Unter der Plane liegt das Holz, das noch im Schuppen gestapelt werden muss.
Heute las ich in der neuen Oya einen Schriftwechsel zwischen einer Leserin und einer Frau aus dem Redaktionsteam, der mich beim Holzstapeln sehr beschäftigt hat. Die Leserin fragt, warum man Charles Eisenstein im Gespräch mit Oprah Winfrey über Schenkökonomie hören kann und warum nicht seine Mutter da sitzt. Natürlich ist die Frage schnell beantwortet: weil Charles Eisenstein mehrere Bücher über dieses Thema geschrieben hat, die er dann auch noch als Geschenk auf seine Homepage gestellt hat und darüber hinaus ziemlich eloquent ist. Es geht ja um etwas anderes: daß nämlich das, was heutzutage Schenkökonomie genannt wird, immer schon praktiziert wurde, nämlich von den Müttern. Ein Kind gebären, es stillen und für seine sonstigen Bedürfnisse sorgen, bis es groß genug ist, das für sich selbst zu tun, ist Schenkökonomie. Diese Tatsache nimmt unsere Kultur mit so großer Selbstverständlichkeit, daß es dafür keine Würdigung gibt. Wohl aber jede Menge Kritik und Tadel, wenn Mütter aus der Rolle fallen und die von ihnen erwartete Pflege- und Sorgearbeit nicht erbringen. Analog dazu sehe ich das Verhalten der weißen Gattung gegenüber der Erde, die uns mit Nahrung, Luft und Schönheit beschenkt und dafür nicht nur keine Wertschätzung erfährt, sondern bis zur Erschöpfung ausgebeutet wird. Übrigens gibt es auch eine weibliche Denkerin zum Thema Schenkökonomie, Genevieve Vaughan, die ich ebenso wie die sehr geschätzte Veronika Bennholdt-Thomsen beim Muttergipfel in Karlsruhe kennen gelernt habe. Allerdings ist Genevieves Buch For-Giving – Schenken und vergeben wahnsinnig anstrengend zu lesen.
Mir fiel beim Lesen eine Begebenheit ein, die mittlerweile etwa ein Dreivierteljahr zurück liegt. Auf dem Treffen meines Imkervereins wurde ein neuer Vorstand gewählt. Der scheidende Vorsitzende würdigte diejenigen, die ihn mit Rat, Tat und ihrer Zeit unterstützt hatten, mit warmen Worten und einem schönen Bildband über Bienen. Als alle Bücher überreicht waren und der nächste Tagesordnungspunkt dran war, fühlte ich einen Stich im Herzen. Ich habe im letzten Jahr den FÖJler meines Imkervereins betreut. Ich hatte mich aus Sympathie für Verein und Vorsitzenden dazu bereit erklärt. Das bedeutete, daß ich etwa ein Jahr ungefähr alle drei Wochen zum Kollhorst in Kiel fuhr, wo der FÖJler stationiert war, mit ihm sprach und ihm zuhörte, mir seine Projekte und was er im Imkerkurs gelernt hatte zeigen ließ. Das war keine große Sache, aber eben auch keine kleine, denn ich schenkte ihm meine Zeit und Aufmerksamkeit, ich lernte diesen jungen Mann ein wenig kennen und stand ihm zur Verfügung. Die typische mütterliche Sorgearbeit also.
Daß ich nun bei diesem Imkertreffen mit keinem Wort erwähnt wurde, hat mich geschmerzt. Ich habe das schnell vergessen, aber heute war der Schmerz plötzlich wieder ganz präsent. Ich habe den ehemaligen Vorsitzenden in all den Jahren als aufmerksamen, achtsamen und tiefgründigen Menschen kennen gelernt und unterstelle ihm nichts Schlechtes. Aber auch hier wird wieder deutlich, daß Pflegen und Sorgen unsichtbare Tätigkeiten sind. Sie werden nur wahrgenommen, wenn sie unterbleiben. Dafür kenne ich aus meiner alltäglichen Arbeit viele Beispiele: wenn die Servicekräfte auf der Station wegen Arbeitsüberlastung nur unzureichend putzen, wenn ich im Nachtdienst Beschimpfungen von Patienten anhören muss, weil die Klobrille in der Männertoilette mal wieder mit Kacke beschmiert ist, wenn ich mich weigere, den Kaffee schon um fünf Uhr morgens in den Tagesraum zu stellen.
Die Arbeit von Putzfrauen und -männern, Krankenschwestern und -pflegern, Altenpfleger*innen, Erzieher*innen und Hebammen ist lebensnotwendig und unsichtbar. Ohne sie gäbe es keinen monströs gut verdienenden Klinikchef und keinen auch recht üppig bezahlten Geschäftsführer. Sie stehen auf unseren Schultern. Sorge- und Pflegearbeiter*innen bekommen ein eher bescheidenes Gehalt bei ziemlich asozialen Arbeitszeiten und sich rasant verschlechternden Arbeitsbedingungen. Mütter bekommen für ihre Arbeit gar kein Geld.
Und die Erde? Ich bin durch Donna Haraway auf eine Inuit-Kehlkopfsängern aus Kanada aufmerksam geworden, Tanya Tagaq. Sehr faszinierend! Im Song Fracking vom Album Animism gibt sie der gequälten Erde ihre Stimme. Gibt’s auf YouTube. Das geht sehr unter die Haut.