Postapokalypse

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Das vergangene Wochenende habe ich zusammen mit einigen anderen Imker*innen von De Immen im Wendland verbracht. Das für mich spannendste und hoffnungsvolle Erlebnis war der Besuch des Höhbeck, eines kleinen aus der Eiszeit stammenden Höhenzuges an der Elbe. Von  seiner höchsten Stelle aus wurde Westberlin und damit  gleichzeitig die DDR bis zur Wende von einem gigantischen Funkmasten aus mit Westfernsehen bestrahlt. Dieser alte Mast ist verschwunden, es steht aber noch ein zweiter dort, der der Telekom gehört. Das Gelände um den alten Mast wurde von Stefan Reinsch gekauft. Er hat auf der gesamten Fläche mit Unterstützung der Loki-Schmidt-Stiftung dafür gesorgt, daß sich auf dem mageren Sandboden Pflanzen ausbreiten können, die diese Bedingungen schätzen. Mit ihnen sind die Insekten zurückgekommen, darunter auch solche, die auf der roten Liste stehen oder als ausgestorben gelten. Tatsächlich summte und brummte es nur so in den Heidenelken, im echten Labkraut und Steinklee. Das war so schön! Auf den benachbarten Getreidefeldern verdorrte das Korn. Stefan Reinsch realisiert sein Projekt zusammen mit seiner Lebensgefährtin. Er mäht das Gelände peu á peu mit der Sense, teilweise auch mit dem Balkenmäher. So macht er nie alle Insekten auf einmal heimat- und nahrungslos. Ich mache das mit meiner Wiese ja auch so, weil ich die ganze Fläche auf einmal gar nicht schaffen würde. Jetzt habe ich also erfahren, daß ich unwissentlich das Richtige mache. Er sagte mir auch, daß die Arbeit mit der Sense gar nicht anstrengend sei, wenn ich statt mit einem Metallsensenbaum einen aus Holz nehmen würde. Das werde ich natürlich umsetzen.

Am schönsten fand ich übrigens sein Wort Postapokalypse. Er sagte nämlich, daß er diese Arbeit für die Erde, die Pflanzen und die Insekten (und damit auch für die Menschen) für die Zeit nach der Apokalypse mache, die gerade jetzt stattfinde. „Irgendwann muss es ja mal wieder besser werden“, sagte er.

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Am Sonntagvormittag fuhren wir nach Gorleben, wo die Castoren mit dem radioaktiven Müll immer noch auf eine Endlagerung warten. Birgit Huneke vom Gorleben-Archiv und Wolf-Rüdiger Marunde, einigen sicher als Karikaturist bekannt, erzählten uns von der Widerstandsbewegung im Wendland, von den Lügen der Bundes- und niedersächsischen Landesregierung, von Polizisten, die sich mit den Widerständigen solidarisierten. Wir erfuhren auch, wie die Bewegung die Biografien der Bewohner des Wendlandes beeinflusst hat, wie sogar CDU-nahe Bauern und Adlige zum Widerstand gekommen seien, als ihnen die Folgen dessen klar wurde, was da unter ihren Häusern und Feldern in instabilen Salzstöcken gelagert werden sollte. Nach wie vor weiß kein Mensch, wie Atommüll sicher gelagert werden kann. Es ist schlicht nicht möglich und so stehen die Castoren weiterhin auf einem gesicherten Gelände und müssen ständig gekühlt werden, da sie so große Hitze abstrahlen.

Ich habe damals, als es noch Castortransporte und -blockaden gab, vieles aus Fernsehen und Zeitungen erfahren, aber es ist etwas ganz anderes, die Geschichten von Menschen zu hören, die dort wohnen und hautnah dabei waren. Das Gute an diesen Ereignissen ist, daß durch sie ein besonderer Menschenschlag im Wendland lebt, der erlebt hat, daß es sich lohnt, Widerstand zu leisten.

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Widerstand wünsche ich mir auch gegen die unsägliche Flüchtlingspolitik, die unser Innenminister einführen möchte. Ich habe es mehr als bedauert, daß er seine Rücktrittsankündigung nicht wahr gemacht hat. Die CSU-Leute behaupten ja, daß sie so handeln wie sie es tun, weil die Bürger das so wollten. Da kann ich als Bürgerin nur sagen: Ich bin weder gefragt worden noch einverstanden. All das, was jetzt gerade ausgeheckt wird, um Europa mehr denn je zu einer Festung zu machen, geschieht nicht in meinem Namen. Ich finde es einfach nur ekelerregend und unglaublich beschämend.

Hier ist der Link zum offenen Brief der Lifeline-Leute, die in der vergangenen Woche Geflüchtete aus Seenot gerettet haben und tagelang keine Aufnahme in irgendeinem Hafen fanden: https://mission-lifeline.de/de/presse/offener-brief-an-den-innenminister-wir-retten-leben-wen-retten-sie

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