Hindernisbereiterin

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Von Ute Schiran kenne ich die Hindernisbereiterin. Die ist in etwa vergleichbar mit  Tricksterfiguren wie Coyote bei den amerikanischen First Nations oder Loki in der germanischen Mythologie, also einer Gestalt, die Personen Steine in den Weg legt und sie so dazu zwingt, ihre gewohnten Routinen zu verlassen. Mit der habe ich im Moment viel zu tun.

Meine Mutter liegt immer noch im Krankenhaus. Sie soll nächste Woche in die Reha. Ständig bekomme ich Anrufe von irgendeiner Sozialarbeiterin (die wechseln laufend Zuständigkeiten), die mich auffordert, die Krankenversicherung zu kontaktieren und Beihilfenummern herauszufinden. Da meine Mutter solche Sachen immer meinem Vater überlassen hat, ist ihre Mithilfe in dieser Angelegenheit äußerst begrenzt. Und so telefonieren mein Bruder und ich in fairer Arbeitsteilung: ich bin für den Kontakt mit den Sozialarbeiterinnen zuständig, er für die Telefonate mit der Krankenversicherung und dem nordrhein-westfälischen Landesamt für Besoldung und Versorgung. Dann stellt sich plötzlich heraus, daß Anträge, die eigentlich schon vor zwei Wochen raussollten, noch nicht eingetroffen sind. Ohne Anträge gibt’s aber keine Reha. Oder eine Sozialarbeiterin setzt mich unter Druck und sagt, daß es Aufgabe der Angehörigen sei, sich um solche Sachen zu kümmern. Wir tun, was wir können, aber irgendwie scheint es nicht genug zu sein. Wir sind ja auch ziemlich ahnungslos und haben beide kein Studium der sozialen Arbeit absolviert. Meine Psychiatrieschwesternqualifikation nützt mir allerdings doch ein wenig: ich bleibe bei den Telefonaten ruhig und höflich, statt wütend in den Hörer zu bellen, ich verkneife mir Vorwürfe und dokumentiere jedes Gespräch. Sicher ist sicher. Ich frage mich, wie das Menschen regeln, die gar keine Angehörigen haben. Die haben wahrscheinlich keine Chance auf eine Reha.IMG_1933

Öfter mal in den Himmel schauen, aah!

Am Wochenende war meine persönliche Hindernisbereiterin auch aktiv: ich wollte mich in Bad Segeberg mit einer Frau aus meinem Imkerverein treffen, um mit ihr zum 30jährigen Jubiläum von De Immen in die Lüneburger Heide zu fahren. Nachdem ich mehr als eine halbe Stunde auf sie an dem verabredeten Ort gewartet hatte und auf meine SMS und Anrufe keine Reaktion erfolgte, war ich so genervt, daß ich kurz mit dem Gedanken spielte, wieder nach Hause zu fahren. Das tat ich dann glücklicherweise nicht, sondern machte mich allein auf die Weiterfahrt. Ich hatte im Radio von einem schweren Busunfall gehört, weshalb die A1 voll gesperrt war. Also nahm ich die Landstraße Richtung Hamburg und fuhr in Schnelsen auf die A7. Ich kam problemlos an meinem Ziel an. Die arme F. aber, die mich ja eigentlich mitnehmen wollte, kam zwei Stunden später. Sie hatte kein Radio gehört, und ihr Navi hatte sie nicht vor dem Stau auf der A1 bewahrt. Wie gut, daß ich einen Autoatlas habe und Karten lesen kann. Als sie dann endlich ankam, deckten wir das Missverständnis wegen des Treffpunktes auf und fanden heraus, daß ich die falsche Handynummer hatte.

Das Wochenende wurde dann recht schön. Wir tagten im Haus Schnede, das von Sufis betrieben wird. Ich traf Menschen wieder, die ich sehr gern habe, hatte schöne Kontakte, erfuhr Neues und Nachdenkenswertes. Samstagabend trat die Schauspielerin Barbara Geiger alias Fräulein Brehm auf und belehrte uns auf unbeschreibliche Art über die Wildbienen. Die Frau ist toll, ich empfehle sie ausdrücklich weiter:  http://brehms-tierleben.com/ Später wurde getanzt, gesungen und ganz viel gelacht.

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Ich hatte am Abend auch noch eine Auseinandersetzung mit einer Frau wegen ihrer Behauptung, daß der Mensch quasi über der Natur steht und für deren „Verfeinerung“ zuständig ist. Da musste ich vehement widersprechen und ihr meinerseits mein Weltbild vom großen Organismus entgegenhalten, in dem alle Arten eine wichtige Rolle spielen und Hierarchien keinen Sinn machen. Wir wurden uns natürlich nicht einig. Ich fragte sie, ob sie Anthroposophin sei. Ja klar, war sie. Ich fand ja Rudolf Steiner mal gut. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob sie seine Denke wiedergab. Wir beendeten das Gespräch, nachdem sie die Kunst als Beleg für die geistige Überlegenheit des Menschen angeführt hatte und ich dagegen hielt, daß die Natur in meinen Augen die größte Künstlerin sei. Nach dem Gespräch war ich kurzfristig schlecht gelaunt. Wahrscheinlich sollte ich mir abgewöhnen, auf solche Äußerungen so allergisch zu reagieren. Aber ich glaube einfach, daß diese Art zu denken (Menschen sind etwas Besonderes) uns und andere Arten dahin gebracht hat, wo wir jetzt sind: am Abgrund.

Am Sonntagmorgen erzählte uns einer der Betreiber von Haus Schnede von dessen Geschichte und seinem Sufiorden. Er machte auch eine Art Mantrameditation mit uns, die mir sehr gut gefiel, weil sie tatsächlich eine körperliche Resonanz im Herzen hervorrief. Etwas am Sufismus fasziniert mich, wobei es da ja auch verschiedene Strömungen gibt, aber er ist nicht mein Weg. Es entspricht mir einfach nicht, einem Lehrer oder einer Lehrerin vorbehaltlos zu folgen. Ich habe es an anderer Stelle ja schon ausgeführt. Ich bin da eher die Biene, die mal an dieser und an jener Blüte nascht und daraus ihren ganz eigenen Honig macht.

Nachmittags fuhr ich bei schönstem Sonnenwetter auf einer erstaunlich leeren A7 nach Hause und hörte auf DLF eine Sendung über die mir bis dahin unbekannte US-Band DIIV, die ein wenig an Sonic Youth erinnert. Die habe ich in den 90ern gern gehört. DIIV hat etwa Düsteres, aber ich mag ja düstere Musik. Wen es interessiert: das Stück Blankenship befasst sich mit dem Klimawandel und findet sich auf YouTube.

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