Es fällt mir öfter auf, daß Menschen das bei anderen kritisieren, was sie bei sich selbst nicht sehen. Da schreibt ein bekannter Sozialpsychologe ein schönes Buch, in dem er dafür wirbt, selbst zu denken, statt das anderen zu überlassen und denen dann unhinterfragt zu folgen. Als dann die „Impfung“ auf den Markt kam, sprach er jedoch auf sehr arrogante Weise einem mindestens ebenso bekannten jungen Fußballspieler die Fähigkeit des Selbst-Denken ab, weil der diese medizinische Behandlung für sich ablehnte. Ein Mann, der vor vielen Jahren eine alternative Lebensgemeinschaft gegründet hat und die Abschaffung des Patriarchats fordert, ist in seinem Umkreis der Oberpatriarch, wie ich kürzlich von einem erfuhr, der das aus nächster Nähe mitbekommen hat. Ein amerikanischer Philosoph, der als erklärter Anarchist jegliche Form von Herrschaft und Machtausübung über andere ablehnt, hat ebenfalls zum Thema Impfung so erschreckend brutale Statements rausgelassen, daß mir die Worte fehlen. Eine Frau beschwert sich über eine andere, die „immer nur meckert“. Daß sie selbst das gewohnheitsmäßig macht, nimmt sie gar nicht wahr. Es ist offensichtlich eine tiefsitzende Eigenschaft bei vielen Menschen, den Splitter im Auge des anderen zu sehen, nicht aber den Balken im eigenen Auge, wie es der Lehrer aus Nazareth vor langer Zeit so zutreffend sagte.
Dazu möchte ich eine Geschichte von mir selbst erzählen: neulich berichtet eine Frau nach dem Französischkurs, daß sie eine längere Wanderung plante. Ich sagte: „Da kann ich dir einen wichtigen Tipp geben.“ Sie antwortete: „Bitte nicht, ich habe schon so viele Tipps gehört, ich bin es leid.“ Eine weitere Person, die auch dabei war, sagte daraufhin: „Ich will den Tipp aber hören.“ Also sagte ich, was ich in dieser Situation so wichtig fand. Später im Auto kam mir plötzlich die Frage in den Sinn: Was sollte das denn? Warum habe ich mich denn über ihre Bitte, den Mund zu halten, hinweggesetzt, noch dazu, wo ich doch selber ungefragte Ratschläge häufig ziemlich unangenehm finde? Die Antwort kam gleich hinterher: Weil ich mich wichtig machen wollte.
Ich musste dann über mich selbst lachen. Und tatsächlich freute ich mich richtig, daß ich mir so schnell auf die Schliche gekommen bin. Wenn ich diese Frau das nächste Mal sehe, will ich mich bei ihr entschuldigen.
Von meinem verstorbenen Freund J. kenne ich den Spruch: „Ratschläge sind auch Schläge.“ Wie wahr, wie klar! Wobei auch er gern und oft ungebetene Ratschläge gab. Neulich gelang es mir, wahrscheinlich, weil durch dieses Ereignis meine Wahrnehmung geschärft war, mich selbst ganz bewusst zurückzunehmen in einer Situation, in der ich viele Möglichkeiten sah, meinen Senf dazuzugeben. Jedes Mal, wenn ich den Mund öffnen wollte, kamen mir die Worte in den Sinn: „Tu es nicht. Hör einfach zu.“ An diesem Abend redete ich weniger, als das normalerweise meine Art ist und es fühlte sich überraschend gut an. Ich bin auch davon überzeugt, daß ich so die anderen Menschen viel besser mitbekommen konnte.
Charles Eisensteins Essays werden jetzt übrigens ins Deutsche übersetzt und finden sich hier: charleseisensteindeutsch.substack.com. Auf Radio München gibt es auch einen Podcast mit der deutschen Version eines seiner Essays, in dem es um Verzeihen geht. In ihm werden unter anderem auch die erschreckenden Forderungen des amerikanischen Philosophen und Anarchisten Noam Chomsky zum Umgang mit den Ungeimpften, den ich oben bereits erwähnt habe, zitiert. Da lässt er seine anarchistischen Maske ungeniert fallen. Ich fand ihn übrigens mal gut.
Noch eine weitere Empfehlung: Bastian Barucker, den ich schon einige Male erwähnt habe, wurde kürzlich von Gunnar Kaiser interviewt: kaisertv.de/2022/12/21/die-weisheit-der-wildnis-bastian-barucker-im-gesprach/
Es hat mir sehr gut gefallen und mich zum Nachdenken und Weiterspinnen gebracht, vor allem Bastian Baruckers Aussagen zum Thema Freiheit. Bei all dem Leid und Elend um uns herum gibt es doch immer wieder erfreuliche Botschaften. Die Welt braucht neue Geschichten, die uns stärken.
Cambra Skadé empfiehlt Hausaltäre, ich auch.