In unserem Garten in Münster stand ein großer Kirschbaum. Bevor er an Monilia starb habe ich jedes Jahr zur Blütezeit unter ihm gestanden. Dort gab es immer eine ganz besondere Stimmung. Vielleicht leben ja Feen in blühenden Bäumen (die Fee Viviane hatte bekanntermaßen eine besondere Beziehung zum Weißdorn). Dieselbe magische Stimmung habe ich unter diesem großen blühenden Schlehdorn in der Kieler Esmarchstraße gehabt.
Heute saß ich bei wunderschönem Sonnenschein im Garten und genoss die vielstimmigen Laute der Vögel, das Summen der Bienen, die bunten Farben, die das Sonnenlicht auf die Netzhaut meiner geschlossenen Augen zauberte. Ich dachte mal wieder mit Dankbarkeit daran, daß das Leben mich hierhin geführt hat. Heute musste ich über mich selbst lachen, als ich mich dabei ertappte, daß mich alltägliche Hindernisse in eine energieraubende Alarmstimmung gebracht hatten.
Das bestellte Olivenöl war nicht angekommen. Ich hatte dem Initiator der Lebensmittelkampagne eine Mail geschrieben und hegte schlimmste Befürchtungen. Mein Virenschutzprogramm war nicht wie sonst automatisch verlängert worden, vermutlich hatten sie meine neue Mailadresse nicht, und die Supportseite mit ihren vorgefertigten Fragen konnte mir auch nicht weiterhelfen. Nach langem Suchen fand ich schließlich auf dieser unübersichtlichen Seite eine Telefonnummer. Ich malte mir in schillernden Farben aus, daß ich wie schon einmal erlebt, in einer Warteschleife landen würde, zigmal weiterverbunden werden würde …ich sah diverse Schwierigkeiten auf mich zukommen und fand das digitale Leben nervig und zeitraubend (was es tatsächlich ist und was mich mal wieder bestätigt, warum ich keinen Facebookaccount, kein WhatsApp und keine sonstigen angeblich so praktischen Angebote haben will). Dann kam ein Anruf: mein Olivenöl sei auf dem Weg und ja, tatsächlich war ihnen meine Bestellung durch die Lappen gegangen und Entschuldigung dafür. Ein Anruf beim Virenschutzprovider ohne Warteschleife: der Mann am anderen Ende der Leitung sprach mit osteuropäischem Akzent und ich befürchtete gleich, daß die Verständigung wohl schwierig werden könnte. Aber nein, alles ließ sich in kurzer Zeit regeln. Es lag tatsächlich an meiner ungültigen Mailadresse. Ich bekam eine Mail mit den Zugangsdaten und alles paletti.
Immer schnell das Schlimmste annehmen ist eine alte Gewohnheit, die aus meiner mütterlichen Familie zu stammen scheint. Ich würde mir das gern abgewöhnen können. Es hätt noch immer jot jegange, sagen die Kölner ja so passend. Wenn ich mir das zum Lebensmotto machen könnte!
In den letzten Tagen habe ich mich wieder mal mit dem Labyrinth beschäftigt. Woher dieser Impuls kam, kann ich nicht sagen. Er war plötzlich da und ich musste ihm folgen. Alles, was ich über das Labyrinth weiß, habe ich bei Alma mater erfahren: Li Shalima hat uns in Theorie und Praxis dieses uralte Lebenssymbol nahegebracht. Wir haben Rituale im Labyrinth gefeiert, sind singend und im Pilgerschritt hinein- und hinausgegangen, haben Labyrinthe gelegt, gezeichnet und mit Beckenbewegungen beschrieben. Das Labyrinth steht für vieles: für den Lebensweg, für Geburt, Leben, Tod und Wiedergeburt, für Selbsterkenntnis, für Mutter und Kind (bei den Hopi), für die Gebärmutter, für den Jahreskreis. Es ist in den meisten Kulturen der Erde bekannt. Mittlerweile hat sich auch die Kirche das Labyrinth angeeignet. Das sie sich seit ihrem Bestehen alte heidnische Symbole, Riten und heilige Orte einverleibt, ist ja bekannt. Und wie immer wird kein Wort darüber verloren, woher man dieses Symbol genommen hat. Stattdessen tut man so, als sei es etwas Urchristliches. Das finde ich ärgerlich.
Li Shalima hat mal gesagt, daß in ihrer Vorstellung überall, wo heute ein Gekreuzigter hängt, sich ein Labyrinth befinden müsste.
Das beeindruckenste Labyrintherlebnis hatte ich zur Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche 2006 auf dem Velmerstot im Teutoburger Wald in der Nähe der Externsteine. Von Li Shalima gibt es ein Wand-Bilderbuch mit Drucken ihrer eigenen Labyrinthkunst und erklärenden Texten: Ursymbol Labyrinth TÁ PU ÀT.