Maskenball

Die neue Regierung hat uns vor einigen Monaten für den 20. März den Freedom Day, also das Ende aller Corona-Maßnahmen versprochen. Nun, es ging so wie mit allen anderen Versprechen, es wurde nicht eingehalten. Stattdessen werden die Maßnahmen je nach Bundesland in einem schleppenden Tempo zurückgefahren. In Schleswig-Holstein wurde am 2. April die Maskenpflicht aufgehoben, allerdings nicht für alle Bereiche. Und die Händler dürfen selbst entscheiden, ob sie diese beibehalten oder nicht. Am Dienstag fuhr ich zum Geschäft eines Bekannten, in dem ich das letzte Mal vor über zwei Jahren war. An der Tür machte ein Schild mich darauf aufmerksam, daß hier weiterhin eine Maske getragen werden müsse. Ich ging schlecht gelaunt rein und fragte die Verkäuferin nach den Gründen. „Wegen der Sicherheit und weil die Infektionszahlen weiterhin so hoch sind“, antwortete sie hinter ihrer Plexiglasscheibe. Meine Lust, in diesem Laden in Ruhe herumzustöbern und vielleicht etwas zu kaufen, fiel auf den Nullpunkt. Ich bin widerwilliger denn je, mir diesen gesundheitsschädlichen Rotzlappen vor die Nase zu binden.

Etwas ängstlich fuhr ich heute nach Kiel. Was würde mich dort erwarten? Würde ich meinen Vorsatz, nur da einzukaufen, wo ich mit freiem Gesicht reinkäme, erfüllen können? Beim Biobäcker hing kein Schild mehr vor der Tür. Ich ging maskenlos rein. Die Verkäuferin zog ihre Maske hoch, als sie mich sah. Als ich sie darauf ansprach, erklärte sie: „Zu meiner eigenen Sicherheit“. Meinetwegen, wenn es ihr damit besser geht.

Auf dem Markt war es ohnehin kein Problem. Dort ist seit einigen Wochen auch das Schlangestehen abgeschafft. Anschließend benutzte ich die öffentliche Toilette. Ein Schild wies mich auf die weiterhin bestehende Maskenpflicht hin. Ich ging ohne Maske rein und wartete vor den verschlossenen Kabinen. Dabei hörte ich zu, wie sich zwei Marktfrauen eifrig über das schäbige Wetter unterhielten, untermalt von Pinkelgeräuschen. Die Toilettenfrau kam mit ihrem Schrubber rein. Sie trug ihre Maske unter dem Kinn, sah mir ins Gesicht und sagte gut gelaunt: „So geht das ja nun nicht.“ „Was denn?“ fragte ich. „Na, das Wetter“, antwortete sie. Dann entspann sich ein Gespräch zwischen den beiden Marktfrauen, die immer noch auf dem Klo saßen, der Toilettenfrau und mir. Ich muss sagen, daß ich mich in dieser Umgebung fast heimisch fühlte und fand die 50 Cent-Klobenutzungsgebühr gut angelegt. Kurz dachte ich auch, daß Klofrau vielleicht gar nicht der schlechteste, wenn auch ziemlich unterbezahlte Beruf ist.

In meiner Bank herrschte immer noch Maskenpflicht. Ich benutzte den Geldautomaten im Eingangsbereich und widerstand der Versuchung, der Überwachungskamera die Zunge aus meinem maskenfreien Gesicht rauszustrecken.

Zuletzt ging ich in den Stoffladen, um Garn zu kaufen und nach einem Schnitt für einen Sommerrock zu schauen. An der Tür wies ein Schild mich darauf hin, daß man das Tragen einer Maske empfehle, zu meiner und der Sicherheit der Angestellten. Ich muss ja nicht jeder Empfehlung folgen, ging also ohne Maske rein und wurde von einer ebenfalls unmaskierten Verkäuferin begrüßt.

Auf der Rückfahrt musste ich sehr über die Slogans auf den Wahlplakaten lachen, z. B. „Mobilität ist -Freiheit“ von einer der Regierungsparteien. Ja, ihr Schlauberger: erst kassiert ihr unsere Grundrechte und damit unsere Freiheit und dann wird Freiheit neu definiert als Mobilität. Und das bei Spritpreisen, die jeden Normalverdiener dazu bringen, das Auto möglichst oft stehenzulassen und die Pendler alt aussehen lässt. Und falls Mobilität mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gemeint sein sollte: die kann man sich auch kaum leisten.

Wieder zu Hause traute ich meinen Augen nicht: da lag Schnee vor der Tür. Den hatte es am Morgen noch nicht gegeben und auch nicht in Kiel.

Alles in allem war es ein sehr lustiger Tag.

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