Holles Garten Blog

Mal wieder Sturm

Dieses freundliche Rind habe ich bei meinem Strandspaziergang letzte Woche getroffen

Vorgestern waren die Nachrichten voll mit der Ankündigung eines gewaltigen Orkans. Was mich daran nervt: ständig wird wegen irgendeiner Sache Panik geschürt. Meine Güte, wir leben im Norden, wo Stürme an der Tagesordnung sind. Die Menschen, die hier leben, wissen, was das bedeutet und richten sich darauf ein. Es ist ja eine richtige Sucht, alles Mögliche so dramatisch wie möglich darzustellen. Angst ist ein wichtiges Gefühl, das uns beim Überleben helfen kann, weil es die notwendige Handlungsenergie liefert. Panik ist (selbst)gemacht. Sie hilft nie weiter, sondern treibt Menschen entweder in die völlige Handlungunfähigkeit oder zu wenig sinnvollen Handlungen. Das bemängle ich auch an Greta Thunbergs oft wiederholtem Satz: „I want you to panic.“ Ich weiß, daß sie da von ihrer eigenen Panik redet und werfe es ihr daher nicht vor.

Ich jedenfalls liebe Sturm. Das ist so, seit ich Kind war. Ich habe Sturm als lebendige Wesenheit erfahren. Damit bin ich nicht allein: die westafrikanische Oya ist eine Sturmgöttin und auch im Deutschen findet sich im Begriff „Windsbraut“ eine Personifizierung des Windes. Daß es auch Anderen geht wie mir, habe ich gestern abend im Schleswig-Holstein-Magazin gesehen: die Menschen an der Westküste, die richtig glücklich aussahen, weil sie diese Naturkraft mit allen Sinnen erfahren durften.

Ich traf mich gestern nachmittag mit M. in Hohwacht zum Kaffeetrinken. Bei der Gelegenheit sah ich mal wieder, daß mir dieser Ort überhaupt nicht zusagt: so hundertprozentig touristisch, und jetzt hat man direkt am Strand mehrere schnieke Häuser errichtet, deren untere Etagen mit Sicherheit nach jedem größeren Sturm überflutet sein werden.

An der Steilküste von Hubertsberg

Dann fuhr ich allein nach Hubertsberg und machte eine Spaziergang an der Steilküste. Unten war es geradezu windstill. Auch das Meer wirkte fast glatt. Mir begegnete ein Paar, das offensichtlich Bernsteine im angeschwemmten Tang suchte und fand. Ich war ein bisschen neidisch, denn ich habe bis jetzt noch kein Auge für Bernstein, wohl aber für Lochsteine und Donnerkeile. An einer geeigneten Stelle kletterte ich nach oben. Da musste ich dann aber einen respektvollen Abstand zur Abbruchkante halten, weil der Sturm hier so stark blies, daß er mich mühelos in die Tiefe geweht hätte.

Auf dem Heimweg dämmerte es schon. Hinter dem Ortsausgangsschild von Selent in der Kurve standen drei Autos. Zwischen ihnen lag eine schenkeldicke Fichte. Ich schaltete die Warnblinkanlage an, zog mir tatendurstig schon mal meine Handschuhe an und stieg aus dem Auto. „Schaffen wir’s den Baum gemeinsam aus dem Weg zu räumen?“ fragte ich die Leute, die abgefallene Äste wegräumten. Aber natürlich hatten sie das schon vergeblich versucht. Einer telefonierte und sagte, daß die Feuerwehr gleich käme. Ich überlegte kurz, ob ich den Waldweg nehmen sollte, den ich immer zu Fuß nach Selent gehe. Aber da wäre ich wahrscheinlich im Schlamm versunken, und eine Garantie, daß dort keine weiteren umgestürzten Bäume lagen, gab es auch nicht. Also fuhr ich zurück bis Bellin und nahm den Feldweg von hinten ins Dorf. Das ging gut und dann machte ich es mir am warmen Ofen gemütlich und hörte dem Brausen des Sturms zu.

Ostsee bei Sturm

Kein Verständnis

Nachdem S. mir meine Homepage ganz neu gestaltet hat, muss ich mich an die neuen Funktionen gewöhnen.

Die Bauern sind sauer, weil sie nicht mehr soviel Gülle verspritzen dürfen und diese ganzen EU-Umweltauflagen einhalten müssen. Deshalb haben sie im letzten Jahr einige Male den Verkehr auf den Straßen mit ihren Treckern aufgehalten. Böse Zungen munkeln sogar, daß sie dafür mit subventioniertem Diesel gefahren sind. Offensichtlich hat das unsere Regierung beeindruckt, jedenfalls kriegen die Bauern jetzt Geld. Ich nehme an, damit sie größere Tanks für die Gülle bauen können, wo die doch nicht mehr auf den Acker darf.

Tut mir leid, aber ich habe kein Verständnis und kein Mitgefühl für diese Bauern. Was ich hier sehe, finde ich einfach nur noch skandalös dumm. Jeder Bauer müsste wissen – an Information fehlt es nun wirklich überhaupt nicht – daß es so wie bisher nicht weitergehen kann, auch ohne EU-Vorgaben. Weil die bisherige Betriebsweise unser aller Lebensgrundlagen ruiniert. Weil sie nicht zuletzt die Gesundheit auch der Bauern zerstört. Wenn es zuviel Gülle gibt und damit zuviel gesundheitsschädliches Nitrat im Boden, dann liegt das daran, daß es zuviele Tiere gibt, sprich an der Massentierhaltung. Damit man die vielen Kühe und Schweine satt bekommt, wird Soja aus anderen Ländern importiert, z. B. aus Brasilien, wo dafür noch mehr Regenwald abgeholzt wird.

Eine Regierung, die wirklich was drauf hat, hätte gesagt: Ihr Bauern bekommt nur dann Geld, wenn ihr auf ökologische Betriebsweise umstellt und mit der Massentierhaltung aufhört.

Dazu passt ein Text aus der neuen, wieder mal ganz tollen Brennstoff (gibt es als Printausgabe oder auf www.brennstoff.com):

Tatsache ist, dass die Menschheit den einzigen Planeten, den sie hat, durch ihre profitorientierte Produktionsweise zerstört und dieser in naher Zukunft unbewohnbar wird.

Tatsache ist, dass unter den Machteliten, Geheimdiensten und Militärs weltweit keinerlei Zweifel hieran besteht und diese sich bereits darauf vorbereiten, ihr Überleben gegen das der 99 Prozent zu verteidigen.

Tatsache ist, dass der Kampf um die wenigen Tickets auf der neuen Arche längst begonnen hat und daher gilt, was der Pulitzer-Preisträger Chris Hedges auf den Punkt brachte, als er schrieb: „Den Planeten zu retten heißt die herrschenden Eliten zu stürzen.“

Die Öko-Katastrophe, herausgegeben von Jens Wernicke und Dirk Pohlmann, aus dem Kapitel Die neue Arche von Rainer Mausfeld.
Na, dann gute Nacht!

Letzte Woche hat Gnani Thambiah, Bienenseuchensachverständiger und Imkermeister aus Hamburg, im Kollhorst einen Vortrag über die völlige Brutentnahme zur Varroabehandlung gehalten. Erst wollte ich nicht hingehen, weil ich die Brutentnahme nicht für wesensgemäß halte. Ich ging dann doch und das war richtig. Gnani hat uns eindringlich klargemacht, daß man zwar die Bauern mit ihrer Giftspritzerei für den Insektenschwund verantwortlich machen muss. Aber daß die Honigbienen von der Varroamilbe hingerafft werden, liegt an den Missetaten der Imker. Sie haben Bienen so gezüchtet, daß sie möglichst nicht stechen und große Mengen Honig produzieren. Sie haben zu diesem Zweck Königinnen künstlich befruchtet (wie das geht, wird im Film More than Honey gezeigt und ist einfach nur ekelhaft). Um die erwünschten Eigenschaften zu erzielen, musste Inzucht betrieben werden. Normalerweise paart sich eine Königin mit etwa 15 bis 20 Drohnen und sichert auf diese Weise die Vielfalt, die für Gesundheit so wichtig ist. Die durch Zucht entstandenen Bienen haben gar keine Zeit mehr, sich zu putzen und gegenseitig von den Varroen zu befreien, wie sie das in Asien noch tun. Sie müssen ja ständig Honig einbringen und große Völker bilden. Es werden neue Medikamente zur Behandlung der Varroose entwickelt, die Resistenzen erzeugen und das Grundproblem nicht angehen. Oder man behandelt mit organischen Säuren, ca. dreimal im Jahr: im Sommer mit Ameisensäure, im Winter mit Oxalsäure, Schwärme werden mit Milchsäure behandelt. So habe ich es auch gelernt.

Daß die Behandlung mit Ameisensäure für die Bienen eine gewaltige Strapaze ist, war mir bekannt. Durch Gnanis Vortrag weiß ich jetzt, daß diese Säure, die wir Menschen nicht einatmen können, ohne uns die Nasenschleimhäute zu verätzen, bei den Bienen dazu führen können, daß sie sich die Fühler ausreißen, mit denen sie riechen. Immerhin haben sie den Ameisensäuregeruch mehrere Tage ununterbrochen um sich herum. Manche sterben an der Ameisensäure, vor allem junge Bienen. Und anders als ich es gelernt habe, macht natürlich auch Ameisensäure die Varroen resistent.

Ich habe mich nach dem Vortrag erst mal drei Tage ziemlich schlecht gefühlt und ernsthaft darüber nachgedacht, ob ich es wie Gnani mache und die Imkerei ganz aufgebe. Ich habe in den letzten Jahren einiges versucht: die Behandlung mit ätherischen Ölen (Thymovarplättchen), statt der Schwammtuchmethode Ameisensäure in den Nassenheider Verdunster gegeben und einen Sommer lang habe ich mit einem homöopathischen Mittel gearbeitet. Das hat letztendlich nichts gegen die Varroa gebracht. Ich weiß, daß es Bienenvölker gibt, die friedlich und gesund jahrelang leben. Aber das funktioniert nur, wenn man sie weitgehend in Ruhe lässt, sie ein gutes Nahrungsangebot haben, sie im Abstand von ca. 1 km untereinander und am besten in Baumhöhlen leben. So wie für die Erde die meisten Bauern ein Problem sind, so sind es für die Honigbienen die Imker*innen.

Nachdem ich drei Tage lang mit dem Bienenthema gegangen bin, habe ich eine Entscheidung getroffen: ich werde nur noch ein Volk halten. Ich werde keine Ameisensäure mehr anwenden, sondern Oxalsäure. Die ist auch nicht fein für die Bienen, aber nicht ganz so heftig. Ich werde eine Klotzbeute bauen, die kommt der ursprünglichen Bienenwohnung in einem Baumstamm ziemlich nahe. Und ich werde soviel ich kann für die Wildbienen und Hummeln tun, denn die sind mindestens so bedroht wie die Honigbienen, allerdings nicht durch die Varroa, sondern die Gifte auf den Feldern und den Verlust der Artenvielfalt. Einiges habe ich in den letzten Jahren schon anders gemacht als ich es gelernt habe: ich habe auf die ständigen Durchsichten verzichtet und keinen Honig entnommen.

Ach, es ist so traurig, was wir Menschen machen: wir nehmen Tieren die Wildheit und machen sie damit krank und abhängig. Wenn wir von artgerechter Tierhaltung sprechen, müssen wir wohl zugeben, daß es die nicht geben kann. Artgerecht ist nur die Freiheit. Und das gilt ja auch für uns Menschentiere.

Frauenarbeit

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Laut Oxfam leisten weltweit Frauen die allermeiste unbezahlte Arbeit. Das ist ja nicht wirklich was Neues, daß Frauen nach wie vor diejenigen sind, die für die Pflege- und Fürsorgearbeit zuständig sind. Ich habe an anderer Stelle schon mal festgestellt, daß diese Arbeit unsichtbar ist, obwohl ohne sie jede Gesellschaft zusammenbrechen würde. Das ist einer der beiden Gründe, warum ich mich überhaupt nicht mehr danach sehne, mit einem Mann zusammen zu leben. Ich habe zweieinhalb Mal die Erfahrung gemacht, daß die allermeiste Hausarbeit an mir hängen blieb (in meinen beiden Ehen und mit Exfreund K., der mal für wenige Wochen bei mir und meiner Tochter wohnte bis ich ihn rauswarf, weil ich es nicht mehr ertrug, nach der Arbeit nach Hause zu kommen und zu sehen, daß er keinen Handschlag getan hatte, obwohl er damals arbeitslos war. Mit meinem zweiten Ehemann ging es mir haushaltsmäßig besser, aber trotzdem schliff sich nach einiger Zeit ein, daß er weniger und ich mehr machte. Und es hat mich gewaltig angekotzt, daß es immer wieder Ärger um den Abwasch gab, obwohl wir einen Plan hatten. Er wollte diesen Plan nicht und meinte, das regelte sich doch von allein. Ja, es hätte sich von „allein“ geregelt: ich hätte täglich abgewaschen, weil ich es nicht ertragen hätte, in einer Küche mit Bergen von ungewaschenem Geschirr zu kochen. Ich habe es gern ordentlich und verwende trotzdem nicht viel Zeit auf die Hausarbeit, einfach weil ich alles gleich erledige und sich gar nichts anhäufen kann. Nicht, daß Hausarbeit zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört, aber sie muss halt getan werden. Ich mache sie einfach und denke gar nicht drüber nach. Außerdem nehme ich sie als Gelegenheit Radio zu hören und erfahre so, was ich vom Weltgeschehen wissen muss.

Übrigens bekomme ich immer wieder zu hören, auch und gerade von Männern, daß sie sich bei mir wohl fühlen, gerade weil alles ordentlich und überschaubar aussieht. Ja, ich fühle mich auch bei mir sehr wohl. Ich mag Männer, aber zusammenleben, nee! Der Keks ist gegessen!

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Ein weiterer Grund, warum ein Zusammenleben als Paar für mich nicht mehr denkbar ist, ist die Erfahrung, daß ich viel allein sein muss, um mich gut zu fühlen. Ich glaube, daß ich da zu einer eher seltenen Spezies gehöre. Die meisten Menschen, die ich kenne, brauchen die mehr oder minder ständige Anwesenheit von Anderen. Das kann ich nur mit wenigen Menschen länger aushalten: mit meinen Kindern und meinem Schwiegersohn, wenn sie zu Besuch oder wir im Urlaub sind, mit Freundin I., die sich auch gut allein beschäftigen kann. Bei Lebensgefährten allerdings habe ich regelmäßig erlebt, daß es da viele unausgesprochene Ansprüche und Erwartungen gibt. Wenn die nicht erfüllt werden, ist Ärger vorprogrammiert. Ich glaube, daß es in vielen Beziehungen die Erwartung gibt, der Andere sei dazu da, einen Mangel, eine innere Leere zu füllen. Das kann nur schief gehen. Ich war sehr jung, als ich das erste Mal geheiratet habe und ich kannte damals sowohl das Mangelgefühl als auch die Erwartung, daß mein Mann gefälligst meine Leere zu füllen habe. Hat er nicht getan (hätte er auch nicht gekonnt, selbst wenn er es gewollt hätte), und das hat zu viel Streit geführt. Immerhin habe ich im Laufe meines Lebens gelernt, mir selbst genug zu sein und das ist großartig! Alle Freundschaften und Beziehungen, die ich mittlerweile habe, bestehen in einem Feld großer persönlicher Freiheit: ich erwarte nichts und ich freue mich über gelungene Begegnungen. Und wenn es mal Unstimmigkeiten gibt, dann können wir mit großer Aufrichtigkeit damit umgehen.

Und wofür brauche ich das Alleinsein? Um mich mit der Natur zu verbinden, um in das Feld der mehr-als-menschlichen Welt einzutauchen. Meine Empfindungen sind intensiver, meine Wahrnehmungsfähigkeit wird weiter, wenn ich allein bin. Das ist mein Lebenselixier. Wenn ich in der Vergangenheit diese täglichen Zeiten ohne andere Menschen nicht hatte, bekam ich schlechte Laune. Eigentlich sagt das Wort allein schon alles: all-eins. Im Alleinsein kann ich meine Zugehörigkeit zum Großen Ganzen am besten fühlen. Und wenn ich dann das Bedürfnis habe, tauche ich wieder in die Welt der Menschen ein und kann das ebenso genießen.

Priesterin

Ich stimme dem Post von Luisa Francia zum Thema Hohepriesterin am 9.1. voll und ganz zu (salamandra.de). Ich möchte noch weiter gehen: das ganze Priesterinnenkonzept (ohne Hohe-) finde ich mehr als fragwürdig. Es ist ziemlich gleichgültig, ob wir es mit einem Priester oder einer Priesterin zu tun haben, egal welcher Glaubensrichtung: diesem Konzept liegt nämlich die Überzeugung zu Grunde, daß es einen Vermittler/eine Vermittlerin zwischen Menschen und dem Spirituellen geben muss, daß ein „normaler“ Mensch gar nicht in der Lage ist, selbst eine Verbindung mit dem Bereich einzugehen, den einige göttlich nennen. Das ist ein sehr elitäres Denken, das Missbrauch Tür und Tor öffnet. Jeder Mensch, der den starken Wunsch nach einem Zugang zu diesem Bereich in sich spürt, wird Mittel und Wege finden, sich ihm zu nähern. Manchmal geschieht das auch von selbst, wird quasi geschenkt. Und bei jedem Menschen wird dieser Zugang und das, was er und sie hinter der Tür findet, anders aussehen, und all diese Erfahrungen sind gleich-gültig (haben die gleiche Gültigkeit).

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Raunächte

Ich war zehn Tage nicht im Netz und es hat mir nichts gefehlt. Eigentlich ist das nichts Außergewöhnliches: wenn ich auf Reisen bin, gehe ich nicht ins Internet und lese auch keine Mails. Aber zu Hause schaue ich fast täglich rein. Dieses Mal hatte ich keinerlei Bedürfnis. Ich denke, wer etwas von mir will, kann das gute alte Festnetz benutzen oder mir eine SMS schreiben. Angesichts des ungeheuerlich ansteigenden Stromverbrauchs durch die Benutzung der digitalen Medien, der mittlerweile in Begriff ist, die Hauptursache für den CO2-Ausstoß zu werden, finde ich diese Internetseite interessant, allerdings nur auf Englisch und Französisch verfügbar: theshiftproject.org/en/article/lean-ict-our-new-report/

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Erdkörperin

Lenchen lebt voll und ganz in ihrer kleinen Katzenkörperin.

Nach dem schönen Ahninnenfest wollte ich auch die Wintersonnenwende mit anderen Menschen begehen. Während ich noch darüber nachdachte, kam eine Einladung meiner Freundin Katja Langbehn, Tänzerin und Körperarbeiterin, für diesen Tag. Ich habe mich  sehr gefreut, endlich mal eine ganz andere Art von Ritual mit ganz anderen Menschen zu erleben.

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Pflege

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Prinzipalmarkt – hier kaufen die Leute mit dem dicken Portemonnaie ein

Eine Woche Münster, da meine Mutter aus der Reha kam. Es gab viel zu organisieren, bereits im Vorfeld gab es viele Telefonate mit den diversen Sozialdiensten der Klinik und der Rehaklinik, mit der Krankenversicherung und der Beihilfe, mit Nachbarn und Freundinnen meiner Mutter.  Nun galt es zu schauen, wie sie nach acht Wochen Abwesenheit mit ihrem operierten Oberschenkelhalsbruch in ihrer Wohnung klar kam. Ich habe eingekauft, Hausarbeit gemacht und Berge von Rechnungen bearbeitet. Letzteres war das Schlimmste: es war soviel, daß ich mit allem Drum und Dran ungefähr einen Tag dafür gebraucht habe. Ich bin mal wieder sehr froh, daß ich nicht privatversichert bin. Die Vorteile einer privaten Krankenversicherung sind deutlich besseres Essen, Anspruch auf ein Einzelzimmer und Anspruch auf Chefarztbehandlung, obwohl letzteres nicht zwangsläufig bedeutet, daß die Behandlung besser ist (weil Chefärzte nicht unbedingt kompetenter oder gewissenhafter sind als normale Ärzte). Aber die Nachteile wiegen schwerer, finde ich: Rechnungen müssen zunächst selbst bezahlt und dann zur Erstattung eingereicht werden. Als Privatpatient wird man ausgenommen wie eine Weihnachtsgans, weil sie den Kliniken und niedergelassenen Ärzten halt Geld bringen. Das heißt: viel mehr Einsatz von teuren Maschinen bei der Diagnostik, viel mehr Behandlung, die nicht unbedingt notwendig ist, längere Krankenhausaufenthalte.

Ich musste mit der Debeka telefonieren, weil meine Mutter glaubte, daß das Geld auf ihrem Girokonto nicht ausreichte, um die Krankenhausrechnung zu bezahlen. Das war ein Erlebnis der besonders nervigen Art. Zunächst war ich in der Warteschleife und wurde dabei von Musik beschallt, die mich ärgerlich machte (wie jede Art von Musik, die ich nicht freiwillig höre). Nach dreizehn Minuten fand ich, daß es reichte und versuchte es unter einer anderen Nummer. Da ging sofort jemand dran und musste mich dann natürlich weiterverbinden. Der Mann, dem ich von dem Problem mit dem nicht gedeckten Konto erzählte, riet mir, die Rechnung zu fotografieren und eine App auf meinem Smartphone zu installieren, mit der ich dann alles weitere regeln könnte. Auf meine Frage nach Alternativen nannte er Scannen der Rechnung und per Mail schicken oder faxen. Nun existiert im Umkreis meiner Mutter weder ein Scanner noch ein Faxgerät. Ich versuchte es widerwillig mit meinem Smartphone, aber als klar war, daß ich mich dafür bei Google anmelden musste, war die App für mich gestorben. Ich bin immer wieder erstaunt, wie einige Menschen in meinem persönlichen Umfeld, auch und gerade solche, die ansonsten extrem großen Wert auf den Schutz ihrer persönlichen Sphäre legen, durch die Installation von diversen Apps sich quasi durchsichtig machen und Mark Zuckerberg, Google, Amazon und anderen erlauben, unablässig mit ihren Daten Knete zu machen.

Ich rief meinen Bruder an, der aber auch nicht über ein Fax verfügt und offensichtlich auch keine große Lust auf irgendwelche Debeka-Apps auf seinem Smartphone hatte (er kennt sich aus, er arbeitet in der Sparte).

Dann ging ich zur Sparkasse. Das war nicht nur gut, um meinen Ärger über die Debeka durch Bewegung loszuwerden. Es stellte sich nämlich heraus, daß das Girokonto meiner Mutter gedeckt war.

Auch bei der Beschaffung eines wohnungsgeeigneten Rollators wurde deutlich, daß man heute ohne Internet aufgeschmissen ist. Meine Mutter wollte ein Modell, das sie bei ihrem Nachbarn gesehen hatte. Sie bestand darauf, daß wir in ein bestimmtes Sanitätshaus in der Stadt fuhren. Dort hatte man aber nur einen normalen Straßenrollator, Wohnungsrollatoren waren gänzlich unbekannt und die Möglichkeit, einen zu bestellen lag auch außerhalb jeder Vorstellung. Ich suchte den Rollator, den sie haben wollte, aus dem Internet und bestellte ihn dann telefonisch bei einem anderen Sanitätshaus in Münster, dazu einen Duschhocker und Unterarmgehstützen.

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In diesen Käfigen an der Lambertikirche wurden die Wiedertäufer Jan van Leiden, Bernd Knipperdollinck und Bernd Krechtink 1536 zur Abschreckung aufgehängt, nachdem sie zu Tode gefoltert worden waren.

Am dritten Tag fing meine Mutter wieder an zu kochen: Mittwoch Grünkohl mit Mettendchen und Donnerstag Reibeplätzchen mit Apfelmus. Beides sind Lieblingsgerichte seit meiner Kindheit. Ich kaufte jeden Tag ein, weil meiner Mutter immer nur häppchenweise einfiel, was noch alles fehlte und worauf sie Lust hatte. Mal schaun, wie sich das jetzt einspielt, wenn sie einmal in der Woche von einer Mitarbeiterin der Diakonie zum Einkaufen begleitet wird. Für mich waren diese täglichen Ausflüge gut: Mittwoch war ich auf meinem alten Lieblingsmarkt auf dem Domplatz. Es war regnerisch und nicht so voll wie samstags. Ich fand einen Stand mit marmorierten Bienenwachskerzen, die ich schon lange gesucht hatte. Mit dem Mann, der diese Kerzen selbst macht, hatte ich ein richtig gutes Gespräch.

In einer Apotheke sprach mich eine Frau mit meinem alten Rufnamen Ise an. Peinlicherweise erkannte ich sie nicht. Erst als sie ihren Namen sagte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: eine ehemalige Nachbarin. Sie hatte eine völlig veränderte Frisur. Auch sie hatte mich erst an meiner Stimme erkannt.

Abends sah ich TV. Das mache ich sonst nicht. Ich finde Fernsehen eher langweilig und nutze auch zu Hause die Möglichkeit, Filme auf meinem Laptop zu sehen, kaum. Aber in Münster waren meine täglichen Routinen außer Kraft gesetzt. Am Mittwoch gab es einen ziemlich guten französischen Film auf Arte: Die Beichte. Dort ging es vordergründig um die Geschichte einer jungen Frau, die sich als Kommunistin bezeichnet und sich mit einem katholischen Priester anfreundet. Das Ganze spielt sich vor dem Hintergrund der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen ab. Später sah ich dann noch Wallander mit Kenneth Branagh in der Hauptrolle. Das war mein erster und wahrscheinlich auch der letzte Wallander-Film: soviel Brutalität, soviel eklige Bilder, soviel Abscheulichkeiten. In der Nacht hatte ich Schwierigkeiten zu schlafen. IMG_1966

Am Freitag wurde ich krank: es fing mit einem fiesen Reizhusten an. Ich kaufte für sehr viel Geld eine kleine Menge Isländisch Moos in der Apotheke. Das half meinen Bronchien. Ich hatte vor meiner Fahrt nach Münster noch gedacht, daß ich das ganze Jahr noch keine Erkältung gehabt hatte und es darauf zurückgeführt, daß ich seit Januar regelmäßig die Jin Tigerin gemacht hatte, eine Energieübung, die Ilan Stephani uns gezeigt hatte. Am Samstag saß ich niesend und mit laufender Nase und benebeltem Kopf im Zug nach Hause. Vielleicht hat die Jin Tigerin es aber doch gebracht, denn meine Erkältung war nach vier Tagen komplett erledigt.

Es ist so schön, wieder zu Hause zu sein!

Klima

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Novembersonne

Als Evo Morales 2006 bolivianischer Präsident wurde, war er der große Hoffnungsträger: der erste Indigene in dieser Position hatte eine klar antikapitalistische Ausrichtung und – was ich am bemerkenswertesten fand – er sorgte dafür, daß Pachamama, Mutter Erde, in die Verfassung aufgenommen wurde. Danach kam eine relativ gute Zeit für die Bolivianer, allen voran die Indigenen, die bis dahin immer die Benachteiligten waren. 2010, beim Internationalen Goddess-Kongress auf dem Hambacher Schloss hielt der bolivianische Botschafter, ein kleiner Mann von indigener Abstammung, eine Rede in sehr gutem Deutsch. Er erklärte, warum die Kokapflanze für die Andenvölker so wichtig ist und reichte dann einen Sack mit getrockneten Kokablättern herum, von dem jede etwas nehmen konnte. Ich habe auch ein paar Blätter gekaut, aber nicht wirklich etwas gemerkt. Ich fand den Mann sympathisch und seine Ausführungen nachvollziehbar.

Warum Evo Morales die Verfassung dahingehend geändert hat, daß er für mehr als zwei Amtszeiten gewählt werden konnte, weiß ich nicht. Vielleicht war es die Krankheit der Mächtigen, die sich von ihrem Amt nicht mehr trennen können und sich für so überaus wichtig halten, daß sie keinen Anderen an der Spitze mehr zulassen können. Wie auch immer: daß seine selbsternannte Nachfolgerin Jeanine Áñez demonstrativ das Folterkreuz der christlichen Religion ins Parlament bringt und die Fahne der Indigenen verboten wird, verheißt nichts Gutes. Ich habe keine Ahnung, ob Evo Morales oder die Gegenseite Wahlbetrug begangen haben. Aber ich weiß, daß Bolivien ein Land mit reichem Lithiumvorkommen ist und es mutet schon verdächtig an, daß dieser Umsturz in Bolivien zu einer Zeit stattfindet, da Lithium massenhaft zur Herstellung von Akkus, z. B. für Elektroautos, gebraucht wird. Ich werde den Verdacht nicht los, daß hinter alldem eine mächtige internationale Wirtschaftslobby steckt.

Charles Eisensteins großartiges Buch Climate – a New Story ist jetzt auf deutsch erschienen: Klima – eine neue Perspektive. Gestern Abend, als ich nach Kiel fuhr, hatte ich einige Trecker vor mir, die wohl gerade von ihrer Protestfahrt aus Berlin zurückkamen. Es sind übrigens keine Biobauern, die das organisiert haben, sondern die sogenannten traditionellen Bauern, die sich auf diese Weise mehr Wertschätzung erkämpfen wollen und dagegen protestieren, daß sie jetzt nicht mehr ganz soviel Gülle auf die Felder kippen dürfen wie bisher. Ich kann diese Bauern nicht wertschätzen: sie wissen, daß sie Gift in den Boden bringen, sie wissen, daß die Humusschicht durch ihre Form der Bodenbearbeitung schwindet, sie wissen, daß diese Art von Landwirtschaft die Erde zerstört. Mir kann kein Bauer erzählen, daß er das nicht weiß, denn es ist hinlänglich bekannt. Und sie wissen, daß es Alternativen gibt, nämlich ökologischen Landbau. Trotzdem sind sie mit von der Bundesregierung subventioniertem Diesel nach Berlin gefahren. Charles Eisenstein schildert sehr schlüssig, daß alle von Staaten ergriffenen Maßnahmen, die den Klimawandel aufhalten sollen, das Gegenteil bewirken, weil sie nie das Ganze berücksichtigen. Er beschreibt das sehr gut am Beispiel eines chinesischen Staudamms, der für die Stromgewinnung gebaut wurde. Ich kann das in seiner Komplexität hier nicht wiedergeben, aber letztendlich wird mehr CO2 in die Luft geblasen als ohne Staudamm. Die Windräder verschandeln nicht nur die Landschaft und töten Vögel, sondern sie enthalten hochgiftige Stoffe, die schwer zu entsorgen sind. Außerdem wird für sie Balsaholz gebraucht, was aus den Tropen herbeigeschafft wird. Ähnlich ist es mit den Solaranlagen. Das Problem ist der Strom, ohne den nichts läuft, auch kein Handy, kein Internet, kein Navi, gar nichts.  Wir verbrauchen einfach viel zu viel. Heute war ich in Kiel im Sophienhof um einzukaufen. Ich hasse Shopping und erst recht in diesen überdachten und überhitzten Einkaufszentren mit ihren Menschenmassen. Heute war alles mit tausenden LED-Lichterketten beleuchtet, überall Glitzer und Flimmern. Wer braucht das eigentlich?

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Ich glaube, daß Charles Eisenstein Recht hat, wenn er sagt, daß wir den Klimawandel anders angehen müssen: als allererstes muss sich die Landwirtschaft ändern, muss regenerativ werden. Es sollten mehr Menschen aufs Land gehen und sich genau dieser Aufgabe widmen, ob nun als Bauern oder als kleine Gärtner*innen. Und allesallesalles würde sich ändern, wenn Menschen wieder anfingen, die Erde als lebendiges Wesen zu lieben und zu ehren und sich als Teil von ihr zu fühlen.

Übrigens habe ich in diesem Jahr soviel Gemüse und Früchte aus meinem Garten bekommen wie noch nie. Darüber freue ich mich jeden Tag. Danke, danke, danke, liebe Erde!

„just another fuckery in human history“

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Roger Hallam, einer der Begründer von Extinction Rebellion, hat mit seiner Äußerung, der Holocaust sei „just another fuckery in human history“ für Aufruhr, speziell in Deutschland, gesorgt. Man regt sich darüber auf, daß er angeblich den Holocaust damit klein geredet hat. Ich finde das nicht. Er hat übrigens seine Aussage mittlerweile in der Zeit relativiert und sich dafür entschuldigt, daß er Gefühle von Menschen verletzt hat, die auf irgendeine Weise vom Massenmord an den Juden durch die Nazis betroffen sind. Ich habe das gelesen und kann daran nichts Empörenswertes finden. Daß sich seit einigen tausend Jahren in der Geschichte der Menschheit diverse Massenmorde und Vernichtungen von Ethnien finden, ist doch unbestreitbar. Ich möchte da mal ein paar Beispiele nennen: der Krieg der weißen Siedler gegen die amerikanischen Ureinwohner, die Verschleppung und Versklavung von Afrikanern nach Amerika, die gigantischen Verbrechen der Kolonialisten und der Vietnamkrieg (General Curtis LeMay sprach davon, man solle „Vietnam in die Steinzeit zurückbomben“ und wenn man sich ansieht, wie die Amerikaner in Vietnam vorgegangen sind, dann sieht man, daß das keine leere Redewendung war).

Unser Außenminister Heiko Maas wird im englischen Guardian folgendermaßen zitiert:  “The Holocaust is more than millions of dead and horrific torture methods. To want to murder and exterminate Jewish women and men is uniquely inhumane. We must always be aware of that so we can be certain: never again!”

Dann möchte ich mal darauf hinweisen, daß die deutsche Regierung sich bis heute weigert, Schadensersatzzahlungen für die von der SS begangenen Verbrechen in Griechenland und für den Völkermord an den Herero und Nama durch die deutschen Kolonialisten zu leisten. Ich finde euch alle verdammt scheinheilig und völlig unglaubwürdig.

Um auf Roger Hallam zurückzukommen: er hat diesen Holocaustvergleich im Zusammenhang mit der völligen  Untätigkeit der Regierungen in Bezug auf den Klimawandel gemacht. Und tatsächlich findet zur Zeit vor unseren Augen ein Holocaust nie gekannten Ausmaßes an diversen Gattungen statt und die meisten machen die Augen zu wie damals die Deutschen zwischen 1933 und 1945.

Regt euch doch bitte mal über die richtigen Leute auf!

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Ich finde es auch wichtig, mal wieder darauf hinzuweisen, daß Kriege und Völkermorde ein ziemlich neues Phänomen in der Geschichte der Menschheit sind. Menschen haben, das weiß man heute, die längste Zeit friedlich miteinander gelebt. Wir haben in der Schule im Geschichtsunterricht noch die Jahreszahlen der Kriege auswendig lernen müssen (bei mir ist da nur „333 – bei Issos große Keilerei“ hängen geblieben). Das zeigt natürlich nur, was unsere Geschichtslehrer*innen bzw. die Lehrplanmacher bedeutsam fanden. Mir scheint es aber wesentlich bedeutsamer zu wissen, daß Menschen prinzipiell zu Frieden fähig sind.

Hier kommt noch ein passender Spruch aus dem seltsamen Laden in Flensburg:

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Freiheit

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Flensburger Hinterhof

Am Montag fuhr ich mit anderen Selenter Flüchtlingshelfer*innen nach Raisdorf zu einem Vortrag von Jens Leutloff, der schon im Mai zum Thema „Frauen im Islam“ in Schellhorn referiert hatte. Ich habe am 13. Mai darüber gepostet. Dieses Mal ging es um muslimische Männer und was Migration mit ihnen macht. Es gab da einen lustigen Moment, als Herr Leutloff erzählte, er habe im Blog einer Teilnehmerin der Veranstaltung im Mai gelesen. So wie er das schilderte, bin ich mir sicher, daß er meinen Post „Können Männer Feministen sein“ gelesen hat. Mir ist schon aufgefallen, daß der erstaunlich häufig aufgerufen wird.

Auch dieser Vortrag gefiel mir gut. Und es wurde einmal mehr deutlich, daß Jens Leutloff ein positives Menschenbild hat, daß ihm sehr an der Gleichstellung von Männern und Frauen gelegen ist, daß er absolut kein Freund des patriarchalen Familien(auslauf)modells ist. Und was mich regelrecht gerührt hat: er wirkt an einem neuen und positiven Männerbild mit. Solche Männer können wir alle gebrauchen: die nicht darüber jammern, daß ihnen die Privilegien weggenommen werden, sondern die sich daran machen, Männer von den vielen Schichten aus Pseudomännlichkeit zu befreien und ihnen zu helfen, die zu sein, als die sie vom Leben gemeint sind. Und ich weiß ganz genau, daß Gewalttätigkeit und Dominanz nichts ursprünglich Männliches sind und daß viele Männer sich danach sehnen, ihre fürsorglichen und liebevollen Möglichkeiten zu verwirklichen. Ilan Stephani sagte im Sommer, Männer wollten Frauen glücklich machen und das sei ihr größtes Geheimnis. Das glaube ich ihr sofort, weil ich es auch so erlebt habe.IMG_1951

geheimnisvoller Laden in Flensburg: No Exit

Meine Tochter meinte neulich, daß die alten Feministinnen den falschen Feind gehabt hätten, nämlich die Männer. Ich als alte Feministin finde: Ja und Nein. Ich habe lange die Männer für die Benachteiligungen, Übergriffe und Zumutungen verantwortlich gemacht, die ich in meinem Alltag erlebt habe. Jeder Bericht über Vergewaltigungen und ausbeuterisches Verhalten hat meine Wut angefacht. Das war eine schwierige Zeit, weil ich gleichzeitig Beziehungen zu Männern hatte und mir gewünscht habe, ich könne gut über sie denken. Ich bin Vatertochter, mein Vater war in unserer Familie meine Vertrauensperson, an ihn habe ich mich gewendet, wenn ich etwas auf dem Herzen hatte. Mit meiner Mutter konnte und wollte ich das nicht. Dann kam die Pubertät und mein Vater hat mir die Freiheit genommen, indem er mir alles verboten hat, was ich gern machen wollte. Er wollte mich beschützen und hat damit bewirkt, daß ich zur Rebellin wurde.

In der feministischen Szene habe ich Frauen gekannt, die sehr verächtlich über Männer redeten und im gleichen Satz erzählten, wie leicht man sie ins Bett bekäme. Was denn jetzt: ihr findet Männer scheiße und geht dann mit ihnen ins Bett? Das erinnert mich an solche Männer, die Prostituierte verachten und gleichzeitig regelmäßig ihre Kunden sind. Schizophren!

Es hat lange gedauert, bis ich meinen Frieden mit Männern geschlossen habe. An diesem Heilungsweg haben viele Männer mitgewirkt, u. a. mein letzter Ehemann, Kollegen und Freunde. Männer sind nicht meine Feinde. Und die Welt wird keinen Funken besser, wenn Männerbashing betrieben wird. IMG_1948

Schaufenster des geheimnisvollen Ladens

Ich bin jetzt 66 Jahre alt und führe ein zufriedenes Leben. Ich habe alles, was ich brauche. Seit meiner Pubertät hat mich eine große Sehnsucht nach Freiheit getrieben und in dieser Freiheit lebe ich jetzt. Um ganz ehrlich zu sein, fühle ich mich vollständig frei, seit ich keine feste Beziehung zu einem Mann mehr habe. Manchmal bin ich selbst erstaunt, daß ich so selbstgenügsam lebe. Ich war in den letzten 12 Jahren nur einmal in einen Mann verliebt. Daß nichts daraus geworden ist, war nicht wirklich schlimm: ich habe mich gefreut, daß ich zu solchen Gefühlen noch fähig bin und konnte den Mann ohne Groll und Schmerz gehen lassen. Aber in den letzten Wochen denke ich manchmal, daß es schön wäre in diesem Leben noch einmal die Erfahrung einer Beziehung in völliger Freiheit zu machen. Das heißt: den anderen vollständig zu respektieren, ihn nicht verändern zu wollen, ihn seine Wege gehen zu lassen, keinerlei Erwartungen an ihn zu haben. Das würde allerdings auch bedeuten, daß wir keinen gemeinsamen Haushalt haben. Die Besuchsehe scheint mir ohnehin das Modell der Zukunft. Ja, das würde mir gefallen.