Weihnachen feierte ich gemütlich und mit gutem Essen mit meiner Familie. Eigentlich wollten wir mit meiner Mutter in ihrer Wohnung feiern, da sie am 23.12. aus der Reha kam. Aber dann stellte sich heraus, daß das sehr kompliziert geworden wäre, weil sie einen Coronatest brauchte, bevor sie in die Kurzzeitpflege kam. Wegen der Feiertage hätte das so lange gedauert, daß ich ungefähr 14 Tage bei ihr hätte bleiben müssen. Außerdem standen Verschärfungen der Coronamaßnahmen im Raum und ich wusste nicht, ob ich dann überhaupt noch hätte reisen können. Also kam sie direkt aus der Reha ins Heim. Es ist unglaublich, wieviel zu regeln ist und ich bin froh, daß die Zusammenarbeit mit meinem Bruder so supergut klappt. Ich habe ganze Vormittage mit diversen Telefonaten verbracht, was ich wirklich hasse, vor allem, wenn ich zigmal anrufen muss, weil Anschlüsse besetzt sind oder ich die falsche Person an der Strippe habe oder auf Unverständnis stoße, weil ich nicht mal so eben Kopien meiner Betreuungsvollmacht machen kann, weil es im weiten Umkreis keinen zugänglichen Kopierer gibt (dank des Lockdowns). Die Leute mussten dann akzeptieren, daß sie erst mal nur eine Fotografie der Dokumente per Mail geschickt bekamen. Damit meine Mutter Anrufe entgegen nehmen kann, brauchte sie ein Handy. Damit kann sie aber nicht umgehen; ihre Sehfähigkeit ist mittlerweile so eingeschränkt, daß sie die Tasten nicht erkennen kann. Selber wählen geht gar nicht und das Pflegepersonal hat verständlicherweise keine Zeit, immer sein Diensttelefon zur Verfügung zu stellen, zumal Telefonate mit meiner Mutter eine ziemlich zeitaufwendige Angelegenheit sind. Sie hat einfach ein großes Redebedürfnis und befand sich die ersten Tage in Quarantäne, hatte also nur Kontakt zum Pflegepersonal, was natürlich keine Zeit für Unterhaltungen hatte. Mittlerweile hat mein technikaffiner Bruder eine Lösung für das Telefonproblem gefunden, meine Mutter hat angefangen, sich mit der neuen Situation zu arrangieren und ich fange an, mich zu entspannen.
An den Feiertagen machten wir lange Spaziergänge. Das gehört zu meinen persönlichen Erste Hilfe-Maßnahmen bei Stress: bewegen, bewegen, bewegen. Auch fünf Schüttmeter Brennholz im Schuppen aufstapeln, tiefes Atmen und Yoga waren hilfreich.
Den Jahreswechsel erlebte ich in Kiel bei der lieben I. mit leckerem Raclette. Wir waren sehr erstaunt, daß trotz der Einschränkungen soviel geböllert wurde. Ich kann auf das ganze Sylvesterspektakel gut verzichten. Es ist mir zu laut, zu stinkig und ich muss unweigerlich immer an die armen Tiere denken, die bei der ganzen Knallerei gar nicht wissen wohin in ihrer Panik.
Neulich auf dem Markt kam ich mit einer Frau ins Gespräch, die hinter mir in der Warteschlange stand. Ich fand sie sympathisch und sie erinnerte mich an eine Alma mater-Schwester. Eine Frau ohne Maske ging an uns vorbei. Ich sehe sie öfter und vermute, daß sie ein Attest hat. Die Frau hinter mir sprach sie an: „Haben Sie Ihre Maske vergessen?“ Die Angesprochene antwortete: „Nein.“ Da rief die Frau hinter mir sehr laut: „Ah, eine Querdenkerin!“ Da war es mit meiner Lust auf Unterhaltung vorbei. In Zeiten der Angst scheint das Blockwarttum wieder voll im Trend zu sein.
Ich habe nach wie vor keine Angst vor Covid-19, wohl aber vor den Maßnahmen der Politiker. Keine Frage, ich kann krank werden, ich kann auch schwer krank werden, ich könnte auch sterben. Krankheit und Tod gehören einfach zum menschlichen Leben dazu, auch wenn beides immer mehr tabuisiert wird. Wenn der Zeitpunkt da ist, muss ich diese schöne Erde verlassen und diese Vorstellung hat für mich nichts Bedrohliches. Ich habe in meiner Patientenverfügung Reanimation, Intubation und intensivmedizinische Behandlung explizit ausgeschlossen.
Letztlich muss jede*r für sich selbst entscheiden und Strategien entwickeln mit der derzeitgen Situation umzugehen. Meine Strategie ist außer Bewegung, möglichst an der frischen Luft, nur ganz wenig Nachrichten zu hören. Ich schalte das Radio oft einfach aus, wenn schlechte Stimmung in mir aufsteigt. Das ist z. B. dann, wenn Angela Merkel mal wieder ihre moralischen Appelle an die Bevölkerung richtet. Bei mir lösen Appelle massiven Widerstand aus und ich glaube, das geht vielen ähnlich. Auch wenn der Oberpanikmacher und Scharfmacher Lauterbach auf den Plan tritt, drücke ich sofort auf den Ausknopf. Ich vermeide den Kontakt zu Menschen, die Angst haben. Sie tun mir leid, aber ich weiß, daß es unmöglich ist, ihnen die Angst zu nehmen. Und ich finde es extrem Energie fressend, mich in einem Feld von Angst aufzuhalten. Mit anderen Worten: ich sorge dafür, daß es mir gut geht. Dazu gehört gutes selbst zubereitetes Essen, Menschen, mit denen ich mich wohl fühle, ein warmes Feuer in meinem Ofen und guter Lesestoff. Zum Lesen kann ich mal wieder Charles Eisenstein empfehlen: From QAnon’s Dark Mirror, Hope und The Conspiracy Myth. Der letzte Text bezieht sich auf Verschwörungstheorien und es gibt auf seiner Seite sogar eine deutsche Übersetzung. Ich finde beide Texte extrem klug und klar. Und Charles schafft etwas, was ich noch üben möchte, nämlich völlig auf das Gut-und-Böse-Narrativ zu verzichten. Und hier ist was zum Lachen: Coronakrise in Entenhausen (findet man auf YouTube).