Vor einigen Tagen las ich in einer Zeitung, daß Robert Habeck von den Grünen bestimmte Wirtschaftsbereiche nach vorn bringen und den Konsum steigern möchte. Da stellen sich mir nicht nur die Nackenhaare auf! Vor nicht allzu langer Zeit hat er laut darüber nachgedacht, daß man Gentechnik zulassen könne, wenn sie den Hunger auf der Erde eindämmen hilft. Die Grünen können sich mühelos in eine Reihe mit FDP, CDU und SPD stellen. Sie beten das gleiche obsolete Wachstumsparadigma wie die anderen Parteien herunter, obwohl doch mittlerweile bekannt sein könnte, daß genau dieses Paradigma dazu geführt hat, daß immer schneller immer mehr Arten von dieser Planetin auf Nimmerwiedersehen verschwinden und letztlich auch die menschliche Gattung. Was soll das?
Und auch „grüner“ Konsum ist keine Funken besser: für jedes Elektroauto, jedes Windrad und jedes Solarpanel werden Coltan und Kobalt gebraucht. Um die zu bekommen, müssen wir Länder wie den Kongo ausbeuten, wo Menschen unter entsetzlichen Bedingungen für den Westen arbeiten und sterben und wegen dieser Rohstoffe seit mindestens 30 Jahren Krieg herrscht.
Ich muss an mich selbst denken: ich habe zehn Jahre gebraucht, bis ich es ganz und gar und nicht nur für ein Jahr oder ein paar Monate geschafft habe, mit dem Zigarettenrauchen aufzuhören. Ich wusste, daß es schädlich war (das weiß jeder Süchtige), ich hatte üblen Raucherinnenhusten und eine beginnende Parodontose und habe mich vor Lungenkrebs gefürchtet, aber aufhören konnte ich nicht.
Letztlich ist jede Sucht und dazu zähle ich auch das bewusstlose Konsumieren von Dingen, die wir gar nicht brauchen, ein Ersatz für etwas, was uns diese Kultur genommen hat: die Verbindung zum Großen Ganzen, zu Natur und damit meine ich auch unsere inneren Natur, unsere Instinkte, unsere Lebendigkeit, unser Fühlen.
Heute las ich in Climate – a new Story von Charles Eisenstein: „When a species goes instinct something dies in us too; we cannot escape the impoverishment of the world we live in.“ (Wenn eine Art ausstirbt, stirbt auch in uns etwas; wir können der Verarmung der Welt, in der wir leben, nicht entkommen.)
Die weiße Gattung lebt seit ca. 8000 Jahren in einer permanenten Kriegsmentalität. Immer gibt es etwas Äußeres, was bekämpft und besiegt werden muss. Ob das wahlweise die Russen, die Vietcong, der IS, die Taliban, die Drogen, die Masern, Ebola, Wölfe, Unkräuter usw. sind, es funktioniert nach demselben Muster: Erst wird tüchtig Angst geschürt, dann hat man die Leute soweit, daß sie bereit sind, alles zu tun, um der drohenden Gefahr zu entkommen: zu kämpfen, sich impfen zu lassen, Desinfektionsmittel benutzen, Wölfe zum Abschuss freigeben … Die Gegner wechseln, der Krieg bleibt. Es ist schon seltsam, daß ganz viele Menschen den Umstand, daß Krieg eine relativ neue Erfindung in der Geschichte von Homo sapiens ist, vehement bestreiten. Da werden dann gern die Schimpansen als Beispiel dafür angeführt, daß es schon immer Krieg gegeben hat. Irgendwas an der Vorstellung von Krieg als fest in unsere Gene programmiert scheint attraktiv zu sein, ich habe nur noch nicht rausgefunden, was. Es wäre doch viel tröstlicher zu erkennen, daß wir uns vor einigen Tausend Jahren auf einen Abweg begeben haben. Dann wäre auch eine Umkehr möglich.
Heute war ein weiterer sonniger Tag und die Bienchen flogen und badeten in den aufgeblühten Krokussen. Das tröstete mich.