüngerem Bruder und seiner Familie eingeladen. Gutes Essen, sehr lebhafte und gut gelaunte Kinder, schöne Atmosphäre. Katharina und ich waren uns anschließend einig, daß eine Patchworkfamilie wie die unsere eine feine Sache ist.

Freitag war ich dann wieder in Münster. Und Samstag fuhr ich nach Hause. Oh, wie schön ist es zu Hause zu sein!

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Wut und Schmerz

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Ich habe mir Greta Thunbergs Rede vorm UN-Klimagipfel angehört. Ich mag ihre Kompromisslosigkeit und ihre Emotionalität. Vor vielen Jahren, als ich anfing mich mit Tiefenökologie zu befassen, fand ich in Joanna Macys Buch Die Reise ins lebendige Leben das Kapitel Verzweiflungsarbeit: Unseren Schmerz um die Welt annehmen und würdigen. Jahrelang hatte ich diese dumpfe Bedrückung gefühlt angesichts dessen, was ich an Zerstörung auf der Erde sah (und da war noch gar nicht die Rede von den Kipppunkten, dem Insektensterben, dem rasanten Artensterben). Das war ein diffuses Gefühl: etwas ist ganz und gar nicht in Ordnung, ich konnte es aber nicht fassen und schon gar nicht ausdrücken. Und Joanna Macy brachte es auf den Punkt. Danke dafür! Die Wut und den Schmerz vermisse ich bei den Politiker*innen. Ich weiß gar nicht, wer sie hinter den Charaktermasken sind, die sie uns zeigen. Menschen, die keine Gefühle mehr haben/zeigen, kann ich nicht vertrauen. Vielleicht muss man so werden, wenn man an der Macht ist. Vielleicht muss man sich einen Panzer zulegen. Ich finde, das sieht man auch an der uniformen Kleidung von Politiker*innen: Blazer und Hosenanzüge. Wenn dann doch mal eine*r Gefühle zeigt, gibt es oft höhnische Reaktionen. Warum eigentlich?

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Ich weiß nicht, was aus uns und der Erde wird. Aber ich weiß, daß ich jetzt lebe und das ist was zählt. Alles ist mit allem verbunden, wir leben in einem Netz. Wenn an einer Stelle etwas in Bewegung kommt, bewegt sich alles. Aber was diese Bewegung bewirkt, können wir nicht wissen. Und ich bin überzeugt, daß es eine Ebene gibt, auf der alles einen Sinn macht und Kohärenz hat. Aber unser Nervensystem ist nicht dazu gemacht, das zu verstehen. Ich glaube, daß wir als Lernende hier sind und daß zu unserm Leben gehört, daß wir Fehler machen.

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Oft kann ich gar nicht wissen, was richtig ist: ich weiß z. B. nicht, wie ich die Bienen im Garten am Leben erhalten kann, ohne sie gegen die Varroamilbe zu behandeln. Ich habe einiges versucht: homöopathische Mittel, ätherische Öle und die üblichen Behandlungen mit Ameisen-, Oxal- und Milchsäure. Am wenigsten wirksam waren die homöopathischen Mittel, am wirksamsten die Säurebehandlungen. Aber für die Bienen bedeuten sie großen Stress und leider spricht einiges dafür, daß sie zur Resistenzbildung führen. Lebensbedingungen, die es den Bienen ermöglichen, selbstregulierend mit der Varroa fertig zu werden, kann ich ihnen nicht bieten: dazu brauchte es hohle Bäume und ähnliche natürliche Habitate, eine pestizidfreie Landschaft, ein vielfältiges und ausreichendes Nahrungsangebot. Ich habe letztes und dieses Jahr mit dem Nassenheider Verdunster gearbeitet, der die Ameisensäure langsam freisetzt und nicht ganz so stressig für die Bienen sein soll. Aber leider reichte die freigewordene Menge Ameisensäure nicht aus. Vor zwei Tagen sah ich, wie eins der Völker Bienen mit verkrüppelten Flügeln aus dem Stock räumte: Folge des Varroabefalls. Ich machte eine schamanische Reise zu den Bienen und besorgte dann Ameisensäure, die ich heute auf Schwammtüchern in die Völker brachte. Die Frage ist immer wieder: Eingreifen oder nicht? Ich habe meine Eingriffe sehr reduziert, seit ich imkere. Ich verzichte mittlerweile völlig auf die Durchsicht der Völker, ich nehme – wenn überhaupt – nur ganz wenig Honig, nehme keine alten Waben aus den TBHs, schneide keine Drohnenbrut raus (das habe ich von Anfang an pervers gefunden). Das erscheint mir alles richtiger als vieles von dem, was ich gelernt habe. Ich bin sicher, die Bienen wissen am besten, was ihnen gut tut. Und intelligenter als wir sind sie allemal: sie hatten schließlich ungefähr 60 Millionen Jahre Zeit, ihre Lebensweise zu perfektionieren. So sitze ich oft bei ihnen, sehe ihnen zu und ziehe aus der Art, wie sie ein- und ausfliegen, aus ihrem Summen und ihren Pollenhöschen meine Schlüsse. Und ab und zu gelingt es mir, mit Hilfe meiner Trommel ein inneres Bild vom Zustand im Volk zu sehen. Darauf kann ich mich erfahrungsgemäß verlassen.

Herbst

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Die Herbst-Tag-und-Nachtgleiche habe ich mit einem Feuerchen unter der leuchtenden Milchstraße gefeiert, ganz allein und in friedlicher Stimmung.

Am letzten Freitag war ich eine von den 15.000 auf der großen Klimademo in Kiel. So eine Zahl ist für eine Stadt wie Kiel mit ca. 250.000 Einwohner*innen ganz schön viel. Das Wetter war gut, einige der vielen bunten Plakate sehr originell. Ich traf Menschen, die ich nicht erwartet hätte und fand die nicht, mit denen ich mich verabredet hatte. Ich rief keine der Parolen mit. Irgendwie war nichts dabei, was ich rufen wollte. Nur ganz am Anfang, als wir uns noch alle auf dem Rathausplatz sammelten, hat es mich emotional gepackt: als ein von Menschen geschobenes Gefährt mit einem großen Lautsprecher heranrollte, aus dem eine unglaublich schöne Version des alten Partisanenliedes Bella Ciao schallte. Es gefiel mir, daß so viele auf der Straße waren, ich weiß aber, daß Demos nichts verändern. Ich denke noch an die riesige Demo in Berlin kurz vor Beginn des letzten Golfkrieges. Kurz danach fing der Krieg an. Die Mächtigen in Berlin haben einen Klimaplan vorgestellt, der nichts am Klimawandel ändern wird. Ich habe es nicht anders erwartet: sie können es nicht; sie sind so eng verflochten mit den diversen Lobbyisten. In dem Zusammenhang ist mir aufgefallen – und das war auch Thema beim letzten Treffen der Selenter Flüchtlingshelfer*innen, daß unsere beiden Gespräche mit dem Staatssekretär im Kieler Innenministerium nichts bewirkt haben. Es gab eine paar nette Worte, man notierte sich unsere Vorschläge, wie die Arbeit der Ehrenamtlichen besser koordiniert und unterstützt werden könnte – und nichts ist passiert. Auch das habe ich nicht anders erwartet. Bei weiteren Aktionen dieser Art werde ich nicht mehr dabei sein.

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Letzte Woche brachte ich eine meiner geflüchteten Frauen ins Krankenhaus. Ihre Ärztin hatte es für richtig befunden, sie in die Psychiatrie einzuweisen, zur Krisenintervention. Sie hat, wie soviele Menschen aus Afghanistan, keine Anerkennung als Asylsuchende bekommen und hängt jetzt in der Luft. Da wird ihr die Psychiatrie auch nicht helfen können. Die Aufnahme fand dann nicht statt, da die Vorbedingung die Teilnahme eines Dolmetschers war. Zwar versicherte die telefonisch kontaktierte Ärztin, die die Einweisung veranlasst hatte, daß eine Dolmetscherin bestellt worden war, aber die ebenfalls telefonisch kontaktierte Dolmetscherin wusste von nichts. Ich weiß nicht, wer da Mist gemacht hat.

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Auf dem Theodor-Heuss-Ring

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Es gibt keine grünen Kapitalismus!

 

Lehrerinnen und Lehrer

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Herbstbotin

Letzte Woche traf ich mich mit K. zum Mittagessen. Wir hatten ein richtig schönes Gespräch über die globale Bedrohung alles Lebendigen. Auch K. befasst sich mit dieser Sache und hat einen ähnlichen Umgang damit wie ich. Sie stellte die Frage, warum viele Menschen so ein Problem mit diesem Thema haben; immerhin habe es in der Geschichte unserer Planetin immer wieder Zeiten des radikalen Wandels gegeben, in denen Arten verschwanden und neue auftauchten. Irgendwie geht es weiter, wir wissen nur nicht wie und es ist denkbar, daß die menschliche Gattung verschwindet. Was ist schlimm daran? Für mich ist schlimm, ja geradezu unerträglich an diesen Gedanken, daß die menschliche Gattung die derzeitige Krise mit ihrem Handeln herbeigeführt hat und dadurch andere Arten, die nichts dafür können, mit in den Untergang zieht. Wenn die Menschheit verschwindet, dann kann ich das akzeptieren. Das ist mir lieber als die gruseligen Zukunftsszenarien, in denen wir unter Dächern mit künstlichen Sonnen leben, elektronische Insekten die Bestäubung übernehmen und der Wald nur noch als virtual reality existiert. In einer solchen Welt will ich nicht leben, da wäre das große Sterben Erlösung.

Keiner weiß, was passieren wird. Alles ist möglich. Von den Regierenden erwarte ich nichts, sie haben keine Antworten, sie verlieren sich in blindem Aktionismus, z. B. Plastiktütenverboten und Prämien für Elektroautos. Auch ich habe keine Antwort, aber ich genieße mein Leben im Moment sehr. Und das, obwohl ich seit einigen Tagen Kreuzschmerzen habe. Das kommt bei mir sehr selten vor, das letzte Mal vor acht Jahren in der Toskana. Ich habe mit der Sense gemäht, das könnte der Auslöser sein. Aber ich ahne, daß es auch etwas mit der freigewordenen und teilweise wieder gestoppten Beckenenergie zu tun hat. Ich beobachte das mit Interesse und hatte heute die Idee, daß die Kundalini im Grunde Erdenergie ist. Hier ist ein schöner Link von K., der dazu passt: https://sensingthechange.com/standing-with-the-earth/

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Ich habe in meinem Leben etliche gute Lehrer und Lehrerinnen gehabt. Einige habe ich persönlich kennengelernt, einige nur durch ihre Bücher. Ich bin dankbar für das, was ich lernen durfte. Ich habe Menschen kennengelernt, die ihren Lehrer*innen bedingungslos folgten. Das habe ich auch das eine oder andere Mal versucht, aber musste immer wieder feststellen, daß das für mich nicht funktioniert. Es gab bei allen irgendwann Unstimmigkeiten, Dinge, mit denen ich einfach nicht einverstanden sein konnte, Aussagen, die schlicht nicht stimmten und Umgebungen, in denen ich mich deutlich unwohl fühlte. Manchmal habe ich damit gehadert und wäre auch gern einfach nur gefolgt. Mittlerweile weiß ich mein Nichtfolgenkönnen zu schätzen: es gibt nur eine Instanz, der ich folgen kann und das ist mein Herz.IMG_1872

Meine Katze hat mir sieben Nächte in Folge sieben Mäuse ins Haus gebracht, die ich  irgendwie fangen und ins Freie setzen musste. Ich habe ihr noch nicht klarmachen können, daß ich auf diese Geschenke nicht stehe. Eine der Mäuse war besonders pfiffig. Sie hielt sich hinter dem Küchenschrank auf. Ab und zu ließ sie sich blicken, aber die aufgestellte Lebendfalle ignorierte sie. Stattdessen benutzte sie die bis auf den Boden hängenden Triebe einer Ampelpflanze als Strickleiter. Darauf wurde ich aufmerksam, weil die Pflanze arg gefleddert aussah. Dann entdeckte ich in 1,70 m Höhe die Maus im Blumentopf. Sie entkam mir. Als ich das nächste Mal in die Küche kam, hörte ich ein Kratzen aus einer Holzschüssel auf der Fensterbank. Sie war offensichtlich am Brotbeutel, der am Heizkörper hängt, hochgeklettert und hatte die Haselnüsse in der Schüssel entdeckt. Mit Hilfe eine Brettchens konnte ich sie fangen und nach draußen setzen. Wie intelligent diese Tiere sind! Einige mögen einwenden, das sei nur Instinkt, weil ja nur Menschen intelligent sein können – oder?

Nachklang

sdr
Da war es noch leer

Das Festival hieß Angeliter Open Air und natürlich traten außer New Model Army noch etliche andere Gruppen auf. Wir kamen aber erst am frühen Abend und bekamen dementsprechend nicht alle mit. Was völlig in Ordnung war.

Mir ist etwas aufgefallen: ich kenne das ja, daß Bass und Schlagzeug direkt ins Becken treffen und da etwas auslösen. Das Becken ist in der indischen Weltsicht der Ort, an dem die Kundalini schläft. Wenn ich mich auf die Musik einlasse und relativ sicher in mir fühle, wird sie wach und wenn ich sie lasse, übernimmt sie und hebelt mein Denken aus. Das ist durchaus ekstatisch und ein überaus erstrebenswerter Zustand (der aber wohl gar nicht  vorsätzlich erreicht werden kann), aber ich spüre zwischendurch oft auch ein Bremsen, eine Hemmung. Da gibt es eine Stimme, die sagt: „Es gibt soviel zu tun. Du kannst dich jetzt nicht einfach so gehen lassen.“ Ich glaube, das ist die 2000 Jahre alte Stimme meiner Kultur, tief verinnerlicht: „Genuss ist des Teufels.“ In diesen Momenten half mir ausgiebiges Schütteln, alle unangenehmen Stimmen zum Schweigen zu bringen. Und es gab eine Ahnung, daß die Erde ein friedlicher, freier und fröhlicher Ort sein kann, wenn Menschen sich dieser Kundalini-Energie überlassen.

sdr
Thundermother

Übrigens kam tatsächlich mein derzeitiges NMA-Lieblingsstück Angry Planet und als Zugabe die großartige Hymne I love the World. Damit bin ich schon voll auf die Kosten gekommen.

Am Vorabend gingen wir in Flensburg bei Le Camping an der Toosbüystraße essen: der Koch ist Elsässer, die Küche französisch. Es gibt am Abend zwei Gerichte zur Auswahl, eins mit Fleisch, eins vegetarisch, eine Vorspeise und eine Nachspeise oder stattdessen eine Käseplatte. Sehr köstlich und angenehme Atmosphäre.

dav
Sonntagmittag auf dem Weg zum Frühstück