Nachtrag zu meinem letzten Post: um ehrlich zu sein, bin ich natürlich zu dem Arzt gegangen, zu dem ich eigentlich nie wieder gehen wollte, weil ich Hilfe brauchte und sie mir von ihm erhoffte. Daß er was kann, habe ich ja schon einige Male erlebt. Die Einsicht, daß ich mit allen reden können müsste, gerade in heutigen Zeiten, kam danach.
Seit einiger Zeit mache ich mir Gedanken über das Gendern. Ich lege schon Wert darauf, als Frau angesprochen zu werden und wenn auf der Homepage einer neu gegründeten Genossenschaft als ein Grundprinzip „Brüderlichkeit“ angegeben wird, deute ich das so, daß diese Leute keine Frauen dabei haben wollen. Andrerseits nimmt das Gendern mittlerweile Ausmaße an, die ich nur noch krampfhaft finde. Dann schickte mir meine Tochter den Artikel eines Linguisten zum Thema, der auf den Nachdenkseiten erschienen ist (an dieser Stelle eine Empfehlung für die Nachdenkseiten: da gibt es zwar auch Meinungsjournalismus, aber man hat hier die Möglichkeit, einige Dinge zu erfahren, die in den Leitmedien einfach nicht auftauchen, z. B. eine kritische Berichterstattung zum Krieg in der Ukraine und wie es dazu kam).
Die Argumente von Ralf Vogel gefallen mir. Ich wiederhole sie jetzt nicht, man kann sie ja nachlesen. Sprache ist sehr persönlich und sie muss frei sein. Wenn man Menschen bestimmte Worte aus Gründen der politischen Korrektheit vorschreibt, dann heißt das noch lange nicht, daß sie auch so denken. Ich benutze gern gelegentlich Kraftworte, man kann sie auch vulgär nennen. Das mag eine Folge der strengen Erziehung meiner Eltern sein, die sehr viel Wert auf kultiviertes Sprechen legten. Auf jeden Fall macht mir eine deftige Ausdrucksweise oft Freude. Wahrscheinlich gefällt das nicht jedem. Aber ich werde verstanden und das ist die Hauptsache.
Und das muss ich auch anderen zugestehen. Ralf Vogel mag nicht gendern. Das verstehe ich, auch wenn es mich betrübt, daß er wieder zum generischen Maskulinum übergegangen ist. Ich fände es sehr reizvoll, zur Abwechslung mal das generische Femininum zu nehmen, schon deshalb, weil in den meisten weiblichen Begriffen der männliche enthalten ist. Beispiel: Mitarbeiter-in. Aber dafür ist wahrscheinlich die Zeit noch nicht gekommen.
So wie Ralf Vogel sich die Freiheit nimmt, überwiegend die männliche Form zu benutzen, kann ich mir die Freiheit nehmen, so zu sprechen, wie es mir gefällt. Da kommt dann öfter die weibliche Form vor, schon deshalb, weil ich als junge Frau noch erlebt habe, daß Frauen Menschen zweiter Klasse waren. Beispiel: als junge verheiratete Frau brauchte ich die Erlaubnis meines damaligen Ehemannes, um arbeiten und mein eigenes Geld verdienen zu dürfen. Dieses Gesetz wurde 1979 aufgehoben. Sprache ist lebendig und kann nicht von oben diktiert werden. Ich halte es mit Pippi Langstrumpf und mache mir die Sprache so, wie sie mir gefällt. Das heißt, daß ich dann schon mal Worte wie Körperin (habe ich von Ilan Stephani übernommen) oder Planetin benutze, einfach weil es mir Spaß macht. Überhaupt liebe ich Sprache. Ich mag die deutsche Sprache für ihre Präzision, aber auch im Englischen und Französischen mache ich immer wieder schöne und spannende Entdeckungen. Wie öde, wenn sich alle nur noch politisch korrekt ausdrücken.
Übrigens Pippi Langstrumpf: diese Bücher habe ich als Kind sehr gemocht. Und mich hat nicht im mindesten gestört, daß ihr Vater Negerkönig war. In den neuen Ausgaben hat man aus dem Negerkönig eine Südseekönig gemacht. Wahrscheinlich rotiert Astrid Lindgren in ihrem Grab, vielleicht steht sie auch über all dem Irrsinn. Es gab ja mal Zeiten, da war das Wort Neger keineswegs diskriminierend. Die Schwarzen nannten sich ja selbst „negroes“ und das heißt einfach nur Schwarzer. Wenn heute einer von People of Colour spricht, ist damit keineswegs garantiert, daß er frei von Rassismus ist. Was man Pippi Langstrumpf mit dem Südseekönig angetan hat, ist eine Form von Zensur. Konsequenterweise müsste dann die ganze Bibel umgeschrieben werden, denn da wimmelt es nur so von frauenverachtenden und sonstwie diskriminierenden Ausdrücken.
Ich bette gleich meine Körperin zur Ruhe und wünsche allen Menschen lustvolles Spielen mit Sprache.