Sommer

Ich habe wieder ein Wildniswochenende hinter mir. Sehr heiß, obwohl wir die ganze Zeit im Wald waren. Und wieder sehr schön und inspirierend. Ich sammle neue Erfahrungen. Weil ich mein Gepäck reduzieren wollte, schließlich sind es vom Parkplatz bis zu unserem Camp noch ca. 2 km zu laufen, habe ich auf Isomatte und Schlafsack verzichtet und stattdessen mein Yoga-Schaffell und meine Wolldecke mitgenommen. Aber in der zweiten Nachthälfte ging die Temperatur deutlich herunter und es wurde kalt. Also zog ich in der zweiten Nacht noch ein langärmeliges Shirt über und dann ging es besser. Weil ich auch Ohropax in den Ohren hatte, um die laute Partymucke, die von irgendwoher schallte, nicht zu hören, bekam ich die Wildschweine nicht mit, die uns einen nächtlichen Besuch abstatteten. Sonntagmorgen stand ich extra früh auf, um mit zwei anderen Frauen runter zum See zu gehen und zu schwimmen. Es war ein Genuss, nackt in das klare glatte Wasser einzutauchen. Das werde ich in Zukunft immer machen. Mal schauen, wie es im Winter aussieht.

Ich kann wie beim letzten Mal nicht wirklich beschreiben, was wir gemacht haben. Oder besser: ich könnte die nackten Fakten aufzählen, daß wir z. B. Spurenlesen geübt haben und eine Einführung in das Coyote-Teaching bekommen haben, zu dem gehört, daß es statt Erklärungen Fragen gibt. Aber warum mich diese Treffen so in der Tiefe packen und begeistern, kann ich nicht sagen. Nach meiner Ankunft am Sonntag fühlte ich ein inneres Schwirren, das mich vom Schlafen abhielt.

Einer unserer Mentoren sang ein Lied, in dem die Zeile vorkam: „I am the weaver, I am the woven one.“ Wie schön drückt das aus, was ich über die Welt denke: ich bin die Weberin, ich bin das Gewebte.

Am Dienstag machte ich einen langen Gang, um Pflanzen für meinen Kräuterbuschen zu sammeln. Als ich losging, hatte ich noch keinen Plan, wohin ich gehen wollte. Ich bat die Pflanzen, mich zu führen. Und so entdeckte ich einen märchenhaft schöne Wiese mit Obstbäumen, umgeben von Wald, auf der Rainfarn und Leinkraut blühten. Überhaupt bin ich in den letzten Wochen so tief in die Welt der Pflanzen eingetaucht wie schon lange nicht mehr. Es ist eine magische Welt und das Lernen hört nie auf.

Ich genieße den Sommer. Vor einigen Tagen habe ich den reifen Waldstaudenroggen geerntet. Die Halme sind höher als ich selbst und ich musste wieder an die Kornfelder meiner Kindheit denken, in denen ein großer Mensch sich verstecken konnte. Und die Ähren, welch perfektes Design! Mir fiel die Frau im Wandererheim in Jokkmokk vor zwei Jahren ein, die die Überlegenheit der menschlichen Gattung an ihrer Fähigkeit Kunst herzustellen festmachte. Wenn ich mir eine Getreideähre ansehe, weiß ich, daß menschliche Kunst immer lediglich eine Kopie sein kann.

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