Stephen Buhners Buch Becoming Vegetalista habe ich mittlerweile durchgelesen und kann es allen Interessierten, die Englisch verstehen, ans Herz legen. Es ist gleichzeitig Schilderung seines Werdegangs vom Mathematiker zum Freund der Pflanzenwesenheiten und sein Vermächtnis. In Einigem fand ich mich wieder, wenn ich auch von Anfang an einen ganz anderen Zugang zu Pflanzen hatte und anders als er bereits als Kind damit angefangen habe. Bei ihm war es ein LSD-Trip, der ihn letztendlich auf den Weg gebracht hat. Und während er immer wieder hervorhebt, welch schwere Arbeit und welcher Schmerz mit diesem Weg verbunden war, kann ich das so nicht auf mich übertragen. Ich stimme ihm aber darin zu, daß viele Schichten an Konditionierung durch ein lineares und mechanistisches Weltbild abgetragen werden müssen, bevor Menschen aus unserer Kultur eine lebendigen Zugang zu den grünen Völkern finden können. Denn darum geht es meiner Meinung nach. Gelegentlich kommen Menschen zu mir, die aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen mit der reduktionistischen Schuldmedizin die Präparate der Pharmaindustrie durch Pflanzen 1:1 übersetzen möchten. Aber darum geht es nicht. Es wäre nur eine weitere Variante des Reduktionismus.
Auf einen Satz gebracht geht es bei der Pflanzenmedizin um eine persönliche Beziehung zu den grünen Wesenheiten, die im Laufe der Zeit immer tiefer und immer klarer wird. Und dazu braucht es Zeit und Hingabe und lebenslängliches Lernen.
Am besten hat mir Stephen Buhners Epilog gefallen. In dem erzählt er die Geschichte einer Frau, die ihn aufsucht, weil sie dringend Hilfe für Körper und Seele braucht und mit seiner Unterstützung die Pflanze in der freien Natur entdeckt, die ihr umfassende Heilung geben kann. Sehr berührend fand ich auch, wie er schilderte, daß die Beziehung zu den heilenden Pflanzen eine gegenseitige ist. Der Satz „We are earth“ hat bei mir ein großes JA! ausgelöst. Nicht daß mir das neu wäre, aber es war so schön, noch einmal in aller Deutlichkeit erinnert zu werden. Leider ist Stephen Buhner im vorletzten Jahr gestorben, sonst hätte ich ihm eine Dankeschön-Mail geschickt.
Heute war ich bei meinem Zahnarzt zur alljährlichen Zahnreinigung. Weil ich früh dran war, konnte ich endlich mal in Ruhe in der anthroposophischen Zeitschrift Info 3, die in seinem Wartezimmer ausliegt, schmökern. Drei Statements zur AfD und den Demos gegen Rechts. Das erste mit dem Tenor: wie gut, daß soviele Menschen den Rechten zeigen, was Demokratie ist. Das zweite vom Chefredakteur Jens Heisterkamp, in dem er die AfD als Partei darstellt, die sich gegen Weiterentwicklung in der Gesellschaft sperrt. Soweit also nicht Neues. Aber das dritte von Alexander Capistran sprach mir direkt aus der Seele. Er versteht das Erstarken der AfD als Reaktion auf die fatale Regierungspolitik. Er beschreibt gut informiert, warum die AfD keine faschistische Partei ist. Und er befasst sich mit den Kategorien Links und Rechts, denen er die Adjektive „einschließend“ und „ausschließend“ zuordnet und beides noch weiter differenziert. Und schließlich kommt er zu dem Schluss, daß die vielen Menschen, die jetzt gegen Rechts auf die Straße gehen, eben auch eine stark ausschließende Einstellung haben, wenn man tief genug schaut. Ich muss sagen: diese Art von Journalismus gibt mir Hoffnung. Dagegen hat mir die Süddeutsche Zeitung, die mir kürzlich mal wieder in die Hände geriet, mit ihren klischeehaften und schlicht falschen Behauptungen Brechreiz gemacht.
Auf den Nachdenkseiten erschien heute ein guter Kommentar von Oskar Lafontaine zum gleichen Thema: Der Kampf gegen rechts und die Liebe zu Faschisten. Da seziert er die Doppelmoral unserer Regierenden, die keine Hemmungen haben, mit Faschisten zusammenzuarbeiten bzw. sie zu unterstützen und gleichzeitig eine nach demokratischen Regeln gewählte Partei in die Naziecke stellen. Er entlarvt auch den hier als Märtyrer hochstilisierten, mittlerweile verstorbenen Nawalny als lupenreinen Faschisten.
Zum Schluss noch mal in aller Deutlichkeit: nein, ich bin keine Freundin der AfD. Vor einigen Jahren noch habe ich Beifall geklatscht, als eine Bioladenkette in Kiel die Hirse, die ich immer gekauft habe, weil sie aus Deutschland und nicht aus China kam, aus ihrem Programm genommen hat, nachdem bekannt geworden war, daß der Produzent zur AfD gehörte. Mittlerweile habe ich dazu gelernt und finde diese Aktion falsch. Ich bin eben auch „work in progress“, wie es der Kundalini-Yogalehrer Satya Singh mal in einem Interview von sich selbst gesagt hat: ich lerne – hoffentlich – immer weiter, bis ich irgendwann wieder zurück zu Mutter Erde gehe (und vermutlich auch darüber hinaus).