Schöne Begegnung

Donnerstag gehe ich immer in Kiel auf den Markt und dann ins Café. Dort begegne ich meistens einer Frau in meinem Alter, die wie ich an der ausliegenden Süddeutschen Zeitung interessiert ist. Wir teilen sie uns dann. Heute hatte sie den politischen Teil und ich bekam erst mal das Feuilleton. Als ich mit dem Artikel über die kürzlich verstorbene Claudia Cardinale fertig war, reichte sie mir den Rest der Zeitung rüber. Aber ich kam gar nicht dazu, ihn zu lesen, weil wir das erste Mal plötzlich in einem Gespräch waren: daß die Süddeutsche vor vielen Jahren ziemlich gut gewesen und wie schlecht sie mittlerweile geworden sei. Es stellte sich heraus, daß wir uns richtig was zu erzählen hatten und in vielem eine ähnliche Sicht auf die Dinge haben. Ein erfreuliches Gespräch.

Bewohntes Hornissennest in einem gespaltenen Baum

Ich habe eine Doku über die Kundgebung „Stoppt den Völkermord in Gaza „mit Sahra Wagenknecht, Gabriele Krone-Schmalz, Dieter Hallervorden und einigen anderen Leuten in Berlin gesehen . Didi Hallervorden legte eine beeindruckende Show ab, sehr sehr toll und ergreifend. Der Mann ist fast 90. Alle Achtung! Und ein weiterer alter Mann hat mir sehr gefallen: Roger Waters von Pink Floyd per Video mit  einer vehementen und eindringlichen Botschaft. Jetzt bedauere ich, daß ich nicht dabei gewesen bin. Ich hätte auch gern Sahra Wagenknecht und Gabriele Krohne-Schmalz life mitbekommen.  Es tut gut zu sehen, daß es so viele tolle Menschen auf der Erde gibt.

Spätsommerfülle

Wermut

Heute regnet es ergiebig. Ich kann nichts im Garten tun. Auch gut, ein Tag zur freien Verfügung. Ich sehe den Staren zu, die spektakelnd im Zwetschenbaum sitzen und sich die Bäuche vollschlagen. Ich habe zwei Zwetschenkuchen gebacken, Zwetschen verschenkt und Zwetschen entkernt und eingekocht. Den Rest können sich gern die Stare holen.

Im Schuppen trocknen die Zwiebeln und der Knoblauch, die Kartoffeln sind geerntet, die Tomaten eingekocht, Huflattich, Melisse, Schachtelhalm und Wermut befinden sich in Kartons und Gläsern  und im Regal stehen etliche Gläser mit Apfelmus aus den Klaräpfeln. Oft denke ich an meine Oma und Mutter, wie sie im Sommer Beeren sammelten, Marmelade und Gelee kochten und Zwetschen, Kirschen und Apfelmus machten. Das stand dann alles im Keller in Holzregalen. Ich mag diese Tätigkeiten; sie verbinden mich mit der Fülle. Demnächst werde ich blühenden Efeu sammeln und wieder eine Medizin für meine Schilddrüse machen. Alles ist da, es muss nur erkannt werden.

Am Sonntag kam mein Imkerfreund HU vorbei und wir räumten gemeinsam den Stock des ausgeraubten Bienenvolks aus. Es waren nur fünf Waben gebaut worden, kein Tropfen Honig mehr – die Räuberinnen hatten ganze Arbeit gemacht. Dieses Volk war zu klein und schwach gewesen; es hatte einen schlechten Start und hätte den Winter nicht überlebt. Es war aber schön, alles gemeinsam anzusehen und sich auszutauschen.

Jetzt geht es auf die Herbst-Tag-und-Nachtgleiche zu und das ist auch die Zeit, in der für die Ernte gedankt.

Strecknitzaltar im Lübecker Dom

David Seven Deers sagte, daß wir Menschen in Europa in der Schule Geschichten aus dem Nahen Osten lernten, also alles, was in der Bibel steht. „Aber ihr habt eure eigenen Geschichten.“ Und das stimmt ja auch: unsere eigenen Geschichten aus der Zeit, bevor die Kirchen die heiligen Haine zerstörten und ihre Gotteshäuser auf die heiligen Plätze setzten, aus der Zeit, als Menschen noch die Sprache der Tiere verstanden und sich als Teil der Landschaft erlebten, sind verdrängt worden, überleben noch in Märchen, in  alten Bildern, oft in verstümmelter Form. Es sind die Geschichten unserer Ahnen, die hier gelebt haben, die ihre Erfahrungen, ihre Fertigkeiten, ihr Heilwissen, ihre Rituale von Generation zu Generation weitergegeben haben. In der Schule waren diese Geschichten kein Thema. Dennoch sind Geschichten oft das einzige, was geblieben ist.

Die drei Frauen auf dem Strecknitzaltar im Lübecker Dom enthalten auch eine alte Geschichte: abgebildet sind von links die heilige Katharina mit dem Schwert, Maria mit dem Kind und die heilige Barbara mit dem Turm. Katharina und Barbara sieht man auf vielen alten Darstellungen zusammen mit Margarete: „Barbara mit dem Turm, Margarete mit dem Wurm, Katharina mit dem Radl, das sind die drei heiligen Madln“. Lange bevor die drei zu Märtyrerinnen umgedeutet wurden, waren sie im alten Glauben die drei heiligen Frauen, zu denen auch die drei Nornen der germanischen Mythologie gezählt wurden. Barbara mit dem Turm konnte vor Blitzschlag schützen, Margarete hielt einen Wurm (=Drachen) und war damit die Hüterin der Erdenergien und zu Katharina gehört das achtspeichige Jahresrad. Auf diesem Altarbild hat man Margarete mit Maria und dem Kind ersetzt und Katharina ein Schwert gegeben.

Die spirituelle Frauenbewegung hat seit den 80er Jahren viele alte Geschichten ausgegraben, zunächst auch eher die aus fremden Kulturen, dann mehr und mehr unsere eigenen: Heide Göttner-Abendroth und Vera Zingsem sind nur zwei der vielen Frauen, die sich mit unseren eigenen spirituellen Wurzeln befasst haben.

 

 

Am Feuer mit David Seven Deers

Meine Chinesische Medizinfrau und ich sind zusammen nach Lübeck gefahren, um David Seven Deers im Innenhof des Lübecker Doms zu erleben. David ist ein Indianer und legt auch Wert darauf so genannt zu werden. Er fertigt zur Zeit eine Gravur , „the Spirit Canoe“ auf einem gespaltenenen Findling, der der Stadt Lübeck geschenkt werden und ihr Segen bringen soll. Jeden Donnerstag kann man mit ihm am Feuer sitzen und ihm zuhören. Ich habe Neues erfahren: daß nämlich die Indianer nicht aus Sibirien über die Beringstraße nach Amerika gekommen sind. „Wir waren schon immer da“, sagte David, der aus Kanada, British Columbia, kommt. PotlNachdem er über sich und sein Verhältnis zu Deutschland erzählt hatte, las er uns aus einem Buch vor, das er geschrieben hat. Eigentlich ist es ein Kinderbuch, aber mich hat es völlig gepackt. Es hat den Titel Potlatch,  das ist ein Ritual, in dem der ganze Besitz verschenkt wird in der Gewissheit, daß das Leben immer alles gibt, was man braucht. Eine Geschichte, in der ein Junge mit der Hilfe eines Raben und eines Dachses ein Abenteuer erlebt, das auch eine Initiation ist.

Im Hintergrund, unter dem weißen Zeltdach, kann man den Findling erkennen, an dem David arbeitet

Ich kann noch gar nicht in Worte fassen, was diese eineinhalb Stunden in mir ausgelöst haben. Es hat mich in der Tiefe berührt. Charles Eisenstein spricht gelegentlich davon, daß die Veränderung von den Rändern (margins) kommen wird. Und genau das fiel mir an diesem magischen Abend ein, denn David Seven Deers repräsentiert ein Volk, daß weit an den Rand gedrängt wurde. Jetzt bringt er seine Medizin (so nennt er seine Kunst) nach Europa.

Heute entdeckte ich, daß es auf NDR einen Beitrag über den Abend gibt. Auf einer der Bänke kann man I. und mich sehen.

 

Gorbatschow

Blick auf die Elbe in der Sächsischen Schweiz

Vor einigen Tagen habe ich einen Film gesehen, den ich gern weiterempfehle. Man findet ihn auf Youtube unter dem Titel Gorbatschow und Gödelitz. Gödelitz ist ein Gut in Sachsen, in dem seit längerer Zeit interessante Veranstaltungen stattfinden. Eine davon wird hier vorgestellt: Die Journalistin Bettina Schaefer stellt darin ihr Buch Michail Gorbatschow – wie er unser Leben veränderte vor. Begleitet wird sie von der Journalistin Gabriele Krone-Schmalz, die wegen ihrer sehr differenzierten Sichtweise auf den Ukrainekrieg mittlerweile von den Leitmedien entweder auf Übelste niedergemacht oder völlig geschnitten wird. Sie spricht fließend Russisch, hat Gorbatschow persönlich interviewt und, wie aus den Filmausschnitten erkennbar, offensichtlich auch ein sehr herzliches Verhältnis zu ihm gehabt. In mir, die ich ja inmitten des Kalten Krieges mit seiner immer latenten Gefahr eines Atomkrieges aufgewachsen bin, hat dieser Film starke Gefühle ausgelöst. Gorbatschow war derjenige, mit dem sich der Wind Richtung Frieden gedreht hat. Er hat vorgemacht, wie man aus einem erstarrten System aussteigen kann. Und ganz offensichtlich hat er, anders als seine Vorgänger und die Regierenden der Westmächte, das Menschliche in den Vordergrund gestellt. Mittlerweile befinden wir uns wieder in einem neuen kalten Krieg und die Mächtigen, zumindest die der westlichen Welt, sind ganz heiß darauf, einen neuen heißen Krieg mit Russland vom Zaun zu brechen. Die Kriegspropagandamaschine läuft auf Hochtouren. Für nichts ist Geld da in Deutschland, für Waffen aber jede Menge.

In diesem Zusammenhang möchte ich erneut auf das European Peace Project hinweisen. Und am 13.9. findet in Berlin eine große Friedensdemo statt, auf der u. a. Sahra Wagenknecht, die bereits erwähnte Gabriele Krone-Schmalz und Didi Hallervorden sprechen werden.

Ein sehr beeindruckender Flashmob, der kürzlich in Berlin stattfand.

Mein kleines Bienenvolk ist tot. Als ich aus Sachsen zurückkam, sah ich Wespen, die daran interessiert waren, in den Stock zu kommen und Honig zu naschen. Ich verengte das Flugloch, um ihnen das Eindringen zu erschweren. Die Abwehr der Bienen schien zu funktionieren: ich sah Wächterbienen, die den Zutritt erfolgreich abwehrten. Einige Tage später sah ich dann jedoch, daß auf dem Flugbrett Kämpfe zwischen Bienen stattfanden – kein gutes Zeichen. Dann war plötzlich alles voller Bienen, als wäre ein Schwarm gefallen. Es war nun klar, daß meine Bienchen von fremden Völkern ausgeraubt wurden. Das ist nichts Ungewöhnliches um diese Jahreszeit; ich habe es allerdings bei keinem meiner Völker bisher erlebt. Fremde Bienen dringen ein, klauen den Honig und töten die Bienen. Das geschieht eigentlich nur bei schwachen Völkern. Meines hatte, wie berichtet, einen Start mit Hindernissen und die Eiablage der neuen Königin fand recht spät statt, so daß dieses Volk sich nicht schnell entwickeln konnte. Ich konnte nur hilflos zusehen. Am nächsten Morgen lagen viele tote Bienen und abgeschrotetes Wachs von den geöffneten Honigzellen im Gras. Viele Drohnen hingen an der Stirnseite des Bienenstocks. Ab und zu fiel einer herunter. Die Drohnen können keinen Nektar aus Blüten saugen; sie sind darauf angewiesen, von ihren Schwestern gefüttert zu werden. Aber ihre Schwestern waren tot. Es zerriss mir fast das Herz, dieses Elend mitanzusehen.

Pflanzenwelt und Courage

Im feuchten Schatten vor einer Grotte fanden wir eine Pflanze, die ich zunächst als Salomonssiegel identifizierte, obwohl sie nicht ganz meinem inneren Bild entsprach. Ein Schild informierte darüber, daß es sich um den Stengelumfassenden Knotenfuß handelt, der sehr selten vorkommt und sich nach der letzten Eiszeit hier angesiedelt haben soll. Ich fand diese Pflanze nicht in meinen Pflanzenführern, aber in einem der fünf Bände der Blütenpflanzen Mitteleuropas. Sie ist eine enge Verwandte von Salomonssiegel und Vielblütiger Weißwurz. Letztere finde ich in meiner Umgebung ab und zu im Wald. Es ist spannend, neue Pflanzen zu entdecken. Ansonsten fanden wir in der wilden Felsenwelt Heidelbeeren, die wir direkt vom Strauch naschen konnten und die viel aromatischer waren als die gezüchteten Sorten mit den übergroßen Früchten. Es gab an einigen Stellen auch Preiselbeeren. Im Wald nahe unserem Häuschen gab es außer Kiefern Faulbäume und Ebereschen. Wir sahen auch viele Moose, so etwa weiche graugrüne Polster an den Felsen. Mit Moosen kenne ich mich kaum aus, aber ich lese gerade Robin Wall Kimmerers Buch Das Sammeln von Moos. Schon im letzten Jahr fiel mir das allgegenwärtige Heidekraut auf, das ich in solchen großen Vorkommen nur aus der Lüneburger Heide kannte. In einem kleinen Laden in Bad Schandau mit dem schönen Namen Hollerbusch fand ich passenderweise das Buch Heidekraut – Blume des Friedens von Doris Grappendorf. Die Autorin hat sehr sorgfältig recherchierte Informationen zu Heilwirkungen und anderen Verwendungsmöglichkeiten zusammengestellt.

Unter der Rubrik Hinweise des Tages auf den Nachdenkseiten gab es am 20. und 21. August ein zweiteiliges Interview mit Melanie Schweizer, Juristin und Politologin, über ihre Teilnahme an der „Global Sumud Flotilla“, die mit etlichen Booten die Blockade von Gaza durchbrechen will. Ich achte Menschen, die derartige Aktionen unternehmen, sehr für ihren Mut und ihre Klarheit. Mit dem Thema Mut hat sich zeitgleich auch Cambra Skadé am 21. August auf ihrem Blog mit einem sehr schönen Text befasst. Bei all dem schier unerträglichen Grauen, das sich dieser Tage in unserer Welt ereignet, ist Mut wichtiger denn je. Ich mag den französischen Begriff Courage, in dem das Wort cœur (Herz) enthalten ist. Ja, Mut hat seine Quelle im Herzen. Wenn unser Herz uns klar und deutlich sagt, daß ein großes Unrecht geschieht, dann wächst auch der Mut, klar und deutlich zu sprechen und zu handeln. Es hat in finsteren Zeiten immer mutige Menschen gegeben, wie diejenigen, die während der Nazizeit Juden versteckt und ihnen zur Ausreise verholfen haben. In den letzten fünf Jahren hat es viele mutige Menschen gegeben, die ihren Job und ihr Ansehen riskiert haben, weil sie ihrem Herzen gefolgt sind: diejenigen, die die sogenannte Impfung als gesundheitsschädlich bezeichnet haben, die Impfunfähigkeits- und Maskenatteste ausgestellt haben, die auf die Straße gegangen sind und sich von der Antifa beschimpfen lassen haben, die Proteste organisiert haben. Und mutig waren natürlich alle, die dem wachsenden Druck, sich die Genspritze geben zu lassen, Widerstand geleistet haben.

Ich bin fest davon überzeugt, daß Menschen zu erstaunlichen Dingen in der Lage sind, auch dazu eine friedliche Welt mit Respekt für alles Lebendige zu schaffen. Und es ist gut, sich immer wieder zu erinnern, daß es in der Geschichte der Menschheit eine sehr lange Zeit ohne Krieg und Herrschaft gegeben hat. Was damals möglich war können wir wieder wirklich werden lassen. Es ist an der Zeit.

Die Reinhardtsdorfer Feuerwehr benutzt immer noch dieses putzige DDR-Modell.

Wanderurlaub

Unseren diesjährigen Wanderurlaub verbrachten wir wie im letzten Jahr im Elbsandsteingebirge, wieder in dem schönen kleinen Holzbungalow am Waldrand bei unseren supernetten Vermietern. Im letzten Jahr hatte ich mit Schrecken die erste steile Stiege im Bielatal gemeistert und danach geäußert: „Das will ich nicht noch mal machen“. Aber steile, schier endlose Auf- und Abstiege auf schmalen Stufen und Leitern sind in dieser Region unvermeidlich. Und so ging es dieses Jahr noch extremer weiter. Die für mich größte Herausforderung war die Rotkehlchenstiege, die durch eine Felsspalte nach oben führt. Ab und zu waren gab es kleine Stufen, in die man gerade mal den Vorfuß setzen konnte. Mit den Händen musste man sich am nackten Fels festhalten, manchmal gab es Baumwurzeln, die als Haltegriffe dienten. An zwei Stellen dachte ich, ich schaffe das nicht. Aber es war klar, daß eine Umkehr ganz und gar unmöglich war. Es blieb nur hochkonzentriertes Weiterkraxeln. Schließlich kamen wir auf einem Plateau an und konnten verschnaufen. Meine Tochter sagte, es sei doch ein sehr erhebendes Gefühl, diese steile Stiege geschafft zu haben. Da kann ich ihr aus ganzem Herzen zustimmen. Während wir uns erholten, kam mit viel Lärm und Lachen eine ca. 30köpfige Gruppe junger Männer die Stiege hoch, offensichtlich völlig problemlos, und nahm dann ohne Pause die nächste Steigung, auch wieder mit sehr viel Getöse. Die hatten jedenfalls deutlich mehr Kondition als wir. Eine Frau, die nach uns hochgestiegen war, erzählte uns, daß diese Stiege „noch gar nichts“ sei. Das Heftigste sei die Häntzschelstiege, wo Metallbügel in einem senkrechten Felskamin als Kletterhilfe dienten. Sie gab allerdings auf mein Nachfragen zu, daß sie diese Stiege nicht genommen habe. Ich habe später Fotos der Häntzschelstiege gesehen und kann nur sagen: Nein danke! Ich habe eine gewisse Höhenangst und gehe nur auf eine Leiter, wenn es unumgänglich ist. Aber hier, wo sich auf fast jedem Wanderweg die eine oder andere Leiter und Treppe findet, musste ich mich viele Male überwinden und stellte nach neun Tagen eine gewisse Gewöhnung bei mir fest. Meine Strategie dabei: nie nach unten schauen, weil das den blanken Horror auslösen würde. Und möglichst auch nicht nach oben sehen, weil es entmutigend sein kann zu sehen, wie lange es noch nach oben weitergeht. Beim Abstieg besonders enger Stufen ohne Geländer ging ich mit dem Gesicht zur Wand. Das hat sich bewährt. Auf jeden Fall bewirken diese Herausforderungen, daß ich voll und ganz in der Gegenwart bin.

Das ist die Rotkehlchenstiege. Der orange Fleck in der Mitte ist meine Tochter, etwas tiefer hänge ich in den Felsen.

Bei unserer Wanderung im sehr schönen Polenztal gerieten wir in einen deftigen Wolkenbruch. Wir stellten uns unter einen Felsüberhang, aber der Regen hielt an und wir gingen schließlich weiter. Ein Regenponcho, den ich mir vor Jahren gekauft und nie benutzt hatte, kam zum Einsatz und bewährte sich.

Einen geplanten Besuch der Edmundsklamm in Tschechien, die ganz in der Nähe ist, brachen wir vorzeitig ab. Der Grenzort Hřensko schien nur aus Duty free-Shops und Parkplätzen zu bestehen. Asiatisch aussehende Männer kassierten die Gebühren und betrieben Stände, an denen allerlei Ramsch verkauft wurde. Der Zugang zur Edmundsklamm war gesperrt. Scharen von Touristen wälzten sich den Berg hoch. Wir hatten genug und fuhren zurück, nachdem wir sehr günstig getankt hatten. An der Grenze wurden wir von deutscher Polizei angehalten, die ins Auto schaute und uns dann weiterfahren ließ. Vielleicht wollten sie schauen, ob wir Flüchtlinge nach Deutschland schmuggeln. Wir waren später ein zweites Mal in Tschechien, diesmal zu Fuß. Unser Vermieter hatte uns eine Wanderung auf den Děčínský Sněžník (Hoher Schneeberg) empfohlen. Der ist der höchste Berg des Elbsandsteingebirges und auf seinem Gipfelplateau gab es eine atemberaubende Sicht auf die böhmischen Wälder und die Berge im deutschen Gebiet. Dann wanderten wir gefühlt ewig lange zum Restaurant Kristin Hrádek. Es gab große Schilder, auf denen es angekündigt wurde: zunächst mit 2 km, der nächste Wegweiser kündigte dann an, daß es nur noch 4 km seien. Wir fühlten uns ziemlich verarscht, aber wir fanden es schließlich. Der Kellner indentifizierte uns beim ersten Blick als Deutsche. Keine Ahnung, woran er das gesehen hat. Unser Vermieter hatte uns ein paar tschechische Worte beigebracht. Bei mir ist davon nur dobrý den (Guten Tag) und ahoj (Hallo) hängen geblieben. Mehr brauchte ich auch nicht, da die Tschechen, mit denen wir zu tun hatten, alle Deutsch sprachen. Diese Tour war mit neun Stunden unsere längste, nach Maatins Berechnung sind wir gut 20 km gegangen, bergauf und bergab.

Einen Tag verbrachten wir in Dresden. Das war für mich noch anstrengender als die Wanderungen über Berg und Tal. Ich mag das Pflastertreten einfach nicht mehr. Wir fanden aber in der Neustadt ein schönes Café mit leckerem Vollkornkuchen und sehr gutem Kaffee. Später saßen wir auf der Wiese an der Elbe. Auf einem großen Markt, der gerade abgebaut wurde, konnten wir gut aussehende und preiswerte Pfifferlinge kaufen. Lebensmittel sind im Osten recht billig. Die Menschen haben hier 25 Jahre nach der Wende immer noch weniger Geld als im Westen.

Natürlich gingen wir wie im letzten Jahr den zauberhaften Pfad an den großen schweigenden Steinriesen entlang. Ich verrate seinen Namen nicht; er steht auch nicht in meinem ansonsten sehr ausführlichen Reiseführer. Wir sahen dort nur einen einzigen Menschen, dafür zeigten sich Blindschleichen und Eidechsen. Wir hörten den Kolkraben zu, die mit sonorem Kroh Kroh über die Schluchten flogen. Zweimal fielen ganz in der Nähe krachend tote Fichten um, die wie Riesenmikadostäbe überall herumliegen. Auf den Flächen, auf denen das große Feuer vor drei Jahren gewütet hat, wächst der neue Wald ganz von allein. Das Leben setzt sich immer wieder durch, die Spuren der Vernichtung sind bedeckt vom fröhlichen Grün der Birken. Wie im letzten Jahr war ich ganz beglückt vom Konzept der Nationalparkverwaltung, die Natur hier Natur sein zu lassen, weil sie es einfach am besten weiß. Ich wünsche mir so sehr, daß sich dieses Konzept auch in allen anderen Lebensbereichen durchsetzt. Übrigens fiel mir auf, daß es weit und breit weder die völlig unökologischen Windräder noch Photovoltaikanlagen gab, mit denen der Westen verschandelt wird. Später erfuhr ich, daß man sich bewusst aus Landschaftsschutzgründen dagegen entschieden hat.

Eine der gemäßigteren Treppen auf den Katzstein, links befindet sich eine Katzenskulptur.

 

Taubenschwänzchen

Kurz vor Sonnenuntergang stand ich zwischen den Beeten und hörte dem Summen der Insekten zu. Es scheinen dieses Jahr so viele zu sein: Hummeln und Wildbienen im Herzgespann, Schmetterlinge im Lavendel, Schwebfliegen und Hummeln in den Kardenblüten. Und die Bienen, die zur Zeit den leuchtendblau blühenden Borretsch besuchen. Aus dem Augenwinkel nehme ich eine Bewegung wahr und sehe ein kleines Zauberwesen im Phlox, das mit vibrierenden Flügeln über den Blüten in der Luft steht und seinen langen Rüssel in die tiefen Blütenkelche steckt. Es erinnert an einen Kolibri mit seinem kompakten Körperchen und den schwirrenden orangefarbenen Flügeln, aber es ist ein Insekt. Ein Taubenschwänzchen. Auf dem Foto ist es schwer zu erkennen, es war auch schwer zu fotografieren, weil es sich so schnell von Blüte zu Blüte bewegte. Ich konnte es buchstäblich in mir spüren, wie es sich für die Blüte anfühlt, wenn sie so tief innen von einem Insektenrüssel berührt wird. Es ist wohl für beide Beteiligten eine lustvolle Begegnung.

Bienen

Ich habe mich jetzt endlich mit der Makrofunktion meiner Digitalkamera vertraut gemacht und das ist eine echte Entdeckung. Hier ist das Johanniskraut, meine langjährige Verbündete, die sich seit einigen Jahren in meinem Garten erfreulich vermehrt. Sie bringt nicht nur Sonne in die Seele, sondern kann noch viel, viel mehr.

Der Bienenschwarm, den ich im Mai bekommen habe, hat überlebt. Das war einige Zeit nicht klar, da bei unserer umständlichen Schwarmfangaktion die Königin wohl nicht mit in den Kasten gekommen ist. Ohne Königin stirbt ein Volk. A. hat mir dann eine Wabe aus einem seiner Völker geschenkt, an der drei Weiselzellen hingen, also Zellen mit noch nicht geschlüpften Königinnen. Um die in meine Kiste einzufügen, musste ich einiges abschneiden, aber sie passte trotzdem nicht, weil meine Kiste schmaler ist. Von den Seiten konnte ich nichts abschneiden, weil da die Weiselzellen hingen. Also habe ich die Wabe etwas stauchen müssen und habe dann sehr gehofft, daß nichts kaputt gegangen ist. Es hat also geklappt und ich freue mich. Mein großer Dank geht an A.

Ich habe gerade angefangen, das Buch Song of Increase von Jacqueline Freeman, einer amerikanischen Imkerin zu lesen. Sie kommt übrigens auch in dem  Dokumentarfilm Queen of the Sun vor, den ich vor vielen Jahren bei einem Imkertreffen gesehen habe. Das Buch gefällt mir schon jetzt.  Die Autorin hat eine Beziehung auf Augenhöhe zu ihren Bienen. Das ist selten. Ich habe bei Ökoimkern der anthroposophischen Richtung gelernt, aber auch dort finde ich überwiegend solche, die Bienen mehr oder weniger als Nutztiere sehen und sich ständig in ihr Leben einmischen.

Ich habe gelernt, daß die Bienen ohne die Imker nicht überleben können. Ich habe auch gelernt, daß das Bienensterben zum großen Teil den Giften in der industriellen Landwirtschaft geschuldet ist. Heute weiß ich, daß Gifte, Monokulturen und der Mangel an Wildpflanzen nur eine Ursache für das Bienensterben sind. Zunehmend wird das Leben von Bienen und anderen Insekten, aber auch Vögeln und Fledermäusen von den riesigen Windrädern bedroht, die alles, was in ihre Nähe kommt, buchstäblich schreddern. Es ist schon verrückt, daß eine Technologie, die angeblich Ökostrom produziert, von vorn bis hinten einfach völlig unökologisch ist, angefangen bei den dafür verwendeten Rohstoffen über die Zerstörung von Wäldern bis zu ihrer Entsorgung, die ebensowenig gesichert ist wie die Lagerung der radioaktiven Abfälle von Kernkraftwerken. Aber es ist eben ein Riesengeschäft und das zählt heute viel mehr als das Leben. Aber auch die Imker sind schuldig am Bienensterben, weil sehr viele den Bienen ihre jahrmillionenalte Lebensweise nicht zugestehen. Wir haben gelernt überall und ständig einzugreifen in der Annahme, dann würde alles besser. Das Gegenteil ist der Fall, wie man deutlich in allen Lebensbereichen sehen kann, wenn man dazu bereit ist. Ich glaube, eine der revolutionärsten Handlungen ist das Nicht-Handeln, das Sein-Lassen.

Einer meiner Imkerlehrer, dem ich die Geschichte von der zugefügten Wabe erzählte, riet mir, sie wieder zu entfernen, da die Bienen sonst wild bauen könnten. Er ist ein freundlicher und aufgeschlossener Mann, aber in diesem Punkt ist er ein Imker der alten Schule, der möchte, daß Bienen „ordentliche“ Waben bauen, die man später leichter für die Honigernte rausnehmen kann. Ich lasse den Bienen die Wabe und werde mich auch sonst nicht einmischen.

Am Wochenende kamen B., die als junges Mädchen Babysitterin meiner damals zweijährigen Tochter war, mit ihrem Mann zu Besuch. Ich hatte mit ihr im letzten Jahr zur Herbst-Tag-und-Nachtgleiche eine Wanderung auf den Velmerstot im Teutoburger gemacht. Wenige Tage später rief mich M. an, eine Frau aus der Gruppe um Ute Schiran, die ich das letzte Mal 2011 gesehen hatte. Ich habe sie als lustige und originelle Frau in Erinnerung: als wir in der Toscana waren, hatte ich ganz schlimme Kreuzschmerzen und sie hat meinen Rücken mit Kiefernnadeln akupunktiert. M. hatte eine Frage an mich und ich glaube, ich konnte ihr weiterhelfen. Dann hatten wir ein schönes langes Gespräch. Ich freue mich, wenn schlafende Kontakte wieder erwachen.

Heute bin durch die Nachdenkseiten auf einen ausführlichen Artikel zum „Massaker auf dem Tienanmenplatz“ in Peking 1989 gestoßen: https://overton-magazin.de/top-story/die-unwahrheiten-zu-tiananmen/ Das Massaker hat es nie gegeben. Es lohnt sich, den Artikel zu lesen, auch wenn er nicht kurz ist. Diverse Augenzeugen werden zitiert, die damals in den Leitmedien nicht zu Wort kamen. Die Vermutung, daß wir zu China massiv geframed werden, ist mir im letzten Jahr zum ersten Mal gekommen, als ich ein langes Interview mit einer Chinesin gehört habe, die lange in Deutschland gelebt hat. Ich weiß ihren Namen leider nicht mehr. Sie ist mittlerweile schon wieder länger in China und was sie berichtete, klang so anders als das, was uns hier erzählt wird. Ein Beispiel: sie sagte, es habe während der C-Zeit in der VR-China keinerlei Impfdruck gegeben. Und das Social Credit-System sei experimentell an einigen Orten eingerichtet und wieder abgeschafft worden. Ihr Bericht deckte sich in vielen Punkten mit den Aussagen eines Deutschen, der länger in China gelebt hat. Also einmal wieder: Nichts glauben, alles hinterfragen!

Patriarchat

Heute las ich auf den Nachdenkseiten den Text eines palästinensischen Dichters aus Gaza. Er beschrieb eindrücklich, was der Hunger mit ihm macht. Nicht nur Bombardements, auch ausbleibende Lebensmittellieferungen sind dort Mittel der Kriegsführung. Es ist kaum auszuhalten das zu lesen. Umso mehr, als die Auslöschung der Palästinenser auch mit deutschen Waffen geschieht. Was wir heute in aller Deutlichkeit auf der Erde sehen, sind die verheerenden Folgen des Patriarchats. Das existiert nach heutigem Kenntnisstand seit ungefähr 8000 Jahren. Davor gab es egalitäre mutterzentrierte Gesellschaften ohne Herrschaft und ohne Krieg. Es gibt indigene Völker, die noch heute so leben; sie sind allerdings erheblichem Druck ausgesetzt.

Mir wurde gelegentlich entgegengehalten, daß es Krieg immer schon gegeben hat. Sicher hat es immer schon Konflikte gegeben. Aber Konflikte zwischen Menschen, die sich kennen, sind etwas fundamental anderes als Kriege, bei denen Regierungen beschließen, daß Menschen sich gegenseitig abmetzeln, die sich weder kennen noch irgendwelche persönlichen Konflikte miteinander haben. Diese Kämpfe werden auch nie von denjenigen geführt, die sie anordnen. Man lässt kämpfen. Kriege haben sich nie bewährt. Man kann den vermeintlichen Feind nie vollständig auslöschen und jeder Krieg zieht irgendwann den nächsten nach sich. Es fällt auch auf, daß diejenigen, die Krieg führen wollen, von sich behaupten, daß sie die Guten und die anderen die Bösen seien. Und jeder Krieg beginnt mit einer Lüge. Der Militärschlag gegen den Iran wird damit gerechtfertigt, daß die dortige Regierung Atomwaffen herstellen wolle. Das scheint nicht der Fall zu sein. Absurderweise dürfen nach dieser Diktion die „Guten“, also die USA Atomwaffen haben, aber die „Bösen“, also der Iran nicht.

Es wird Zeit, daß das Patriarchat verschwindet. Es ist mir aber sehr wichtig zu sagen, daß Männer nicht eine natürliche Anlage zu Gewalt und Unterdrückung haben und Frauen in Regierungen keineswegs friedvoller sind. Jüngstes Beispiel ist die mittlerweile abgewählte Ministerin, die von sich behauptet hat, sie mache „feministische Außenpolitik“. Frauen sind ebenso wie Männer von patriarchalem Denken verseucht.

Ich stelle mittlerweile alle Geschichten, die von den Leitmedien verbreitet werden, in Frage: China ist eine Diktatur? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Putin will Deutschland angreifen? Nichts spricht dafür. Der Angriff auf den Iran trifft die Richtigen? Wer hat das zu beurteilen? Die AfD ist verfassungsfeindlich? Das lenkt den Blick von dem ungeheuerlichen Geschehen während der C-Zeit ab, in der im Handstreich Teile unserer Verfassung außer Kraft gesetzt wurden, wie das Recht auf Versammlungsfreiheit und auf freie Meinungsäußerung. Eine Zensur findet nicht statt, steht in unserem Grundgesetz. Aber seit einigen Jahren wird zensiert, was das Zeug hält, angeblich um Desinformation zu verhindern. So ist es zum Beispiel nicht möglich, Russia today im Internet aufzusuchen, es sei denn man installiert sich den Tor-Browser.

Wer mit dem Finger auf Andere zeigt, ist es selbst. Wer mit dem Finger auf Andere zeigt, auf den zeigen drei Finger zurück. Rosa Luxemburgs bekannte Devise „Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden“ erfordert ein hohes Maß an Selbstreflektion und geistiger Größe. Davon sehe ich nichts bei denen, die uns regieren.

Ich möchte in den Jahren, die mir noch auf dieser schönen Planetin bleiben, meine Energie darauf verwenden, Frieden in mir selbst und wenn irgend möglich in meinem Umfeld zu schaffen. Mir geht es nicht darum, wieder ein Matriarchat einzurichten. Ich glaube, es geht mittlerweile darum, daß Männer und Frauen gemeinsam eine neue lebensfreundliche Ordnung zu schaffen. Darauf richtet sich meine Sehnsucht.

Ulrike Guérot, die Initiatorin des European Peace Projects ,schreibt in ihrem neuen Buch Zeitenwenden. Skizzen zur geistigen Situation der Gegenwart (habe ich nicht gelesen, aber es findet sich eine Rezension auf den Nachdenkseiten), sie habe seit ihrem Rauswurf aus der Uni Bonn viele Menschen aus der ehemaligen DDR kennengelernt und festgestellt, daß die wesentlich feinere Antennen für totalitäre Entwicklungen haben als wir Wessis. Das entspricht meinen eigenen Erfahrungen mit Ossis. Es ist auch gar kein Wunder: haben sie doch vor nicht allzu langer Zeit erlebt, was passiert, wenn man sich nicht systemkonform verhält. Von ihnen können wir lernen.

 

 

In der alten Heimat

Über Pfingsten war ich in meiner alten Heimat, in Münster. Das kam so: wenige Tage vorher rief J., der mit meinem Sohn seit dem Vorschulalter befreundet ist, an und lud mich in sein Elternhaus ein. Das sollte eine Überraschung für meinen Sohn sein, der am Samstag Geburtstag hatte. Ich hatte nichts anderes vor und kann als Rentnerin flexibel mit meiner Zeit umgehen, was ich ziemlich toll finde nach den vielen Jahren, in denen ich jedes zweite Wochenende und viele Feiertage arbeiten musste.

Ich kenne die Eltern von J. seit 1979, wir waren zwei Jahre lang Nachbarn und sie haben meinen Sohn viele Jahre lang in den Sommerferien nach Stromboli mitgenommen, wo sie ein kleines Ferienhäuschen hatten. Nun lebt nur noch E., die Mutter von J. in dem schönen Haus, wo J., seine Frau und seine beiden Töchter, mein Sohn und seine Freundin und ich übernachteten. Am Samstag wollte ich natürlich zum Markt auf dem Domplatz. Und in den Dom wollte ich auch, um der Heiligen Barbara eine Kerze anzuzünden. Die Kerzen sind mittlerweile aus einer Art Keramik, die mit einer brennbaren Flüssigkeit gefüllt sind. Die alten Kerzen aus Stearin fand ich schöner, aber immerhin hatten diese Kerzen eine Flamme, was in den heutigen Zeiten keine Selbstverständlichkeit mehr ist.

Nachdem wir unsere Einkäufe auf dem Markt gemacht hatten, zeigte J. uns eine leuchtende Leiter, die im Rahmen des letzten Skulpturprojekts auf dem Turm der Lambertikirche angebracht wurde. Direkt unter ihr hängen die drei Käfige, in denen sich die hingerichteten Wiedertäufer Jan van Leiden, Bernd Knipperdolling und Bernd Krechting zur Abschreckung befanden: eins der vielen Beispiele für den Umgang der Kirche mit Andersdenkenden. Münster ist sehr katholisch und hat viele Kirchen. Am Sonntag hörte ich das Glockenläuten, das ich so liebe. Ich kenne keine Stadt, in der so viele Glocken an Sonn- und Feiertagen läuten. Wir besuchten auch die Dominikanerkirche, die Gerhard Richters Version des Foucaultschen Pendels enthält: eine Kugel, die von der Decke hängt und unaufhörlich hin- und herschwingt. Meine Mutter hatte mir vor einigen Jahren davon erzählt, wie sie beim Betrachten des schwingenden Pendels eine zunehmende innere Ruhe gespürt habe. Jetzt kann ich sie gut verstehen.

Abend saßen wir zu viert in der hauseigenen kleinen Sauna.

Am Sonntag fuhren wir zu einer Cousine der Frau von J., die in der Nähe von Hamm eine Solawi leitet. Hier gab es einen sehr liebenswürdigen Esel, der von uns allen ausgiebig gestreichelt wurde. Die Freundin meines Sohnes hätte ihn gern in den Kofferraum gepackt; sie meinte, er würde gut in ihren Garten passen.

Am Abend fuhr ich dann bei starkem Regen nach Hause. E. hatte mir eine Tüte mit belegten Broten, Obst, Schokolade und Plätzchen mitgegeben. Sie ist sehr fürsorglich, was mich rührte. Ich habe mich in ihrem Haus mit den anderen sehr wohl gefühlt. Alles war so einfach und selbstverständlich.