In den nächsten Tagen werde ich meine diesjährigen Kräuterspaziergänge planen. Eine Sache, die mich schon lange beschäftigt, ist der finanzielle Ausgleich. Mir hat es immer Schwierigkeiten gemacht, dafür Geld zu nehmen. Andererseits brauchte ich Geld, um Flyer drucken zu lassen und die Materialkosten zu decken. Und dann hatte ich auch das Gefühl, daß etwas, was umsonst gegeben wird, keine Wertschätzung erfährt. Anfangs verlangte ich einen sehr niedrigen Betrag, weil ich einfach Hemmungen hatte, Geld zu nehmen. Eine Frau, die selbstständig arbeitete, rügte mich dafür und meinte, ich versaute die Preise. Dann nahm ich mehr, aber immer noch vergleichsweise wenig und plötzlich kamen vereinzelte Beschwerden, ich sei zu teuer, was ich definitiv nicht war. Wir leben in einem System, was ganz und gar auf Geld aufgebaut ist. Und immer mehr Menschen scheinen zu merken, daß damit etwas ganz falsch ist. Charles Eisenstein, einer der Mitbegründer der Occupy-Bewegung, hat sich nach der Bankenkrise mit unserem Geldsystem befasst und festgestellt, daß es einfach nicht funktionieren kann und immer nur wenige Gewinner und sehr viele Verlierer hervorbringt. Es ist im Grunde zutiefst irrational, genauso wie der Glaube an das Wirtschaftswachstum.
Jetzt lese ich gerade ein wunderschönes Buch, das meine TCM-Frau I. mir geliehen hat: Geflochtenes Süßgrass – die Weisheit der Pflanzen von Robin Wall Kimmerer. Die Autorin ist Angehörige der nordamerikanische First Nations und gelernte Botanikerin und sie flechtet auf sehr schöne Weise Wissenschaft, indigene Mythen, persönliche Erfahrungen zu einem Zopf. Das ganze Buch durchzieht das Thema Schenken und Dankbarkeit und beim Lesen habe ich ständig Aha-Erlebnisse. Die weißen Siedler haben den Indigenen unglaublich viel Leid zugefügt, das wird in diesem Buch noch einmal schmerzhaft deutlich. Ihre Kultur wurde weitgehend zerstört, wie das auch in Afrika und Australien geschehen ist. Aber allmählich werden die alten Weisungen wieder erinnert und die alten Wege wieder aufgenommen. Sie sieht sich selbst als Lernende und ihre Lehrer und Lehrerinnen sind überwiegend die mehr-als-menschlichen Wesen, vor allem die Pflanzen.
Das Lebensprinzip der Erde ist das Schenken. Alles, was wir brauchen, bekommen wir geschenkt. Damit wir leben können, sterben andere Wesen. Das ist übrigens nicht nur bei Fleischessern, sondern auch bei Veganern der Fall, denn auch Pflanzen sind lebendige Wesenheiten, die sterben, wenn wir sie essen. Wir töten Bäume, um Feuer machen zu können und Häuser zu bauen. Die Urvölker wussten noch um diese Gegenseitigkeit: heute nehme ich die Geschenke der Erde, morgen gebe ich mich hin, damit andere leben können. Und wenn es die Würmer sind, die mich nach meinem Tode essen. Diese Gegenseitigkeit wird heute nicht mehr praktiziert. Menschen nehmen und nehmen. Wenn wir die Erde aufreißen und Kohle, Erdöl, Metalle und anderes herausholen, ist das Gewalt und hat nichts mit dem Annehmen von Geschenken zu tun.
Wenn wir uns aber der ungeheuren Großzügigkeit von Mutter Erde wieder bewusst werden und Dankbarkeit dafür zum Ausdruck bringen, vollzieht sich eine große Veränderung nicht nur in uns sondern auch in unserer Mitwelt. Das alles beschreibt sie auf eine Weise, die tief ins Herz dringt.
Was das mit meinen Kräuterkursen zu tun hat? Ich bin zu dem Schluss gekommen, daß das Wissen von den Heilpflanzen Allmende ist, also Gemeingut. So war es früher, als noch jedes Dorf seine Kräuterhexe und seine Hebamme hatte, an die man sich wenden konnte und die ihr Wissen an die weitergab, die es wertschätzten und im Sinne der Gemeinschaft verwendeten. Natürlich muss ich weiterhin meine Materialkosten abdecken können. Das könnte dann in Form einer Spende geschehen, über deren Höhe jede selbst entscheidet. Und übrigens habe ich einfach tierische Lust, auf diese Weise unser destruktives Geldsystem zu unterwandern.