Ärger

Ich habe ein schönes Zitat gefunden von Henry David Thoreau gefunden:

„Lebendigkeit und Wildheit entsprechen sich. Das Lebendigste ist auch das Wildeste.“

Wie wahr!

Seit ich vor etwa 40 Jahren eine schwere Bauchspeicheldrüsenentzündung hatte, macht mir ab und zu mein Verdauungstrakt zu schaffen. Die Ärzte haben mir damals keine gute Prognose gestellt und gemessen daran hat sich alles sehr gut entwickelt. Prognosen können wie ein Fluch wirken und ich finde mittlerweile, Ärzte sollten sie ganz unterlassen, denn wie sich eine Krankheit entwickelt, hängt von so vielen Faktoren ab, die niemand überschauen kann. Am allerwichtigsten scheint mir die innere Haltung des Patienten zu sein: Was will mir diese Krankheit sagen? Wie kann sie mir auf meinem Weg helfen? Ich glaube, daß viele Krankheiten, vielleicht sogar alle, ein Hinweis des Lebens sind, daß etwas verändert werden will. Vor einiger Zeit hat mich meine Chinesische Medizinfrau darauf hingewiesen, daß die Leber nicht nur mit stofflichen Giften sondern auch mit Ärger umgehen muss. Das war mir nicht neu, aber bisher hatte ich es nicht auf mich bezogen. Zunächst war ich etwas unwirsch und dachte: was soll ich denn mit so einer Aussage anfangen?

Kürzlich konnte ich mich selbst dabei beobachten, wie ich mich über einiges ärgerte: Vorwürfe, weil ich unausgesprochene Erwartungen nicht erfüllt hatte, eine Anfrage, auf die keine Antwort kam, eine Frau, die auf unangenehme Weise für den christlichen Glauben missionierte. Ich ertappte mich dabei, wie ich mit den Menschen, durch die mein Ärger aufgeflammt war, innere Dialoge führte und mir damit meinen Tag versaute. Da wurde mir klar, daß sowohl der Ärger wie auch die fruchtlosen inneren Dialoge eine alte Gewohnheit sind. Die möchte ich gern ablegen. Denn ich kann ja keine davon überzeugen, daß sie keine Erwartungen an mich richten soll. Ich kann keinen dazu bringen, meine Anfragen zu beantworten. Ich kann mich aber fragen: wo habe ich unausgesprochene Erwartungen? Wo antworte ich nicht auf eine Anfrage? Wo versuche ich Menschen von etwas zu überzeugen, was ich für richtig halte und verhalte mich dabei rechthaberisch und belehrend? Da muss ich nicht lange suchen. Immer wenn in mir Sätze auftauchen, die mit „Er/sie sollte…“, „Er/sie hätte…“ und „Er/sie müsste…“ anfangen, bin ich auf dem Holzweg. Denn wenn die Anderen sollten, hätten und müssten, hätten sie es getan.

Eigentlich ist es eine schöne Sache, sich selbst immer mehr auf die Spur zu kommen.

Und dann geschehen auch Dinge, die mich erfreuen: nachdem ich mich aus einer Gruppe verabschiedet habe, in der wir das Lesen im Bewusstseinsfeld geübt haben, bekam ich heute einen Anruf von einer Frau, die mir ans Herz gewachsen ist. Sie bedauerte meinen Abschied von der Gruppe und wir verabredeten, daß wir beide weiterhin üben wollen. Eine andere Frau schrieb mir aus dem gleichen Grund eine PN. Auch mit ihr werde ich mich weiter zum Lesen treffen.

Im Übrigen genieße ich den Herbst, auch wenn er sich von seiner wasserreichen Seite zeigt. Wenn dann die Sonne mal durch die Wolken scheint, freue ich  mich an den goldenen Blättern, die von den Bäumen schweben. Ich bin oft draußen. Ein Falke hat sich heute zum zweiten Mal in meinem Garten auf einer der Zwillingsfichten im Knick gezeigt und ein Trupp Wacholderdrosseln kommt fast täglich vorbei und macht sich über die Äpfel her, die noch am Holsteiner Cox hängen.

 

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