Freiheit

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Flensburger Hinterhof

Am Montag fuhr ich mit anderen Selenter Flüchtlingshelfer*innen nach Raisdorf zu einem Vortrag von Jens Leutloff, der schon im Mai zum Thema „Frauen im Islam“ in Schellhorn referiert hatte. Ich habe am 13. Mai darüber gepostet. Dieses Mal ging es um muslimische Männer und was Migration mit ihnen macht. Es gab da einen lustigen Moment, als Herr Leutloff erzählte, er habe im Blog einer Teilnehmerin der Veranstaltung im Mai gelesen. So wie er das schilderte, bin ich mir sicher, daß er meinen Post „Können Männer Feministen sein“ gelesen hat. Mir ist schon aufgefallen, daß der erstaunlich häufig aufgerufen wird.

Auch dieser Vortrag gefiel mir gut. Und es wurde einmal mehr deutlich, daß Jens Leutloff ein positives Menschenbild hat, daß ihm sehr an der Gleichstellung von Männern und Frauen gelegen ist, daß er absolut kein Freund des patriarchalen Familien(auslauf)modells ist. Und was mich regelrecht gerührt hat: er wirkt an einem neuen und positiven Männerbild mit. Solche Männer können wir alle gebrauchen: die nicht darüber jammern, daß ihnen die Privilegien weggenommen werden, sondern die sich daran machen, Männer von den vielen Schichten aus Pseudomännlichkeit zu befreien und ihnen zu helfen, die zu sein, als die sie vom Leben gemeint sind. Und ich weiß ganz genau, daß Gewalttätigkeit und Dominanz nichts ursprünglich Männliches sind und daß viele Männer sich danach sehnen, ihre fürsorglichen und liebevollen Möglichkeiten zu verwirklichen. Ilan Stephani sagte im Sommer, Männer wollten Frauen glücklich machen und das sei ihr größtes Geheimnis. Das glaube ich ihr sofort, weil ich es auch so erlebt habe.IMG_1951

geheimnisvoller Laden in Flensburg: No Exit

Meine Tochter meinte neulich, daß die alten Feministinnen den falschen Feind gehabt hätten, nämlich die Männer. Ich als alte Feministin finde: Ja und Nein. Ich habe lange die Männer für die Benachteiligungen, Übergriffe und Zumutungen verantwortlich gemacht, die ich in meinem Alltag erlebt habe. Jeder Bericht über Vergewaltigungen und ausbeuterisches Verhalten hat meine Wut angefacht. Das war eine schwierige Zeit, weil ich gleichzeitig Beziehungen zu Männern hatte und mir gewünscht habe, ich könne gut über sie denken. Ich bin Vatertochter, mein Vater war in unserer Familie meine Vertrauensperson, an ihn habe ich mich gewendet, wenn ich etwas auf dem Herzen hatte. Mit meiner Mutter konnte und wollte ich das nicht. Dann kam die Pubertät und mein Vater hat mir die Freiheit genommen, indem er mir alles verboten hat, was ich gern machen wollte. Er wollte mich beschützen und hat damit bewirkt, daß ich zur Rebellin wurde.

In der feministischen Szene habe ich Frauen gekannt, die sehr verächtlich über Männer redeten und im gleichen Satz erzählten, wie leicht man sie ins Bett bekäme. Was denn jetzt: ihr findet Männer scheiße und geht dann mit ihnen ins Bett? Das erinnert mich an solche Männer, die Prostituierte verachten und gleichzeitig regelmäßig ihre Kunden sind. Schizophren!

Es hat lange gedauert, bis ich meinen Frieden mit Männern geschlossen habe. An diesem Heilungsweg haben viele Männer mitgewirkt, u. a. mein letzter Ehemann, Kollegen und Freunde. Männer sind nicht meine Feinde. Und die Welt wird keinen Funken besser, wenn Männerbashing betrieben wird. IMG_1948

Schaufenster des geheimnisvollen Ladens

Ich bin jetzt 66 Jahre alt und führe ein zufriedenes Leben. Ich habe alles, was ich brauche. Seit meiner Pubertät hat mich eine große Sehnsucht nach Freiheit getrieben und in dieser Freiheit lebe ich jetzt. Um ganz ehrlich zu sein, fühle ich mich vollständig frei, seit ich keine feste Beziehung zu einem Mann mehr habe. Manchmal bin ich selbst erstaunt, daß ich so selbstgenügsam lebe. Ich war in den letzten 12 Jahren nur einmal in einen Mann verliebt. Daß nichts daraus geworden ist, war nicht wirklich schlimm: ich habe mich gefreut, daß ich zu solchen Gefühlen noch fähig bin und konnte den Mann ohne Groll und Schmerz gehen lassen. Aber in den letzten Wochen denke ich manchmal, daß es schön wäre in diesem Leben noch einmal die Erfahrung einer Beziehung in völliger Freiheit zu machen. Das heißt: den anderen vollständig zu respektieren, ihn nicht verändern zu wollen, ihn seine Wege gehen zu lassen, keinerlei Erwartungen an ihn zu haben. Das würde allerdings auch bedeuten, daß wir keinen gemeinsamen Haushalt haben. Die Besuchsehe scheint mir ohnehin das Modell der Zukunft. Ja, das würde mir gefallen.

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