Die Ostertage verbrachte ich bei schönstem Wetter in Flensburg und Umgebung. Der Genuss wurde jedoch durch meine Befürchtung überschattet, daß es in diesem Jahr wieder zu einer Dürre wie im letzten Jahr kommen könnte. J., einer meiner Mit-Flüchtlingshelfer, erzählte mir neulich auf dem Weg zu einem Treffen, daß der Selenter See immer noch nicht den alten Spiegel wieder erreicht hat. Aber was kann ich tun? Ich kann nur so gut wie möglich meinen Garten bestellen. Während ich die Beete bearbeite, erkenne ich, daß meine Bemühungen der letzten Jahre Früchte tragen: der Boden ist bedeckt mit Wildkräutern, darunter ist die Erde locker und feucht. Ich hacke nur noch oberflächlich und lasse die ausgehackten Wildkräuter antrocknen und liegen. So gebe ich der Erde zurück, was ich genommen habe und sorge dafür, daß neuer Humus entstehen kann. Die Bienen tummeln sich in den üppig blühenden Apfelbäumen, die Rauchschwalben haben den Schuppen wieder bezogen. Auch die Gartenrotschwänzchen sind seit einigen Wochen wieder zurück. Man sagt ja immer, Vögel singen, um ihr Revier zu markieren. Wenn ich mit geschlossenen Augen im Garten sitze und dem vielstimmigen Gesang der Vögel zuhöre, spüre ich, daß es Freude ist, die sie zum Singen bringt: Unbändige Freude über die Schönheit des Frühlings! Die Denkweise unserer Kultur funktioniert immer nach dem Muster: man macht etwas, um zu… Lust und Freude kommen darin quasi nicht vor. Ich glaube, alles würde sich ändern, wenn wir Dinge aus Freude und in Schönheit täten. Und das sein ließen, was wir nicht mögen.
Daß Greta Thunberg Atomkraft als Alternative erwähnt hat, finde ich eine ziemlich schlechte Idee. Und warum sie den Papst besucht hat, kann ich auch nicht nachvollziehen. Die Häme und Strenge, mit der sie von einigen überzogen wird, finde ich allerdings ziemlich selbstgerecht. Den Menschen, die sich im Netz kritisch dazu äußern, daß sie sich über Facebook verständigt und auf diese Weise den CO2-Ausstoß vorantreibt, möchte ich gern sagen: Packt euch an eure eigenen Nasen, solange ihr Computer und Smartphones benutzt.
Daß sie den Erwachsenen Vorhaltungen macht und ihnen die Schuld an dem Dilemma gibt, in dem wir uns befinden, ist nicht angenehm, aber inhaltlich durchaus richtig. Ich nehme das nicht als persönliche Beleidigung. Ich habe, als ich in Gretas Alter war, meinem Vater vorgeworfen, daß er als Soldat im 2. Weltkrieg gekämpft hat. Sein Einwand, daß eine Weigerung unmittelbar zu seiner Erschießung geführt hätte, habe ich mit den Worten weggewischt: „Einen kann man erschießen, vielleicht auch 100. Aber mehrere Tausend nicht.“ So war ich damals: sehr streng, sehr selbstgerecht. Ja, auch meine Generation hat demonstriert und sich gegen die herrschenden Zustände gestellt. Und auch wir haben damals Dinge für richtig gehalten, die ich mittlerweile ziemlich peinlich finde: z. B. haben wir den chinesischen Sozialismus für erstrebenswert gehalten. Ich gestehe mir zu, daß ich Fehler mache und immer noch dazu lerne. Und das Gleiche gestehe ich den jungen Menschen zu. Daß es überhaupt zu einer neuen Bewegung gekommen ist – außer Fridays for Future noch Extinction Rebellion – finde ich erst mal begrüßenswert. So werden neue Bewusstseinsprozesse in Gang gesetzt.
Meine Tochter und ich haben festgestellt, daß es viele Fotos gibt, auf denen ich gerade kaue.