Wut und Schmerz

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Ich habe mir Greta Thunbergs Rede vorm UN-Klimagipfel angehört. Ich mag ihre Kompromisslosigkeit und ihre Emotionalität. Vor vielen Jahren, als ich anfing mich mit Tiefenökologie zu befassen, fand ich in Joanna Macys Buch Die Reise ins lebendige Leben das Kapitel Verzweiflungsarbeit: Unseren Schmerz um die Welt annehmen und würdigen. Jahrelang hatte ich diese dumpfe Bedrückung gefühlt angesichts dessen, was ich an Zerstörung auf der Erde sah (und da war noch gar nicht die Rede von den Kipppunkten, dem Insektensterben, dem rasanten Artensterben). Das war ein diffuses Gefühl: etwas ist ganz und gar nicht in Ordnung, ich konnte es aber nicht fassen und schon gar nicht ausdrücken. Und Joanna Macy brachte es auf den Punkt. Danke dafür! Die Wut und den Schmerz vermisse ich bei den Politiker*innen. Ich weiß gar nicht, wer sie hinter den Charaktermasken sind, die sie uns zeigen. Menschen, die keine Gefühle mehr haben/zeigen, kann ich nicht vertrauen. Vielleicht muss man so werden, wenn man an der Macht ist. Vielleicht muss man sich einen Panzer zulegen. Ich finde, das sieht man auch an der uniformen Kleidung von Politiker*innen: Blazer und Hosenanzüge. Wenn dann doch mal eine*r Gefühle zeigt, gibt es oft höhnische Reaktionen. Warum eigentlich?

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Ich weiß nicht, was aus uns und der Erde wird. Aber ich weiß, daß ich jetzt lebe und das ist was zählt. Alles ist mit allem verbunden, wir leben in einem Netz. Wenn an einer Stelle etwas in Bewegung kommt, bewegt sich alles. Aber was diese Bewegung bewirkt, können wir nicht wissen. Und ich bin überzeugt, daß es eine Ebene gibt, auf der alles einen Sinn macht und Kohärenz hat. Aber unser Nervensystem ist nicht dazu gemacht, das zu verstehen. Ich glaube, daß wir als Lernende hier sind und daß zu unserm Leben gehört, daß wir Fehler machen.

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Oft kann ich gar nicht wissen, was richtig ist: ich weiß z. B. nicht, wie ich die Bienen im Garten am Leben erhalten kann, ohne sie gegen die Varroamilbe zu behandeln. Ich habe einiges versucht: homöopathische Mittel, ätherische Öle und die üblichen Behandlungen mit Ameisen-, Oxal- und Milchsäure. Am wenigsten wirksam waren die homöopathischen Mittel, am wirksamsten die Säurebehandlungen. Aber für die Bienen bedeuten sie großen Stress und leider spricht einiges dafür, daß sie zur Resistenzbildung führen. Lebensbedingungen, die es den Bienen ermöglichen, selbstregulierend mit der Varroa fertig zu werden, kann ich ihnen nicht bieten: dazu brauchte es hohle Bäume und ähnliche natürliche Habitate, eine pestizidfreie Landschaft, ein vielfältiges und ausreichendes Nahrungsangebot. Ich habe letztes und dieses Jahr mit dem Nassenheider Verdunster gearbeitet, der die Ameisensäure langsam freisetzt und nicht ganz so stressig für die Bienen sein soll. Aber leider reichte die freigewordene Menge Ameisensäure nicht aus. Vor zwei Tagen sah ich, wie eins der Völker Bienen mit verkrüppelten Flügeln aus dem Stock räumte: Folge des Varroabefalls. Ich machte eine schamanische Reise zu den Bienen und besorgte dann Ameisensäure, die ich heute auf Schwammtüchern in die Völker brachte. Die Frage ist immer wieder: Eingreifen oder nicht? Ich habe meine Eingriffe sehr reduziert, seit ich imkere. Ich verzichte mittlerweile völlig auf die Durchsicht der Völker, ich nehme – wenn überhaupt – nur ganz wenig Honig, nehme keine alten Waben aus den TBHs, schneide keine Drohnenbrut raus (das habe ich von Anfang an pervers gefunden). Das erscheint mir alles richtiger als vieles von dem, was ich gelernt habe. Ich bin sicher, die Bienen wissen am besten, was ihnen gut tut. Und intelligenter als wir sind sie allemal: sie hatten schließlich ungefähr 60 Millionen Jahre Zeit, ihre Lebensweise zu perfektionieren. So sitze ich oft bei ihnen, sehe ihnen zu und ziehe aus der Art, wie sie ein- und ausfliegen, aus ihrem Summen und ihren Pollenhöschen meine Schlüsse. Und ab und zu gelingt es mir, mit Hilfe meiner Trommel ein inneres Bild vom Zustand im Volk zu sehen. Darauf kann ich mich erfahrungsgemäß verlassen.

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