Am Mittwoch bekam ich eine Anruf von A. Er bot mir einen Schwarm von den Bienen an, die er vor zwei Jahren von mir bekommen hat. Ich sagte das Treffen mit meiner afghanischen Familie ab, holte den Schwarm ab und ließ ihn in den leeren Top Bar Hive einziehen. Jetzt leben wieder zwei Völker in meinem Garten. Ich freue mich sehr und finde es schön, daß sich Kreise immer wieder schließen. Es gibt mittlerweile ein Netz von befreundeten Imker*innen in meiner Umgebung.
Für den Samstag hatte ich ein Mai-Vollmond-Ritual geplant. Eigentlich ist Ritual nicht das richtige Wort: ich wollte ganz formlos an meinen heiligen Platz in der Nähe gehen, einfach nur da sein und der Erde, den Tieren, dem Wind, dem Wasser lauschen. Immer mehr merke ich, daß die Zeit der Rituale in der Form, wie ich sie viele Jahre praktiziert habe, nicht mehr stimmig ist. Nicht für mich jedenfalls. Ich bin ja immer so aktiv und mache sehr viel, weil ich es für wichtig und notwendig halte. Wie wäre es denn, wenn ich einfach gelegentlich nur mit meinen Sinnen da bin und wahrnehme? Vielleicht ergibt sich dann eine Handlung, vielleicht auch nicht. Weiß ich denn, was die Erde von mir wünscht, wenn ich immer nur im Handlungmodus bin? Wohl kaum.
Es kam dann anders: mein Lieblingskollege H. und ich brauchten einen Termin für die Vorbereitung unserer Abschiedsparty aus der Klinik (es ist schon der dritte und keineswegs der letzte – ich hätte nie gedacht, daß so eine große Party soviele Vorbereitungstreffen erfordert). Und da ging für uns und die Frau, die das Catering hauptverantwortlich macht, nur der Samstag. Mein formloses Ritual schrumpfte also auf zwei Stunden. Auf dem Weg sah ich den frisch mit Glyphosat gespritzten Randstreifen unter dem Elektrozaun um die große Schafweide. An meinem Platz zeterte mich ein Star mit insektengefülltem Schnabel an, ein zweiter fiel in das Gezeter mit ein. „Ich komme in friedlicher Absicht“, sagte ich zu beiden, „bitte entschuldigt die Störung.“ Ich setzte mich auf einen umgestürzten Baumstamm und die Stare beruhigten sich. Aber ich konnte keine Ruhe finden. Ich fror und hatte das Bild mit den sterbenden Grasbüscheln vor Augen. Nach einer Weile ging ich. Auf dem Rückweg kam ich an den Schafen vorbei. Da fiel mir auf, daß die Lämmchen lange Schwänze hatten, die Mutterschafe aber nur noch Stummel. Sie wurden also amputiert. Man braucht sich gar nicht über die Australier und Neuseeländer mit ihrem Mulesing (Skalpieren der kompletten Gesäßhaut ohne Betäubung) aufregen, hier in Deutschland wird genau so eine Scheiße gemacht. Zu Hause angekommen fand ich dann, daß jetzt doch eine rituelle Handlung notwendig sei: bei soviel menschengemachtem Elend mussten die nicht-sichtbaren, mehr-als-menschlichen uralten Kräfte des Wandels zu Hilfe gerufen werden. Ich rief also singend, trommelnd und räuchernd Oya, die mich seit etwa 25 Jahren begleitet.
Heute wollte ich eigentlich nach Hamburg zum De Immen-Treffen fahren. Die Fahrkarte war gekauft, gestern Abend hatte ich für das Mittagsbuffet gekocht. Ich war seit einem Jahr bei keinem Imkertreffen mehr, weil es nie mit meinen Dienstzeiten passte. Ich mag diese Treffen sehr; es gibt da einige Menschen, die ich sehr schätze, und ich liebe den Austausch und die neuen Impulse. Aber als ich gestern mit allem fertig war, war ich so missgestimmt bei dem Gedanken, um 4:00 aufstehen zu müssen und erst gegen 20:00 abends wieder zu Hause zu sein. Ab Montag geht es wieder in die Klinik und frühestens in einer Woche habe ich die Gelegenheit, ohne Wecker aufzustehen und im Aufwachen meinen Träumen nachspüren zu können. Ich hatte bis jetzt zu wenig Zeit, mich um den Garten zu kümmern, alles muss mal wieder schnell schnell gehen.
Plötzlich wusste ich: ich fahre nicht zum De Immen-Treffen. Ich bedauere das, aber es fühlt sich richtiger an, heute mal zu Hause zu bleiben. Und der heutige Tag hat das bestätigt. Ich habe im Garten rumgepusselt und die Sonne genossen, hatte Zeit mit der Katze zu schmusen und zu entdecken, was alles in den Beeten wächst.