Frei

Gestern ging der zweite Schwarm ab und hängte sich nach einer kurzen Entscheidungsphase in den Pflaumenbaum. Ich schickte G. eine SMS und sagte meiner Nachbarin Bescheid, die dann mit ihrer kleinen Tochter kam. Wir bewunderten den Schwarm, auf dem schon einige Bienen eifrige Schwänzeltänze aufführten.

Den Bienen sagte ich: „Wenn G. euch nicht abholt, dann lasse ich euch frei fliegen.“ Dann ging ich in die Küche und machte mir etwas zu essen. Als ich das nächste Mal in den Garten sah, fehlte der Schwarm. Sie waren einfach weggeflogen, vier Stunden nach ihrem Auszug aus ihrer alten Wohnung. So schnell habe ich das noch nie erlebt. Haben sie mich vielleicht verstanden? Den Bienen traue ich alles zu, auch daß sie irgendwo in der Nähe einen schönen hohlen Baum gefunden haben und jetzt als wilde Bienen, frei von menschlicher Einmischung, ein schönes Leben führen. Irgendwie hat mich das Erlebnis gefreut!

Ich hatte noch ein weiteres Erlebnis mit der mehr-als-menschlichen Welt: ein Schwalbenpaar hatte angefangen, ein Nest direkt über der Haustür zu bauen. Es gibt schon einige bewohnte Nester auf beiden Seiten neben dem Eingang und ich lege jedes Jahr Holzbretter auf die Treppe, auf denen sich die Kacke der Vögel sammeln kann. Am Ende der Schwalbensaison kommt sie auf den Kompost. Aber direkt über meinem Kopf, das gefiel mir gar nicht. Nach einigem Nachdenken kratzte ich die ersten kleinen Lehmspuren mit einer Hacke ab. Das musste ich ziemlich oft machen, wie sich herausstellte, weil die Schwalben immer wieder von vorn anfingen. Je öfter ich kratzte, desto schlechter fühlte ich mich. Am zweiten Tag hörte ich auf und sagte den Tieren: „Ich gebe es auf. Es tut mir leid, daß ich euch so behindert habe. Ich werde mich mit eurer Kacke arrangieren.“ Was soll ich sagen: seitdem bauen die Schwalben an der Stelle nicht mehr. Wer hat da wen verstanden?

Der Abend

Mein Nachbar T. will mir im September ein Holzbrett anbringen, dann können die Schwalben nach Herzenslust brüten und lustig zwitschern.

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