Viele Male habe ich das neu gelernte Regenlied an einem meiner Lieblingsplätze im Wald gesungen und ab und zu kam ein kleiner Schauer runter. Wenigstens etwas, aber nicht genug. Mein neuer Gartenschlauch hat sich als besser als das Gießkannenschleppen erwiesen, war aber auch nicht genug. Denn um wirklich mehr als 1 cm Erde zu durchnässen, müsste ich mindestens eine halbe Stunde die Düse gedrückt halten und dazu fehlen mir Geduld und Muskelkraft. Also habe ich jetzt einen Rasensprenger gekauft. Der ist nun wirklich eine effektive Sache: ich lasse ihn alle paar Tage eine Stunde laufen und die Gemüsebeete sind dann wirklich so nass, daß sich sogar die Nacktschnecken wieder raustrauen. Die habe ich freundlich begrüßt; schließlich lege ich Wert auf gute Nachbarschaft. Anfangs musste ich erst mal ziemlich mit der richtigen Einstellung experimentieren, bis nicht mehr mein Auto und meine Fensterscheiben geduscht wurden, sondern der Flecken Erde, um den es geht.
Heute kamen dann mit viel Wind die Gewitterwolken aus dem Westen und brachten ergiebige Mengen Regen, sogar mit Hagel. Ich habe Johannisbeeren geerntet und musste diese Tätigkeit einige Male unterbrechen. Aber ich habe mich über das viele Wasser gefreut und es darf gern noch mehr kommen.
Gestern saß ich mit einem Freund im Garten. Er bot mir seine Hilfe an. Ich fragte, wobei er mir denn helfen wolle. Er wolle die Baumscheiben der Obstbäume von Wildwuchs befreien, sie durchhacken und mulchen, sagte er. Ich sah ihn vor meinem inneren Auge mit der Hacke tabula rasa machen und bekam einen Schreck. „Das lass mal sein“, sagte ich. Dann hätte ich eben nur kleine Äpfel, meinte er. Nun hatte ich in den vergangenen Jahren nie etwas an der Größe meine Äpfel auszusetzen. Er ist kein Laie, was Gartenarbeit angeht und hat gelernt, was jeder Gärtner lernt: daß Obstbäume eine freie Baumscheibe brauchen. Dahinter steckt wohl der Darwinsche Glaubenssatz, daß in der Natur alles auf Konkurrenz basiert und der Stärkere gewinnt, also in diesem Fall das Unkraut. Möglicherweise ist es sogar sinnvoll, junge Bäume in der Anfangszeit mit einer wildwuchsfreien Umgebung zu unterstützen. Meine Bäume sind aber mittlerweile mehr als zehn Jahre alt. Ich habe mich von den Büchern Sepp Holzers Permakultur und Biotop mit Mensch von Gerda und Eduard Kleber inspirieren lassen. Kann ich jedem, der sich für Permakultur interessiert, wärmstens empfehlen. Ihnen folgend habe ich Pflanzen unter die Bäume gesetzt, die deren Gesundheit unterstützen: Gundermann, Veilchen, Primeln, Schlüsselblumen, Walderdbeeren, dazu eine Braunwurz, die sich in meinem Gemüsegarten angesiedelt hatte. Einige sind von selbst gekommen: eine Stockrose, mehrere Königskerzen, Brennnesseln, Storchschnabel, Lichtnelke, Johanniskraut, Habichtskraut. Neben den genannten Büchern ist aber vor allem die freie wilde Natur meine Lehrerin: da kommt auch keiner und legt wildkrautfreie Baumscheiben an. Es macht auch niemand im Winter Obstbaumschnitte bei den wildwachsenden Apfel- und Kirschbäumen. Die dürfen alle so wachsen, wie es ihnen beliebt.
Alles hinterfragen, ist eines meiner Lieblingsmottos. Keine Wahrheit gilt ewig. So habe ich auch vor langer Zeit gelernt, daß die Beete im Herbst oder Winter umgegraben werden müssen, wegen der Frostgare und der kosmischen Einflüsse. So stand es in den biologisch-dynamischen Gartenbüchern, nach denen ich mich so gut ich konnte richtete. Ich kam allerdings mit dem Graben kaum hinterher. Irgendwann habe ich das Umgraben dann aufgegeben, nicht nur, um mir die Arbeit leichter zu machen, sondern auch aus der Überlegung heraus, daß ich mit dieser Aktion die Bodenschichten gründlich durcheinanderbringe und all die kleinen Wesen in der Erde massiv störe. Im Frühling lockere ich die Beete mit der Grabgabel, wo es nötig ist und hacke sie durch. Im Herbst säe ich Phacelia, Senf und Klee auf die abgeernteten Beete und mulche mit Laub. Einiges friert ab, den Rest hacke ich unter.
In meinem letzten Garten in Ostholstein haben mein Exmann und ich jeden Winter die alten Apfelbäume beschnitten. Das war ziemlich viel Arbeit und hat sich irgendwie nicht richtig angefühlt. Wenn wir zuviel geschnitten hatten, entwickelten sich Wassertriebe, eine Stressreaktion des Baumes. Hier habe ich damit gar nicht erst angefangen. Sepp Holzers Argumente gegen den Obstbaumschnitt haben mich überzeugt. Die Bäume wissen besser als ich, wie sie wachsen wollen. Ich gebe ihnen ab und zu Kompost, Brennnesseljauche und Wasser und freue mich über sie, dafür bekomme ich Äpfel, Zwetschen und Quitten.
Je länger ich hier lebe und Zeit im Garten verbringe, desto mehr spricht er zu mir und sagt mir, was zu tun ist. Das geschieht in Form von Eingebungen, z. B. hat mir neulich eine innere Stimme gesagt, daß der Kompost mal eine ordentliche Dusche gebrauchen könnte.
Johanniskraut
Gestern hörte ich in einen Podcast von John Kempf rein, in dem er Charles Eisenstein interviewt: regenerativeagriculturepodcast.com/episodes/episode-86-charles-eisenstein/. John Kempf ist Amish und befasst sich mit regenerativer Landwirtschaft. Ich dachte immer, daß sich die Amish von aller neumodischen Technologie fernhalten. Aber da lag ich wohl ziemlich daneben. Charles Eisenstein spricht darüber, daß die Trauer über den Verlust so vieler Arten ihn zum Umweltschützer gemacht haben. Beide kommen dann auf die Glühwürmchen zu sprechen. John Kempf berichtet, daß auch in seiner Region die Glühwürmchen selten geworden sind, obwohl er das Privileg habe, in einer pestizidfreien Umgebung zu leben. Ich habe zum letzten Mal Glühwürmchen 2006 im Pfälzer Wald gesehen und heute ertappe ich mich ab und zu dabei, daß ich mir wieder Mücken auf der Windschutzscheibe wünsche. Immerhin sehe ich jetzt häufiger Marienkäfer, die sich über die reichlich anwesenden Blattläuse auf den dicken Bohnen hermachen. Ich glaube, daß ein angstmotivierter Umweltschutz nicht nur wirkungslos sondern kontraproduktiv ist. Heilung kommt durch die Liebe zum Lebendigen, zum Wilden, zum Freien.
hat mir große freude gemacht zu lesen!