Als ich jünger war, habe ich mir rauschhafte Erlebnisse (ich nannte sie damals kicks und thrills) gewünscht. Die gab es auch durchaus, aber eben nicht so häufig, wie ich es wollte. Mittlerweile freue ich mich viel häufiger und zwar über die schönen Begebenheiten, die der Alltag mit sich bringt. Ich weiß nicht, ob solche Begebenheiten sich öfter als früher ereignen oder ob ich sie einfach viel eher wahrnehme. Vielleicht ist es auch einfach die Resonanz darauf, daß ich insgesamt viel zufriedener und mit mir selbst im Reinen bin. Wie auch immer, gestern war mal wieder so ein ganz normaler und erfreulicher Tag.
Morgens trank ich im Dunkeln draußen meinen Kaffee. Als ich wieder im Haus war, sah ich ein beeindruckendes Morgenrot im Südosten, einfach nur schön. Ich fuhr nach Kiel zu meiner tollen Osteopathin, die mich mit sanften Berührungen behandelte, während ich in einen Dämmerzustand glitt, in dem ich viele Bilder sah. Ich kann mich nur noch an einen riesigen bunt dekorierten Vanillepudding erinnern. Nach der Behandlung war mir allerdings eher nach etwas Herzhaften: ich fuhr zum Fischladen am Blücherplatz. Das ist der beste Fischhändler, den ich kenne und erinnert mich an die Markthalle in Göteborg mit ihren vielen Fischständen. Ich kaufte die Zutaten für Sushi (das Maatin am Wochenende zubereiten will). Als ich nach Surimi fragte, sagte der Mann hinter der Theke, daß ich eine Kilopackung nehmen müsse, da sonst nie jemand Surimi kaufe. Ich fragte, warum er es dann vorrätig halte. Weil er einen Salat mit Ingwer daraus machte, „der ist superlecker“. Seine Kollegin bestätigte das sofort. Kurzentschlossen schenkte er mir eine kleine Portion Surimi-Ingwer-Salat und packte alles zusammen mit dem Fischbrötchen, das ich mir zum Frühstück leistete, in eine Papiertüte. Und wie er das machte! „Das Fischbrötchen obenauf, das essen Sie doch sicher gleich. Und dann lege ich Ihnen noch ein paar Papiertücher dazu.“ Der Mann hat Spaß an seiner Arbeit und er liebt die Dinge, die er zubereitet und verkauft, das war unübersehbar. Wir lachten alle und ich ging gut gelaunt aus dem Laden. Fischbrötchen und Salat waren köstlich. Allerdings habe ich auf der Packung gelesen, was in Surimi alles drin ist außer Fisch- und Krebsresten. Üblicherweise kommen keine Nahrungsmitteln mit so vielen Zusatzstoffen in meine Küche, aber diese Ausnahme muss mal sein. Maatins Sushi ist einfach zu lecker.
Dann musste ich zu Ikea, meine Tochter hatte mich beauftragt, etwas für sie zu besorgen. Ich hasse Ikea und bin extrem selten dort. Früher war das anders: als ich 1979 nach dem Examen endlich ein akzeptables Gehalt bekam, habe ich bei Ikea eingekauft und peu à peu unsere aus Sperrmüll bestehende Wohnungseinrichtung ersetzt. Als ich auf den Parkplatz fuhr, ahnte ich Schlimmes. Überall standen SUVs im Halteverbot. Aber dann fand ich ohne Probleme einen Parkplatz, ging durch den Kassenbereich in den Laden, fragte einen Angestellten nach dem Teil, das ich besorgen sollte, fand es sofort, passierte die langen Schlangen an den Kassen und ging an die Stelle, wo eine ihre Waren selbst einscannen kann. Ich war in zehn Minuten mit Ikea fertig und saß schon wieder im Auto und das im fettesten Weihnachtsrummel!
Ich muss mal wieder ein Buch empfehlen: Lieb und teuer von Ilan Stephani. Die Autorin hat zwei Jahre in einem Bordell in Berlin gearbeitet und ihre Erlebnisse sowie die Schlüsse, die sie daraus gezogen hat, aufgeschrieben. Das ist so spannend und anregend zu lesen, räumt mit so vielen Klischees über Huren und Freier auf, geht sehr in die Tiefe, lässt jegliche Moral außen vor und ist überaus klug geschrieben. Und es macht ganz deutlich, daß Männer nicht die Feinde von Frauen sind. Mir hat es mal wieder bestätigt, daß wir ein schönes Leben gemeinsam mit den Männern schaffen müssen und können.