Strömung

Ab Mittwoch haben wir also den zweiten Lockdown in diesem Jahr. Bis vor kurzem habe ich es nicht für möglich gehalten, daß die Regierenden, die doch sonst die Wirtschaft so anbeten, ein weiteres Mal zu dieser Maßnahme greifen. Man kann sich natürlich schon fragen: Wie lange? Wie oft noch? Denn eins ist klar: Viren verschwinden nicht einfach. Sind sie einmal da, vergnügen sie sich immer weiter und erlauben sich dabei die eine oder andere Mutation. Ich denke, auf die Dauer bleibt uns nur die vielgeschmähte Herdenimmunität. Herr Lauterbach von der SPD zeigt sein Unverständnis darüber, daß gerade Ärzt*innen und Pflegepersonal so wenig Interesse an einer Impfung haben. Daß gerade die Profis Vorbehalte haben, sollte Herrn Lauterbach zu denken geben.

Heute fuhr ich nach Kiel, um alle Einkäufe zu erledigen. In zwei Tagen geht das nicht mehr, wer weiß wie lange. Es war schon vormittags erwartungsgemäß voll in der Stadt, aber wie immer fand ich einen Parkplatz und konnte alles erledigen, was ich vorhatte. Es gab sogar noch ausreichend Dinkelmehl und Hefe im Bioladen. Ich war auch bei meiner Friseurin, die gerade 15-Stunden-Schichten macht, um möglichst viele ihrer Stammkund*innen noch zu versorgen. Glücklicherweise stand mein Termin schon seit zehn Wochen. Das ist der Zeitraum, in dem ich mir einen Haarschnitt gönne.

In einem Laden stand eine sehr lange Schlange an der Kasse. Ein Mann hinter mir regte sich darüber auf und versuchte, mich als Verbündete zu gewinnen. Auf die Rolle hatte ich keine Lust. Auch in mir wallt immer mal wieder Ärger über alles, was derzeit geschieht auf, aber gut fühlt er sich nicht an. Vor etwa zwei Wochen erlebte ich auf einer schamanischen Reise, wie die Strömung eines Gewässers das Holzboot, in dem ich mich befand, sanft ans andere Ufer brachte. Ganz kurz hatte ich eine Stakstange in der Hand, die aber plötzlich verschwand. Da war ich ganz auf die Strömung angewiesen. Irgendwie passt dieses Bild zur aktuellen Situation: Ich habe keine Kontrolle über das, was geschieht, also überlasse ich mich der Strömung, bin Zeugin und schaue mir alles mit Interesse an.

Ich bin mal wieder so froh, daß ich auf dem Lande wohne, weit weg von hektischen Menschen, Maskenpflicht und langen Schlangen im Nieselregen vor den Läden. Es gibt zur Zeit viel zu erledigen, da meine Mutter nicht mehr zu Hause wohnen kann, wenn sie aus der Reha kommt. Glücklicherweise muss ich mich nicht allein kümmern: die Zusammenarbeit mit meinem Bruder funktioniert richtig gut. Ich mache lange Gänge, wenn bedrängende Gedanken kommen. Der Wald tut mir gut. Vor einer Woche machten J. und ich einen langen Spaziergang und dabei fand ich den großen Lebensbaum wieder, den ich einige Male vergeblich gesucht hatte. Im Garten mache ich die letzten Herbstarbeiten: Blätter harken, Kompost umsetzen, Brombeerranken zurückschneiden, Sense dengeln, die Bienen mit Oxalsäure behandeln. Dieser banale und notwendige Alltagskram tut gut und ist wie ein Anker im Chaos, das sich auf der Erde ausbreitet. Ich koche leckere Sachen für mich und backe für Weihnachten. Meinem Bauch geht es wieder gut und ich habe auch schon etwas zugenommen. Was mir geholfen hat, kann ich nicht genau sagen. Vielleicht die energetische Behandlung von Dr. P., sicher hatte auch die Löwenzahntinktur einen Anteil mit ihren lösenden und ins Fließende bringenden Eigenschaften.

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