Wissen bewahren

Katze I

Der letzte Kräuterkurs am Samstag hat mir besonders viel Spaß gemacht: zwei neue Frauen – die dritte hatte kurzfristig abgesagt – die bereit waren, sich sehr tief auf die Erfahrung von Pflanzen einzulassen und nicht vor Brombeerranken und Brennnesseln zurückschreckten. Wir haben draußen sogar gesungen – keine Angst vor Aerosolen, ha!

Im anschließenden Gespräch ging es auch darum, daß seit 30 Jahren oder länger immer mehr Heilpflanzen auf die Liste der gesundheitsgefährdenden Substanzen gesetzt werden. Meist handelt es sich um pyrrolizidinhaltige Pflanzen. Pyrrolizidin ist ein Alkaloid, mit dem einige Pflanzen sich davor schützen gefressen zu werden. Dazu gehören solche, die wahrscheinlich schon immer eine wesentliche Rolle als Heilpflanzen gespielt haben, etwa der Beinwell, der Huflattich, der Wasserhanf, aber auch das so massiv bekämpfte Jakobskreuzkraut, das die First Nations in Nordamerika als Medizin benutzt haben. Ich habe es selbst vor ca. 20 Jahren erlebt, als ich Huflattichblätter in der Apotheke kaufen wollte. Der Apotheker bekam fast Krämpfe, als ich ihm mein Anliegen nannte. Ob ich nicht wüsste, wie gefährlich Huflattich sei und daß er die Leber zerstören könne… Als langjährige Raucherin habe ich damals nicht selten Huflattich erfolgreich gegen meinen penetranten Raucherinnenhusten eingesetzt (mittlerweile rauche ich schon lange nicht mehr und brauche dementsprechend auch keinen Huflattich mehr), aber meine Leber ist immer noch prima in Ordnung. Ich bin mir übrigens sicher, daß Alkohol viel gefährlicher für die Leber ist als die gelegentliche Einnahme von pyrrolizidinhaltigen Pflanzen. Wenn man natürlich Ratten im Tierversuch wochenlang ausschließlich Huflattich zu futtern gibt, wundert es doch nicht, daß die alle krank werden. Dasselbe würde passieren, wenn Menschen wochenlang z. B. nur Möhren oder Tomaten essen würden. Was mich damals sehr geärgert hat: derselbe Apotheker hat, bevor er mich bediente, einigen Kunden kommentarlos Paracetamol über den Tresen gereicht. Ich hätte es angemessen gefunden, wenn er darauf hingewiesen hätte, daß dieses Medikament schwerste Leber- und Nierenschäden verursachen kann.

Katze II

Im Kräuterladen konnte man Beinwell, die zweite sehr von mir geschätzte Pflanze, schon lange nicht mehr kaufen, aber in einigen Apotheken. Damit ist mittlerweile Schluss. Welche diese Pflanzen in ihr Repertoire aufnehmen möchte, die muss selber sammeln. Ich habe angefangen, an verschiedenen Stellen in meinem Garten Beinwellwurzelstückchen in die Erde zu legen, weil daraus schnell neue Pflanzen wachsen. Huflattich gibt es an der Steilküste und über all da, wo verwüstetes Land ist. Und Wasserhanf, eine hervorragende Pflanze zur Stärkung der Immunabwehr gerade in Zeiten der Covid19-Hysterie, wächst oft an feuchten Stellen und ist darüber hinaus eine ergiebige Insektenweide.

Daß Lobbyinteressen eine Rolle bei der ganzen Geschichte spielen, ist ziemlich offensichtlich: man kann mit Pflanzen, die in der freien Natur erhältlich sind, kein Geld verdienen, wohl aber mit Medikamenten. Eine der Teilnehmerinnen hat mich mit einem Kommentar zu einer erschreckenden Erkenntnis gebracht: im Mittelalter hat man mit dem Erstarken des Ärztestandes den weisen Frauen und Hebammen, die bis dahin ihr Kräuterwissen von Generation zu Generation weitergaben, verboten ihre Heilkünste auszuüben. Plötzlich waren nur noch studierte Männer dazu berechtigt. Und die haben dann mit so extrem giftigen Mitteln wie Quecksilber versucht, die gerade aus den beiden Amerikas importierte Syphilis zu kurieren. Es ist nicht klar, ob die Patienten dann eher an den Folgen der Syphilis oder des Quecksilbers starben. Wir sind jetzt in einer ähnlichen Situation: die altbewährten Heilpflanzen, die in richtiger Dosierung weniger schädlich sind als die Produkte der Pharmaindustrie, werden offensichtlich peu à peu aus dem Handel genommen und zusätzlich schürt man noch Angst vor ihnen. Auch von mir sehr geschätzte Kräuterbuchautorinnen haben in vorauseilendem Gehorsam in Neuauflagen ihrer Bücher die genannten Pflanzen nicht mehr aufgeführt. Wahrscheinlich wollen sie sich keine Schwierigkeiten einhandeln. Einzig Wolf-Dieter Storl bricht weiterhin eine Lanze für den Wasserhanf und hat dabei sogar einen Professor Dr. Rudolf Fritz Weiß auf seiner Seite (nachzulesen in Borreliose natürlich heilen, 2007). Es geht also Wissen verloren, wenn es nicht mehr in den Büchern erscheinen darf. Ähnliches ist vor langer Zeit mit den Pflanzen passiert, die empfängnisverhütend oder abortiv wirkten. Die Folge war, daß Frauen bei unerwünschter Schwangerschaft auf sogenannte Engelmacherinnen angewiesen waren, die oft unter lebensbedrohlichen Bedingungen einen Abbruch vornahmen oder sie mussten bis in die 80er Jahre nach Holland fahren, weil in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche illegal waren. Ich will nicht, daß altbewährtes Heilwissen verloren geht und werde alles dafür tun, daß es erhalten bleibt und weitergegeben wird. Und ich ahne, daß die Zeit gar nicht fern ist, wo wir auf dieses Wissen verschärft angewiesen sind. Bereits zu Lockdown-Zeiten gab es in den Apotheken nicht mehr genug Medikamente, weil die meisten in Indien hergestellt werden und nicht mehr geliefert werden konnten. Das Coronavirus wird uns erhalten bleiben, das nächste wird kommen und die Wirtschaftskrise ist mit großer Wahrscheinlichkeit bereits im Anmarsch: da ist es gut, alles was eine und einer so braucht, in Reichweite zu haben.

Katze III

Ich habe vor der Geburt meines ersten Kindes ein knappes Jahr in der Dialyse gearbeitet. Dorthin kamen dreimal in der Woche einige Frauen, die sich ihre Nieren mit Schmerzmitteln vom Phenacetintyp zerstört hatten. Als ich ein Kind war, gab es den Conterganskandal, der dazu führte, daß Tausende mit fehlenden oder verkrüppelten Armen und Beinen geboren wurden. Es gibt keine ungefährlichen und nebenwirkungsfreien Medikamente. Nach meiner Erfahrung ist tatsächlich gegen fast jede Krankheit ein Kraut gewachsen. Man hat übrigens herausgefunden, daß einige Tiere bei Verletzungen Wasserhanf fressen. Offensichtlich schmeckt er auch gut, denn meiner im Vorgarten hat nur kurz überlebt, dann wurde er vom Wild verspeist.

Es gibt noch ein weiteres sehr schwerwiegendes Argument gegen Medikamente: sie werden alle ohne Ausnahme im Tierversuch getestet. Und das bedeutet unerträgliches Leiden für unsere Mitlebewesen.

Da bleibe ich doch gern bei meinen grünen Pflanzenverbündeten, die mich seit so langer Zeit schon freundlich und zuverlässig begleiten.

Ein Kommentar zu „Wissen bewahren

  1. word!

    Dazu möchte ich auch gerne auf den wunderschönen Essay von Stephen H. Buhner verweisen, der sich damit befasst, wie eine neue Generation der weisen Frauen – und Männer! – im Zuge der Hippiebewegung wieder in den wilden Wald zurückkehrte, um von dort das alte Pflanzenwissen (und damit auch das Wissen um das Nicht-Sichtbare) wiederzubringen.

    https://www.stephenharrodbuhner.com/wp-content/uploads/2018/09/Article_CruelStepmother.pdf

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