Maske

Die Pflicht, beim Einkaufen und in öffentlichen Verkehrsmittteln Gesichtsmasken zu tragen, hat neben all den berechtigten Zweifeln an ihrer Sinnhaftigkeit eine lustige Seite: jetzt plötzlich gilt das Vermummungsverbot nicht mehr. Bei Demos standen Teilnehmer*innen unter Terrorverdacht, wenn sie ihr Gesicht mit Tüchern, Mützen oder anderen Mitteln bedeckten. Jetzt aber müssen wir uns alle vermummen. Na ja, ich habe schon in der Klinik äußerst widerwillig mit Maske gearbeitet. Das war nur selten vorgeschrieben, etwa wenn wir das Norovirus oder Influenza auf der Station hatten. Man atmet sein eigenes CO2 wieder ein, was sicher nicht gesund ist. Außerdem ist es heiß unter der Maske und mich persönlich stört es sehr, daß ich die Mimik meiner Gesprächspartner nur noch ahnen kann. Sogar unter Ärzt*innen wird diese Maßnahme stark angezweifelt. Ich habe hier den Eindruck, daß sie, wie alle anderen Restriktionen seit Beginn der Coronawelle in Deutschland, einem mehr oder minder blindwütigen Aktionismus geschuldet sind. So zeigt man dem Volk: wir tun was für eure Sicherheit. Meine Gesichtsmaske hat übrigens eine Teilnehmerin meiner Kräuterkurse für mich genäht. Danke, liebe K.!

Ich möchte gern selbst entscheiden, was ich für meine eigene Sicherheit tue. Nun neigen Staaten bekanntermaßen dazu, ihre Völker zu bevormunden. Regierungen sehen sich durch die Wahl als autorisiert, ihre Bürger wie unmündige Kinder zu behandeln. Vor Corona erfuhr ich, daß der Staat Stellen einrichten wollte, an die Bürger sich wenden sollten, die erhebliche Widerstände gegen die Einrichtung von 5G haben. Man wolle den Bürger*innen zuhören und ihre Sorgen ernstnehmen. Der Schlusssatz war dann, daß man sie davon überzeugen wolle, daß 5G absolut unschädlich sei. Also stand das Ergebnis schon fest. Warum soll ich mich als Bürgerin dann an so eine Stelle wenden?

Gebetsmühlenartig wird immer wieder gesagt, der Shutdown diene dazu die Alten und Kranken zu schützen (vom drohenden Zusammenbruch des Gesundheitswesens redet keiner mehr, ist mir aufgefallen). Soweit ich weiß, hat man aber gar nicht daran gedacht, die Alten und Kranken mal zu befragen, was sie denn wollen. Ich weiß mittlerweile von einigen alten Menschen, die sich wenig Sorgen um eine mögliche Coronainfektion machen („Lieber an Corona sterben als jahrelang ein Pflegefall sein.“) Aber sie wollen nicht ihre letzten Lebensmonate einsam und isoliert verbringen. Lasst die alten Leute doch selbst entscheiden und gebt den Menschen, die ein erhöhtes Risiko haben, die Verantwortung für ihr eigenes Leben zurück. Wer Angst hat, kann ja eine Maske tragen und sich an die soziale Distanzierung halten. In diesem Zusammenhang kann ich auch über den Shitstorm, der gerade über den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer niedergeht, nur den Kopf schütteln. Er hat im Fernsehen folgende Bemerkung gemacht: „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären – aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen.“ Seitdem regen sich alle möglichen Menschen öffentlich auf, nennen ihn zynisch und menschenverachtend. Ich kann an dieser Bemerkung nichts Zynisches erkennen. Es ist doch lediglich eine nüchterne und zutreffende Feststellung.

Ansonsten kann ich dem Lockdown mittlerweile durchaus etwas abgewinnen. Ich habe soviel freie Zeit wie nie und genieße das ungemein. Ich bin vom Naturell her eher ein langsamer Mensch. Aus alten Postkarten von meiner Oma an meine Mutter erfuhr ich, daß ich als kleines Kind Schnecke genannt wurde. In der Schule hatte ich deswegen Probleme in Sport und Mathe: die Bundesjugendspiele waren für mich ein Graus, weil ich beim Sprint immer als Letzte im Ziel ankam. Und wenn wir in Mathe Wettrechnen machten, bei dem diejenigen sich setzen konnten, die die Aufgabe als erste gelöst hatten, blieb ich immer bis zum Schluss stehen. Als ich anfing zu arbeiten, lernte ich schnell zu sein. Gefallen hat mir das nicht. Ich hatte immer das Gefühl, das geht nur, wenn ich pfusche. Ich bin eine gründliche und genaue Arbeiterin und das kann ich nur sein, wenn ich keinen Zeitdruck habe. Ich habe auch festgestellt, daß ich viel mehr wahrnehme, wenn ich Zeit habe.

Am 1. Mai besuchte ich eine Freundin und machte eine schönen Spaziergang durch den Wald an der Steilküste. Wir hatten Glück und waren zwischen zwei Regenschauern unterwegs. Der Wald ist so schön. Waldmeister blühte in dichten Teppichen unter den hohen Buchen. Sturm und Meer hatten wieder an der Küste genagt und es lagen entwurzelte Bäume auf dem Strand. Es waren viele Menschen unterwegs und alle grüßten freundlich, wir auch. Irgendwie hat sich atmosphärisch was geändert im Kontakt und das gefällt mir sehr gut.

Am Samstag holte ich den bestellten 25 kg-Sack mit Biozucker für die Bienen bei einem Imkerkollegen in der Nähe von Rendsburg ab. Da traf ich einige andere aus meinem Imkerverein. J. führte uns durch seinen riesigen Garten. Er liebt Bäume und hat im Laufe der Jahrzehnte eine schöne Sammlung an exotischen Bäumen gepflanzt, darunter eine schon recht große Sequoia. Am liebsten mag er aber Apfelbäume. Er wollte mir auch gleich ein kleines frisch veredeltes Bäumchen mitgeben, aber in meinem Garten gibt es dafür keinen Platz. Stattdessen bekam ich drei Teufelsabbisspflanzen, die auf der Roten Liste stehen. Ich hoffe, sie fühlen sich bei mir wohl. Ich finde es schön und ermutigend, daß es Menschen wie J. gibt, der einen so schönen Garten angelegt und seine ganze Seele hinein gelegt hat. Ich hatte ein paar nette Gespräche und zum Abschluss gab es noch Kaffee und Kuchen im Schuppen. Aber die Umarmungen fehlen mir doch sehr.

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