Das starke Herz

Ich habe mich mittlerweile dazu verpflichtet, wenigstens zweimal in der Woche eine Runde mit dem Fahrrad zu drehen. Meine Kondition ist deutlich besser geworden. Heute bin ich bei strahlendem Sonnenschein und kaltem Ostwind gefahren und konnte es sogar streckenweise genießen, bei Steigungen kräftig in die Pedale zu treten, die großen Damwildrudel auf den Feldern zu sehen und Slalom um die Pfützen zu fahren. Als ich wieder zu Hause ankam, habe ich mich gut gefühlt, körperlich und seelisch. Bewegung ist einfach ein Schlüssel für ein ausgeglichenes Seelenleben. Unmittelbar vor meiner Staroperation hat mir der Anästhesist mitgeteilt, daß ich einen stark arrhythmischen Puls habe. Das konnte ich später bestätigen, wenn ich ab und zu mal meinen Puls gezählt habe. Ich war nicht allzu beunruhigt. Ich habe mir aber im Januar einen Termin bei der naturheilkundlich arbeitenden Ärztin geben lassen, die ich das erste Mal vor der drohenden Impfpflicht aufgesucht habe, weil ich dachte, es sei gut, in Notfällen jemanden zu haben. Die Praxis im Nachbardorf genießt nicht mein volles Vertrauen, auch wenn die Ärzt*innen dort freundlich sind. Aber sie sind halt Schulmediziner mit all den Begrenzungen, die zur Schuldmedizin gehören. Den Ausschlag zum endgültigen Arztwechsel gab die Weigerung, mir eine Verordnung für Ernährungsberatung zu geben. Die wollte ich haben, um wenigstens einen Teil der Kosten für die Behandlung bei meiner Chinesischen Medizinfrau Inke erstattet zu bekommen. Stattdessen wurde mir ziemlich streng angeraten, eine Gastroskopie machen zu lassen, um mein häufig auftretendes Völlegefühl abzuklären. Nein danke! Meine neue Ärztin ließ ein EKG ableiten und bestätigte die die Herzrhythmusstörungen. Es gibt verschiedene Erklärungen dafür, die ich hier nicht weiter ausführen werde. Ich ging mit der Frage ins Bewusstseinsfeld, was ich tun könne und bekam die Antwort: ins Herz atmen. Als ich am Freitag bei Inke war, gab sie mir den gleichen Rat und zeigte mir, wie kohärentes Atmen geht. Das ist also jetzt meine tägliche Meditation: 10 Minuten lang je 5 Sekunden ohne Pause ein- und ausatmen und mir dabei vorstellen, daß der Atem durchs Herzchakra ein- und ausströmt. Inke wusste übrigens nichts davon, daß ich den gleichen Rat aus dem Bewusstseinsfeld erhalten hatte.

Aber ein Herz wird eben auch stark durch körperliches Training und immer, wenn ich nach dem Radfahren meinen Puls fühle, ist er regelmäßig. Nebenbei bemerkt: ein sehr regelmäßiger Herzschlag ist nichts Gesundes, sondern tritt kurz vor einem Herzinfarkt auf. Ein lebendiger Organismus ist eben keine regelmäßig tickende Uhr.

Der Bärlauch in meinem Garten hat sich schön ausgebreitet. Jeden Tag nasche ich ein paar Blätter, zusätzlich auch Löwenzahn, der jetzt so frisch und knackig ist. Auch damit tue ich meinem Herzen und Blut gut.

Lisa Fitz Buch Der lange Weg zum Ungehorsam habe ich ausgelesen. Ich habe bereits erzählt, daß ich viele Gemeinsamkeiten mit ihr erkannt habe: die Unfähigkeit zum Gehorsam, der zwingende Wille, den ganz eigenen Weg zu gehen mit allen Höhen und Tiefen, der Freiheitsdrang. Dazu gehört auch, daß ich genau wie sie nie einem Guru, einem Lehrer oder einer Lehrerin ohne Wenn und Aber folgen konnte. Ich musste wie sie immer alles hinterfragen und letztlich mein eigenes Ding machen. Und das Leben als fortwährenden Lernprozess erkennen. Mir gefällt Lisa Fitz also ziemlich gut, ihr Humor und ihre Ehrlichkeit und daß sie sich nicht scheut, ganz persönliche Dinge von sich preiszugeben, auch die nicht so vorteilhaften. Tolle Frau!

Und jetzt lese ich Das Ende der Megamaschine – die Geschichte einer scheiternden Zivilisation von Fabian Scheidler. Es ist schon einige Jahre alt; sein neustes Buch Der Stoff, aus dem wir sind habe ich vor einiger Zeit vorgestellt. Meine Tochter, die mir das Buch geliehen hat, hat auf die erste Innenseite ein Zitat von von W. B. Yeats geschrieben: „There is another world. But it is in this one.“ Das ist doch ein schöner Spruch. Es kommt halt drauf an, die andere Welt, die schönere Welt, die unser Herz kennt, wie Charles Eisenstein sie nennt, aus der alten scheiternden Welt herauszuschälen. Auch Arundhati Roy sieht es so: „Eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist schon im Entstehen. An einem ruhigen Tag kann ich sie atmen hören.“ Noch so eine tolle und scharfsinnige Frau!

Und für das Erschaffen einer schöneren Welt braucht es Menschen mit starken Herzen!

Gestern war wieder einer von den mittlerweile fast wöchentlich auftretenden Sturmtagen mit scharfen Böen aus Osten und peitschendem Regen. Ich musste ein paar Sachen aus Selent besorgen und war kurz versucht, das Auto zu nehmen. Stattdessen packte ich mich warm ein, zog Gummistiefel an und marschierte durch Matsch und tiefe Pfützen. Das war fast ein so gutes Gefühl wie Radfahren. Und ich ging auf dem Rückweg in einen Laden, den ich bisher nicht richtig beachtet hatte: Pinkens natürlich nördlich. Die beiden Frauen, die das Badehaus am Selenter See betreiben, haben dort eine Nudelmanufaktur. Ich kaufte superleckere frische, mit Ricotta gefüllte Bärlauchravioli. Dazu gab es Pekannussbutter. Außerdem ergab sich die Gelegenheit zu einem ausgiebigen Schnack mit Inken, einer der beiden Besitzerinnen. Wir sind fast Nachbarn und sehen uns öfter, aber daß sie seit über einem Jahr auch Nudeln herstellen, erfuhr ich am Freitag lustigerweise von meiner neuen Osteopathin in Preetz.

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