Jetzt ist also die neue Corona-App da. Und Regierung und Entwickler freuen sich, weil schon 7 Millionen Deutsche sie sich aufs Smartphone geladen haben. Ich gehöre nicht dazu und werde es auch in Zukunft nicht. Auch wenn der Chaos-Computer-Club sie wegen ihrer Sicherheit lobt. Es ist nicht so, daß ich große Geheimnisse hätte. Ausspioniert wird sowieso jeder und jede, die sich im Internet rumtreibt. Das gehört einfach zum Geschäftsmodell der Softwarefirmen. Die erhobenen Daten werden benutzt, um künstliche Intelligenz zu entwickeln. Ich werde das sabotieren, wo ich nur kann. Ich brauche kein selbstfahrendes Auto und keine Alexa, die meine Heizung oder mein Radio anstellt. Noch kann ich das alles selber.
Nein, ich bin nicht so vermessen zu glauben, daß ich nicht krank werden kann. Ich gehöre sogar zur Risikogruppe, weil ich über 50 bin und mehr als 20 Jahre lang starke Raucherin war. Das hat in meiner Lunge sicherlich Spuren hinterlassen. Ich bin mir auch bewusst, daß Sterben zu meinen Möglichkeiten gehört. Und wenn es denn so sein soll, dann ist es so. Was für mich zählt ist dieses: das zu verwirklichen, wofür ich auf diese schöne Erde gekommen bin, voll und ganz zu leben, zu lieben, mein ekstatisches Potenzial auszuschöpfen, die Schönheit dieser Planetin zu genießen. Neulich wurde ich gefragt, ob ich schon immer so gedacht habe. Nein, habe ich nicht. Ich bin wie soviele in unserer Kultur aufgewachsen mit dem Bewusstsein, daß Leistung, Fleiß und Selbstüberwindung wichtig sind. Ich habe die protestantisch-kapitalistische Arbeitsethik bis in meine Körperzellen verinnerlicht. Und ich habe viele Jahre gebraucht und bin noch dabei, mich davon wieder zu verabschieden. Die Einsicht, daß es um Freude geht und daß der Tod nichts Schreckliches ist, was es um jeden Preis zu vermeiden gilt, habe ich mir nicht erarbeitet. Sie war eher ein Geschenk des Lebens. Angst vor Krankheit hat in meinem Leben seit langer Zeit einen sehr untergeordneten Platz. Der Tod kann jeden Tag kommen, plötzlich und unerwartet, wie es so schön heißt. Und bis dahin will ich in vollen Zügen leben! Je älter ich werde, desto mehr gelingt mir das.
Ich habe ein neues Notebook, nachdem mein noch gar nicht so altes nicht mehr in der Lage war, Updates zu verarbeiten und ständig offline ging. Die Techniker, die sich vergeblich an der Reparatur versuchten, fanden übrigens, daß ich nach sechs Jahren mal was Neues anschaffen könnte. Ich finde es ziemlich abartig, daß der Kongo für seltene Erden ausgeplündert wird, mit deren Hilfe Geräte gebaut werden, die man nach wenigen Jahren wegschmeißen kann. Aber über mein neues Notebook freue ich mich. Es ist nämlich gar nicht neu, sondern benutzt, generalüberholt und mit dem neusten Betriebssystem ausgestattet und hat darüber hinaus einen Bruchteil von einem neuen gekostet. Ein Freund meiner Tochter, der Experte ist, hat es im Internet für mich ausfindig gemacht. Es funktioniert richtig gut und sieht außerdem sehr ansprechend aus. Jetzt schaue ich mal, ob ich jemanden finde, der mit meinem alten noch was anfangen kann.
In den letzten zwei Tagen habe ich die Buchsbaumhecke in meinem Garten in Form geschnitten, mit reiner Muskelkraft. Das war anstrengend, besonders bei gleißendem Sonnenschein (ich holte mir dabei auch gleich den ersten Sonnenbrand dieses Jahres). Abends war ich ziemlich erledigt, aber auch sehr zufrieden mit meiner Arbeit. Solange ich gut funktionierende Muskeln habe, gibt es bei mir keine Motorgeräte, die nervtötenden Lärm machen und Strom fressen. Heute Morgen fuhr ich zum Einkaufen nach Selent mit dem Fahrrad. Ich stelle immer wieder fest, wie gut körperliche Bewegung tut, auch wenn sie mal anstrengend ist. Sie hebt einfach die Stimmung.
Ich bin gespannt, ob „systemrelevant“ das Unwort des Jahres 2020 wird. Unten sind zwei Gegenstände aus meinem Haushalt, die für mich systemrelevant sind: Krug und Pömpel.
Neulich habe ich bei Tochter und Schwiegersohn Musik gehört, die mich in der Tiefe angesprochen hat: das Stück Churchyard der jungen Norwegerin Aurora (das ist ihr echter Vorname). Wenn ihr euch das auf YouTube anseht, nehmt die Live on KEXP-Version. So stelle ich mir eine nordische Elfe vor, diese intensive Stimme und diese ekstatischen Bewegungen. Beeindruckend!