Wenn ich mir meine Katze ansehe, dann bin ich sicher, daß sie keine Pläne kennt. Sie geht nicht zielstrebig durch die Landschaft; ich würde ihre Bewegungsart eher als Mäandern bezeichnen. Sie folgt ihren Impulsen, reagiert auf Bewegung oder liegt stundenlang irgendwo herum. Man könnte sagen, sie nimmt das Leben, wie es kommt. Ich hingegen, die ich mir über die Jahre einen sehr strukturierten Lebenswandel angewöhnt habe, kann ihr nur staunend zusehen. Vor eineinhalb Wochen rief mein Bruder mich an, um mir mitzuteilen, daß meine Mutter mit einem Oberschenkelhalsbruch im Krankenhaus liegt. Das warf meine schöne und gewohnte Ordnung über den Haufen. Zwar hatte ich ohnehin geplant, nach NRW zu reisen, ich hatte auch die Bahnfahrkarten schon gekauft, aber jetzt musste ich umdisponieren. Das gefiel mir nicht. Es war auch dieses Gefühl von Unsicherheit: was kommt da auf mich zu? Wird meine Mutter wieder auf die Beine kommen? Wird sie pflegebedürftig werden? Nachdem ich ein Weilchen mit der Situation gehadert hatte, beschloss ich, das Kommende als Herausforderung zu nehmen und mit dem Leben mitzufließen. Das ging dann – nicht ganz so fluffig wie bei meiner Katze – einigermaßen gut.
Glücklicherweise hat meine Mutter die OP gut überstanden. Sie brauchte auch kein neues Gelenk, sondern nur einen Nagel, um den Bruch zu stabilisieren. Nach meiner Ankunft in Münster ging ich zur Raphaelsklinik. Der Mann am Empfang konnte mir nicht sagen, auf welcher Station meine Mutter sich befand: er kämpfte mit einem Systemabsturz. Also ging ich zur Intensivstation, weil sie da einen Tag vorher gelegen hatte. Aber dort konnte man mir nicht weiterhelfen. Also wieder runter zum Empfang. Mittlerweile hatte der freundliche Mensch seinen Rechner runter- und wieder hochgefahren. Wie abhängig wir von der ganzen Elektronik sind. Und wenn die nicht mehr funktioniert, funktioniert gar nichts mehr. In meiner alten Klinik waren wir mal einen Tag lang ohne Computer und Telefon. Das Arbeiten an diesem Tag war sehr angenehm: wer was wollte, musste persönlich vorbeikommen. Das waren nicht viele.
Ich war drei Tage in Münster und lebte in der Wohnung meiner Mutter, brachte ihr die Sachen, die sie brauchte, entsorgte die verderblichen Lebensmittel aus ihrem Kühlschrank, wusch Wäsche, ging zur Bank, bestellte ihre Zeitung ab, führte Telefonate mit ihren Freundinnen. Mittwochmorgen war ich bei einer ihrer Freundinnen und ihrem Mann zum Frühstück eingeladen. Ein Nachbar bot mir an, mich zur Reinigung zu fahren, wo noch Sachen von meiner Mutter warteten. Ich fuhr jeden Tag ins Krankenhaus. Ich trank Kaffee in der Stadt, kaufte Alpakawolle bei Voilà und ging in den Dom, um für die heilige Barbara eine Kerze anzuzünden. Die Busfahrt in die Stadt kostet mittlerweile 3,30 €. Wie war es noch mit den Klimazielen der Regierung? So wird das nichts.
Dann besuchte ich meinen Sohn in Bonn, wo ich auch meine Tochter traf. Einen Abend waren wir zum Essen bei Stefans und Katharinas jüngerem Bruder und seiner Familie eingeladen. Gutes Essen, sehr lebhafte und gut gelaunte Kinder, schöne Atmosphäre. Katharina und ich waren uns anschließend einig, daß eine Patchworkfamilie wie die unsere eine feine Sache ist.
Freitag war ich dann wieder in Münster. Und Samstag fuhr ich nach Hause. Oh, wie schön ist es zu Hause zu sein!