Angemessener Abschied

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When the music’s over… nachts um 2 Uhr im Topfhaus

Mein Kollege H. und ich haben am Freitag gemeinsam unseren Abschied von der Klinik gefeiert: im schön restaurierten Topfhaus im alten botanischen Garten in Kiel. Wir waren etwa 50 Leute, es gab gutes Essen und ich hatte die Möglichkeit zu tanzen, weil unser DJ auf meine Musikwünsche einging. Als wir vor zwei Tagen eine Nachbesprechung machten, sagte H.: „Wenn die Leute nicht gelogen haben, hat es allen gefallen.“ Das war auch mein Eindruck. Die Planung war aufwendiger als ich gedacht hatte und es gab die unvermeidlichen kleinen Pannen: am Sonntag entdeckte ich in meinem Kühlschrank den leckeren Aufstrich aus gerösteten Sonnenblumenkernen, den ich für die Party zubereitet und dann vergessen hatte. Aber ansonsten war es wirklich schön und das idyllische Ambiente mit Blick auf die Kieler Förde und das Arboretum trugen sehr dazu bei.

Allmählich stellt sich mein System auf ein neues Leben ein. Ich genieße es Muße zu haben, im Garten umher zu streifen und ohne Zeitdruck mal hier, mal da zu verweilen und spontanen Impulsen zu folgen. Es ist, als knüpfte ich an einen alten Seinszustand an, den ich als Kind kannte. Es fühlt sich wie ein offener Raum an, in dem etwas Neues Gestalt annehmen kann. Heute putzte ich meine Wohnung – ein sinnvolles und im Resultat sehr befriedigendes Ritual, nachdem meine Familie abgereist war – und fühlte mich ganz zufrieden und entspannt.

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Die neue Oya ist wieder eine große Inspiration. Zum Thema des drohenden Kollapses des gesamten Ökosystems habe ich darin gute Worte gefunden, die ich gern zitiere:

„Greta Thunberg ruft aus nachvollziehbaren Gründen: ‚Wir haben noch zwölf Jahre und müssen jetzt sofort handeln!‘ Doch ist nicht genau dieses – jetzt, sofort, Maßnahmen, Effizienz! – Teil jener Denkweisen, die die heutigen planetaren Herausforderungen überhaupt erst verursacht haben? Jetzt nochmal in Hochgeschwindigkeit die Weichen richtig stellen, und dann das Tempo drosseln! – Das erinnert fatal an die Meinung, man könne einen Krieg nur durch den Einsatz weiterer Bomben beenden. Wie aber lautet die pazifistische Antwort auf Erdüberhitzung und Artensterben? Langsamer werden, sich in Lassenskraft üben, Netzwerke dichter weben, Konflikte beziehungswahrend bearbeiten, eine Garten anlegen , einander zuhören, noch langsamer werden, sich ins Lassenskraft üben, Netzwerke tragfähiger weben, Konflikte beziehungswahrend angehen, das Haus instandsetzen, einen zweiten Garten anlegen, einander zuhören…“

Jaaaa…tief ausatmen! Auch ich neige dazu, in den Kämpferinnenmodus zu gehen, wenn ich das drängende Gefühl von Gefahr habe. Das ist nicht unbedingt falsch, auf jeden Fall besser als Lähmung und Depression. Aber es ist eben auch eine Konditionierung, immer zu reagieren, immer sich zum Handeln aufgerufen zu fühlen. Einfach mal hinsetzen und dem Gras beim Wachsen zusehen. Das ist meine neue Herausforderung. Ich bin gespannt!

 

 

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