Lichtmess

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Vier Tage Familienbesuch in NRW: erst ging es nach Bonn, wo mein Sohn K. und mich mit Pasta und Artischocken versorgte. Es ist schon eine feine Sache, daß in meiner Familie gut und gern gegessen und gekocht wird. Bei ihm entdeckte ich auch ein ziemlich tolles Kochbuch: Salz Fett Säure Hitze von Samin Nosrat, das ich mir gleich gekauft habe. Aus ihm können sogar versierte Köch*innen noch was lernen. Sehr gut finde ich z. B., daß sie eine Lanze für Röstaromen bricht und keine Angst vor stark Angebratenem hat (man stellt uns die stark angebratenen Sachen oder die dunkel gebackenen Roggenbrote gern als gesundheitsschädlich hin. Da stellt sich aber die Frage, wie die Menschheit überleben konnte, nachdem schon unsere steinzeitlichen Urahnen bestimmt oft Angebranntes gegessen haben). Samstagabend ging es nach Düsseldorf, wo der Satiriker Max Uthoff einen Auftritt hatte. Ich kannte ihn bisher nur aus der Sendung Die Anstalt (was ich in der letzten Sendung über die Deutsche Bahn über das unsägliche Projekt Stuttgart 21 erfuhr, hat mich zunächst sprachlos gemacht. Mal wieder ein Beispiel dafür, wie Politiker völlig unverfroren die Bevölkerung über die wahren Beweggründe ihres Handelns belügen). Den Mann live zwei Stunden lang zu erleben war allerdings eine Herausforderung für mich: ein Overkill an bitterbösen Pointen, zuviel für mein Gehirn. Ich erinnere mich nur noch deutlich daran, daß er das Publikum in den globalen Norden und den globalen Süden einteilte. Unsere Sitzreihe lag genau dazwischen, also waren wir Frontex.

Sonntag fuhr ich nach Münster und besuchte meine Mutter. Sie kommt gut klar, macht mit ihren 91 Jahren noch regelmäßig Nordic Walking, fährt mit dem Fahrrad und geht zweimal wöchentlich zum Kieser-Training. Und am Weltgeschehen nimmt sie immer noch mit Interesse Anteil. Trotzdem finde ich es gut, daß sie ihr Auto verkauft hat.

Beim Teeaufgießen schwappte kochendes Wasser auf meinen linken Handrücken. Ich hielt die Hand sofort unter kaltes Wasser und gab mir dann lange Reiki auf die verbrühte Stelle. Das tat erst höllisch weh, nach einigen Minuten verging der Schmerz vollständig. Und jetzt, nach fünf Tagen, ist die anfängliche Schwellung verschwunden und es gibt nur noch ein paar Rötungen, aber kein Anzeichen für Narbenbildung. Ich bin immer wieder fasziniert, wie der Körper sich selbst heilt. Überhaupt liegt jegliche Heilung im Körper, auch die der Seele. Das habe ich so oft erlebt. Darum ging es auch bei Ilan Stephani in Berlin: Im Körper ist alles gespeichert wie in einem großen Archiv. Und aus ihm kann alles wieder abgerufen werden. Unser Denken hingegen erzählt uns Geschichten, liefert uns Pseudoerinnerungen, hat eine Tendenz uns runterzuziehen. Deshalb halte ich auch nicht viel von verbal orientierten Therapien.

Überhaupt, der Körper: wenn wir uns inkarnieren und zwar ganz und gar, also unser Erdenleben kompromisslos annehmen, ist das für mich echte Spiritualität. Ich bin Mensch, ich bin Körper, ich bin Erde, that’s it! Und wenn irgendwann mein Erdenleben endet, dann beginnt etwas Neues. Ich bin immer weniger in der Lage, irgendwas einfach nur zu glauben. Egal, ob mir ein Priester, ein Philosoph, ein Medium etwas über sogenannte höhere Welten und Wesenheiten erzählt – es berührt mich nicht, es ist nicht meins. Meins kann nur sein, was ich mit meinen Sinnen wahrnehmen kann. Und ja, ich habe schon völlig erstaunliche und unerklärliche Dinge wahrgenommen, die mein Weltbild erweitert haben.

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Heute habe ich Lichtmess gefeiert. Anders als im Kalender ist Lichtmess für mich ein Tag im Wassermann bei zunehmendem Mond. Heute passte das: ich hatte einen freien Tag, es war sehr sonnig und mild. Seit gestern fliegen die Bienen. Was für eine Freude! Ich war mir nicht sicher, ob dieses sehr kleine Volk, das im letzten Jahr nur einige wenige Waben gebaut hatte, den Winter übersteht. Oft habe ich früh morgens, wenn es noch ganz still war, mein Ohr ans Flugloch gelegt und dem feinen Summen zugehört. Dann war ich immer froh. Nun summen sie ganz laut und sind damit beschäftigt, orangefarbenen Pollen heimzutragen, tote Bienen auszuräumen und die aufgeblühten Krokusse und Schneeglöckchen zu besuchen.

Ich lese Charles Eisensteins neues Buch Climate. Er schreibt, Menschen würden Umweltaktivisten (environmentalists), weil sie Schmerz wegen der Vernichtung der Arten fühlen, weil ihnen etwas fehlt, was mal zu ihrem Leben gehörte. Als ich ein Kind war, habe ich Sommer für Sommer den jubelnden Gesang die Lerchen über den Wiesen und Feldern im Solling und auf unseren Sonntagsspaziergängen gehört. Heute gibt es kaum noch Lerchen und das kommt durch die agrarindustrielle Landwirtschaft. Heute gibt es auch keine blühenden Feldränder mehr, jedenfalls nicht hier. Die Schafe auf der Weide finden keine einzige Schafgarbe mehr.

Daß Greta Thunberg, die junge Schwedin, jeden Freitag für eine andere Klimapolitik demonstriert und damit immer mehr Schüler*innen auch in Deutschland infiziert hat, macht mich sehr froh: die jungen Menschen fühlen noch etwas. Nur wer fühlt, kann etwas verändern. Und echte Veränderung findet nicht auf der Ebene der Parlamente statt, das zeigt sich immer wieder. Die Menschen, die dort sitzen und uns regieren, können das nur deshalb, weil sie ihr Fühlen auf ein Minimum reduziert haben.

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