Der freie Wille

So sah es bei mir vor einigen Tagen aus

Neulich begegnete mir in einem Buch mal wieder der Ausdruck „freier Wille“. Nicht daß er mir neu wäre, aber dieses Mal hakte er sich in mir fest und beschäftigt mich. Menschen werden, so sagt man, mit einem freien Willen geboren. Andere sagen, daß Menschen sowas gar nicht haben können, weil ihr Denken und Verhalten geprägt ist durch Schule, Erziehung, festgemauertes jahrhundertealtes Weltbild und biologische Zwänge. Daß die im letzten Satz gesagten Dinge eine Rolle spielen, bezweifle ich nicht. Dennoch bin ich überzeugt, daß wir in all unserer Geprägtheit eine freien Willen haben. Der tritt immer dann in Erscheinung, wenn wir uns entscheiden. Wenn ich in meiner eigenen Geschichte zurückgehe, dann fallen mir viele Beispiele ein: wie oft habe ich Entscheidungen getroffen trotz und gegen gesellschaftliche Konventionen.

Ich lese gerade ein Buch, das mein Sohn mir geschenkt hat: Der lange Weg zum Ungehorsam von Lisa Fitz. Bisher war ich zugegeben keine Lisa Fitz-Fanin, obwohl sie gerade in den letzten Jahren eine wirklich gute Kabarettistin geworden ist. Ich habe das Buch angefangen und dann wieder weggelegt, dann wieder hervorgenommen und jetzt lese ich es wirklich mit Vergnügen, weil ich mich darin so oft wiederfinde. Nein, ich habe längst nicht soviele Männergeschichten wie sie gehabt; auch der Alkohol hat in meinem Leben keine besonders wichtige Rolle gespielt. Aber das Rebellinnentum ist uns beiden eigen, offensichtlich hatten ihre Mutter und mein Vater etwas gemeinsam: den Ehrgeiz, die Kinder nach ihren Vorstellungen zu formen. Das scheint unweigerlich zur Rebellion zu führen. So wie sie sich dem mütterlichen Diktat nicht fügen konnte, konnte ich mich nicht den väterlichen Anforderungen fügen. Das hat zu vielen Verwerfungen geführt; mein Leben zwischen 15 und 19 Jahren war extrem ungemütlich und in meiner Erinnerung ein einziger Kampf gegen einen  sehr mächtigen Vater, dessen Pläne ich unter keinen Umständen erfüllen konnte. In der Zeit kam mein freier Wille richtig klar zum Vorschein. Irgendwann, als ich längst volljährig war, hat mein Vater kapituliert: „Du machst ja sowieso immer, was du willst.“

Spannend an der Sache mit dem freien Willen ist auch, daß ich ihn anderen Menschen genauso zugestehen muss wie mir selber. Das heißt, daß ich mich nicht in die Entscheidungen anderer einmische, daß ich ihre Wege respektiere, auch wenn sie mir fremd, unverständlich oder falsch vorkommen. Wahrscheinlich würde sich dann im Umgang miteinander sehr viel ändern, denn es hieße ja auch, daß die ständigen Urteile und Bewertungen wegfielen, die die meisten von uns wohl schon mit der Muttermilch aufgenommen haben. Wie entspannend wäre ein Kontakt, in dem ich nicht immer argwöhnen müsste, daß der oder die andere schlecht über mich denkt und meine Entscheidungen falsch findet. Ich gebe zu, daß ich da bei mir selbst viel Übungsbedarf sehe: es genügt ja nicht, die inneren Urteile nicht auszusprechen; die Einsicht in die ureigenen Wege des Anderen muss in der DNA verankert sein.

Lisa Fitz schreibt noch andere Sachen, mit denen ich mich voll und ganz identifizieren kann und die mich gleichzeitig erheitern, z. B. „Ich habe immer gesagt, einen Mann, der nicht abspült, den schmeiß ich raus! Und was habe ich jetzt…? Berge von Männern vor der Haustür liegen!!“ Na ja, Berge waren es bei mir nicht, aber Männer, die sich an der Hausarbeit beteiligen, waren in meinem Leben eher eine Rarität und das ist einer der Gründe, warum ich das Zusammenleben nicht besonders attraktiv finde.

Sehr wiedergefunden habe ich mich auch in folgendem Satz: „Männer sind naiv und romantisch, sie blenden die Vernunft aus, sie gehen fremd, aber selten ganz weg, außer man wirft sie raus. Sie finden, alles könnte für die Ewigkeit so bleiben, egal, wie es läuft.“ Das kann ich bestätigen. Die meisten Beziehungen habe ich beendet und mich immer wieder gewundert, warum Männer so lange bleiben, obwohl es richtig scheiße läuft. Ich kann es mir nur so erklären, daß Frauen für Männer eine so große Komfortzone sind/bieten, daß dafür alles andere in Kauf genommen wird. Ja, ich finde es schön, wenn sich einer bei mir wohl fühlt, aber sobald ich mich ausgenutzt fühle, werde ich zur Furie. Oder besser gesagt: wurde. Denn in dieser Situation war ich schon lange nicht mehr. Und ich habe mittlerweile auch Männer kennengelernt, die einen Haushalt führen können mit allem was dazu gehört. Allmählich scheint sich was zu ändern.

Was das mit dem freien Willen zu tun hat? Nun, wenn jemand sich nicht an der Hausarbeit beteiligen will, ist das sein freier Wille. Und mein freier Wille ist, daß ich nicht mit einer Person zusammenleben will, die mir die komplette Hausarbeit überlässt. Bei so einer Konstellation wäre dann eine Besuchsehe eine gute Lösung, bei der ich mein Hausrecht behielte.

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