Ich stimme dem Post von Luisa Francia zum Thema Hohepriesterin am 9.1. voll und ganz zu (salamandra.de). Ich möchte noch weiter gehen: das ganze Priesterinnenkonzept (ohne Hohe-) finde ich mehr als fragwürdig. Es ist ziemlich gleichgültig, ob wir es mit einem Priester oder einer Priesterin zu tun haben, egal welcher Glaubensrichtung: diesem Konzept liegt nämlich die Überzeugung zu Grunde, daß es einen Vermittler/eine Vermittlerin zwischen Menschen und dem Spirituellen geben muss, daß ein „normaler“ Mensch gar nicht in der Lage ist, selbst eine Verbindung mit dem Bereich einzugehen, den einige göttlich nennen. Das ist ein sehr elitäres Denken, das Missbrauch Tür und Tor öffnet. Jeder Mensch, der den starken Wunsch nach einem Zugang zu diesem Bereich in sich spürt, wird Mittel und Wege finden, sich ihm zu nähern. Manchmal geschieht das auch von selbst, wird quasi geschenkt. Und bei jedem Menschen wird dieser Zugang und das, was er und sie hinter der Tür findet, anders aussehen, und all diese Erfahrungen sind gleich-gültig (haben die gleiche Gültigkeit).
Der englische Mystiker William Blake hat das sehr schön ausgedrückt:
If the doors of perception were cleansed then everything would appear to man as it is, Infinite. For man has closed himself up, till he sees all things through narrow chinks of his cavern“. (Wären die Pforten der Wahrnehmung gereinigt, erschiene dem Menschen alles so wie es ist, unendlich. Weil der Mensch sich selbst verschlossen hat, sieht er alle Dinge durch den schmalen Spalt seiner Höhle.)
Wie können die Pforten der Wahrnehmung gereinigt werden? Indem wir den Geist, der uns ständig erzählt, wie die Welt ist und wie sie zu sein hat, zum Schweigen bringen. Einige machen das durch regelmäßiges Meditieren, sich in der Natur aufhalten ist eine gute Möglichkeit; letztlich muss jede und jeder für sich selbst herausfinden, wie das gehen kann. Und natürlich können dabei andere behilflich sein, die auf diesem Weg schon mehr Erfahrungen machen konnten. Aber das sind keine Priester*innen, die das Exklusivrecht auf Verbindung mit dem haben, was hinter allem steht.
Ich befasse mich gerade mit dem Buch Advanced Yoga Practises – Easy Lessons for Ecstatic Living von Yogani. Er schreibt nach jeder Lektion „The guru is in you“ und widmet das Buch denen, die die Wahrheit in sich suchen. Das ist genau das, was ich meine.
In den Medien wird die Tötung des Iraners Soleimani im Irak durch die Amerikaner immer als „gezielte Tötung“ bezeichnet. Warum wagt kein Journalist, diesen Vorgang mit dem Wort Mord zu benennen? Denn genau das ist es. Auch Obama hat gern zu dem Mittel gegriffen, missliebige Personen umzubringen, etwa Osama bin Laden. Wenn aber die Russen jemanden durch radioaktive Substanzen oder auf andere Weise töten, wird von Mord gesprochen. Das spricht doch für sich.