Sucht

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Das wöchentliche Giftspritzen

Von einem leitenden Angestellten einer kleinen Firma habe ich vor einigen Jahren gehört, daß alle Manager große Angst haben, weil sie letztendlich wissen, daß es mit der Wirtschaft so nicht weitergehen kann. Sicher gibt es auch viele Leute, die wissen, daß das rasante Ansteigen der Temperatur auf unserer Planetin uns und den anderen Arten Tod und Verderben bringen wird, möglicherweise sogar unter den Politikern (obwohl: denen traue ich am wenigsten Realitätsbezug zu. Wenn ich dann noch sehe, daß das Ministerium von Herrn Seehofer aus 100% Männern bzw. 0% Frauen besteht, erhärtet sich mein alter Verdacht, daß die Leute in der Regierung in einem Paralleluniversum leben). Daß die Flüchtlingswelle der letzten Jahre nur der Anfang ist und mehr als 100 Millionen Menschen auf der Flucht sein werden, wenn etwa Bangladesh klimabedingt zu großen Teilen ungefähr 7 m unter Wasser liegt, dürfte auch kein Geheimnis sein. Daß trotzdem so weiter gemacht wird wie bisher, erinnert an die typischen Kennzeichen von Sucht.

Der Alkoholiker, der Raucher und andere Süchtige wissen, daß sie sich langsam aber sicher umbringen oder sich zumindest irreversible Schäden zufügen. Sie alle haben diese kleine feine, manchmal auch laute und deutliche Stimme in sich, die sagt: Wenn du leben willst, kannst du nicht so weiter machen. Dennoch machen sie weiter, die allermeisten jedenfalls.

Ich weiß das, weil ich selbst über 20 Jahre starke Raucherin war und weil alkoholkranke Menschen mir das erzählt haben.

Daß die großen Agrarkonzerne, die heutzutage die Landwirtschaft dominieren, alles totspritzen, daß Jahr für Jahr mehr Humus verschwindet, dürfte denen auch bekannt sein. Der Mann im Trecker mit dem Giftanhänger hob gestern grüßend die Hand, als er mich im Garten sah. Er wird sagen, daß er seinen Job tut, den ihm ein Höherrangiger aufgetragen hat.

Der Unterschied zum Alkoholiker und Raucher ist, daß Politiker und die Manager von Agrar- und anderen Großkonzernen nicht nur sich selbst umbringen, sondern gleich Millionen von Arten, unsere eingeschlossen.

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Heute sah ich eine einzige Honigbiene mit Pollenhöschen im blühenden Flieder. Gestern freute ich mich über eine Hummel, die in die dicken Blüten des kleinen Quittenbäumchens kroch.

Ganz besonders freute ich mich über den Überraschungsbesuch von G. heute Vormittag.  Vor zwei Jahren hat er von mir zwei Schwärme bekommen. Er hatte von B. erfahren, daß meine Bienenvölker tot sind. Heute sagte er mir, daß ich von ihm ein neues Volk bekomme. Seine Bienen haben schon reichlich Weiselzellen gebaut, es gibt also neue Königinnen. Wahrscheinlich wiederhole ich mich, aber es gibt verdammt viele tolle Menschen unter den wesensgemäßen Imker*innen.

Noch was Erfreuliches: gestern war ich zusammen mit einer weiteren Sprachpatin bei einer afghanischen Familie in Selent zum Essen eingeladen. Sie bedankten sich auf diese Weise für unsere Fahrt zum Flüchtlingsrat. Das Essen war sehr lecker: Rind- und Hähnchenfleisch mit gemischtem Gemüse und Okraschoten, dazu Basmatireis mit getrockneten Berberitzen und als Getränk Ayran mit Pfefferminze. Die Stimmung bei Tisch war sehr angenehm. N. ist eine lebhafte, herzliche Frau, ihr Mann M. ein sehr ruhiger, freundlicher Mensch, der nach der Mahlzeit den Tisch abräumte und säuberte. Zum Abschied nahm er meine Hand in seine beiden, was sich gut anfühlte. Die jüngste Tochter spricht fast perfektes Deutsch, ist eine sehr gute Schülerin und für ihre 14 Jahre schon ziemlich erwachsen. Dann gibt es noch eine Tochter, die eher still war und die alte Mutter von N., die kaum Deutsch spricht, aber immer dabei ist. Ach, ich wünsche mir so sehr, daß sie hier bleiben können.

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